Wenn die Sonne lacht ... Blende 8

Gerhard Metzschker

Diese Bauernregel schränkte das Risiko fehlbelichteter Erinnerungsfotos ein, als Be-lichtungsmesser noch teuer, störanfällig und somit selten im Gebrauch waren. Heute informiert zwar die Kamera, für welche Zeit sie sich entschieden hat, aber für eine anspruchsvolle Bildgestaltung ist die lachende Sonne eher unerwünscht. Dennoch zog es vier Mitglieder des Colorclubs Berlin-Treptow (CCB), dem einzigen Fotoklub im Kulturring in Berlin e.V., in den sonnigen Süden, genauer nach Reggio Emilia am Südrand der Po-Ebene. Hier wurden sie von den 20 Mitgliedern der Fotogruppe des Circolo degli Artisti, einem Kunstverein dieser Stadt, erwartet. Anlass der Reise war also nicht das vermutete gemeinsame Fotografieren, sondern die Einrichtung einer Fotoausstellung des weit über die Grenzen der Hauptstadt bekannten Berliner Klubs. Die Ausstellung war im Wortsinn schwergewichtig, 37 kg wogen die 120 auf Buchbinderkarton verklebten Bilder im Format 30x45 cm. Leider konnten die mitgebrachten Passepartouts wegen abweichender Rahmenformate nicht eingesetzt werden. Die Schau wurde vor Ort auf 99 Bilder reduziert; die Eröffnung fand am Sonntag, dem 6. Juli 2008, im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal des altehrwürdigen Anwesens Mauriziano statt.

Anlass für diese Verbindung ist die zehnjährige Städtepartnerschaft zwischen Albinea, einem benachbarten Ort, und dem Bezirk Treptow-Köpenick, die von einem regen Kultur- und Kunstaustausch lebt und dank italienischer Initiative erstmals auf den Bereich Fotografie erweitert worden ist. Bereits im März 2008 war der Landesvorstand Berlin der Gesellschaft für Fotografie Gastgeber im Rathaus Köpenick für eine umfangreiche Ausstellung des Circolo im Rahmen des traditionellen Fotoklub-Forums. Der Gesellschaft ist für die weitsichtige Öffnung des Forums, das bisher nur für Berliner und Brandenburger Klubs vorgesehen war, zu danken. Die für den CCB ausgesprochene Einladung nach Italien war wegen dessen organisatorischen Engagements integrierter Bestandteil der Vereinbarungen.

Während der Circolo seinen 16 Autoren je fünf Bilder in Berlin einräumte, orientierte der CCB vorrangig auf die Bildleistung und weniger auf ausgewogene soziale Aspekte, die speziell im Fotoklub-Forum eine mitentscheidende Rolle spielen. Eine nicht aus CCB-Mitgliedern bestehende Jury entschied die Bildauswahl. Dennoch wurden zusätzlich einige durchs Raster gefallene Fotos berücksichtigt, so dass alle aktiven Mitglieder in der Kollektion vertreten sind. Diese umfasst sowohl die vier bereits realisierten und publizierten Gemeinschaftsarbeiten „Materialstruktur Holz“, „Szenen des Sports“, „Wasser-Werke“ und „Kraft der Unschärfe“ als auch etwa 50 Fotos zu freien Themen. Der italienische Gastgeber war schließlich von der Ausstellung und dem hervorragend gedruckten, farbigen Katalog mit allen 120 Fotos von 19 Mitgliedern, einem Grußwort des Kulturring-Vorsitzenden Dr. Gerhard Schewe und der zweisprachigen Biografie des CCB sehr beeindruckt.

Zur Vernissage sprachen die Präsidentin des Komitees der Städtepartnerschaft, Frau Manenti, der Präsident des Circolo, Herr Paterlini, der Kulturassessor der Stadt, Herr Catellani, die 2. Bürgermeisterin des Stadtteils, Frau Soliani und der Klubleiter des CCB. Beim anschließenden Imbiss gab es einen intensiven Gedankenaustausch.

Die hohe Wertschätzung der Gäste äußerte sich im angebotenen Rahmenprogramm. Bereits zum Folgeabend gab es ein Highlight: etliche aus anderen Städten eingeladene Fotografen zeigten ihre per Videoprojektor inszenierten audiovisuellen Arbeiten vor großem Publikum, das auch die Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung wahrnahm. Herr Enzo Zanni, Leiter der Fotogruppe und Ausrichter der Veranstaltung wollte nun auch seine deutschen Gäste zur Geltung bringen und erbat spontan vom Klubleiter des CCB einen Kommentar zu den Videoprojektionen. Mit etwas Diplomatie und Sachkenntnis ist das angesichts des Beifalls offenbar gelungen, auch etliche Autoren äußerten anschließend im Gespräch ihre Zustimmung zur kritischen Einschätzung. Neben zwei geselligen Abenden mit den Fotografen des Circolo lernten die Gäste Sehenswürdigkeiten der Stadt wie z.B. Theater, das Tricolore-Museum sowie die Fotothek kennen. Bemerkenswerte Eindrücke boten die Landschaft mit der berühmten Burg Canossa und die Stadt Brescello, die noch nach über 50 Jahren vom Ruhm als Drehort des Schelmenstücks Don Camillo und Peppone lebt. Bei diesen interessanten Abstechern, auf Ausflügen in der gewährten freien Zeit nach Modena und Parma und auf der Reiseroute über Verona und entlang des Gardasees wurden bei konstant blauem Himmel Erinnerungsfotos produziert, vielleicht lassen sich ja daraus auch noch einige Ausstellungsfotos zaubern. Während des Aufenthalts wurde umfangreiche touristische aber vor allem Fotoliteratur überreicht. Etliche ganz aktuelle Publikationen mit Fotos von Mitgliedern des Circolo, wie z.B. Kalender oder eine sehr einfühlsame, 92 Fotos umfassende Dokumentation über die Landschaft der Po-Ebene, offenbaren den ausgeprägten Sinn für perfekte Bildgestaltung und emotionale Ausstrahlung. Damit wird der bereits in Berlin gewonnene Eindruck der Pflege einer soliden aber auch illustrativ anspruchsvollen Bildsprache der im Circolo arbeitenden Amateure und Profis erneut bestätigt. Ihre Arbeiten werden durch die Kommunen und etliche Betriebe gut unterstützt.

Wechselseitige Ausstellungen mit ausländischen Verbänden und Klubs haben im CCB eine lange Tradition. Bereits 1967 präsentierte der Club eine Dia- und Bilderschau in Prag und machte später mit etwa 25 Shows in Polen, Ungarn, der CSSR und UdSSR das damals neue audiovisuelle Medium, die Dia-Multivision mit acht Projektoren, bekannt. Jetzt, nach Ausstellungsbeteiligungen in Paris und Irland, hat der CCB nun erstmals mit hohem zeitlichen und finanziellen Aufwand eine eigene Bildkollektion arrangiert. Dieses Unternehmen wäre ohne Unterstützung durch das Bezirksamt Treptow-Köpenick und den Kulturring in Berlin e. V. nicht realisierbar gewesen. Beiden gebührt unser mille grazie!

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