Max und Moritz und die Conga Kids

Stefan Böhme

Nach dem großen Erfolg des Kinderkunsttages Ende Januar im Jugendclub Maxim war es bald klar, dass an diesem Faden weitergeknüpft werden sollte. Hatte sich doch die Förderung der Kinderkunst allzu deutlich als ein zeitnotwendiges Thema in unserer übertechnisierten Gesellschaft herauskristallisiert. Das JobCenter Pankow gab seinen Segen, und so konnte sich Dank der organisatorischen Vorarbeit des Kulturrings wie im letzten Halbjahr ein freundlich-aufgeschlossener Trupp von künstlerisch ambitionierten Menschen rekrutieren und sich der gestellten Aufgabe widmen.

Es lag nahe, wieder beim „Maxim“ anzuklopfen. So ein Glück muss man haben: Zur passenden Zeit am richtigen Ort eine gerade für eine Veranstaltung aufgebaute große Bühne an einem folgenden Tag ohne Probleme und Kosten übernehmen zu können. Damit war der Rahmen klar. Das Maxim würde uns bei allen Nebenaktivitäten, wie Porträtzeichnen, Basteln, Töpfern etc. helfen. Am 15. Juni gab es dann das große Event. Einige aus der Truppe stellten eine Wilhelm-Busch-Lesung aus eigenen künstlerischen Kräften auf die Beine. Max und Moritz wurde von Dreien in witziger Verkleidung abwechselnd gelesen und von einem Vierten schauspielerisch-gestisch illustriert. Danach bevölkerten die „Fantasten“ die Bühne, die das nach der Wende selten gewordene Akkordeon zu neuem Leben erweckten. Die 7-köpfige Gruppe brachte milde harmonisch-orchestrale Musik zu Gehör. Ganz im Kontrast zur Breakdance Association vom Würfel, die ja auch im Winter schon mit ihrem betont coolem Ghettogehabe dabei war und sich mehr den wummernd-fetzigen Klängen hingab. Auf der Bühne hatten die Tänzer jetzt richtig Platz, um sich auszutoben. Das reichte ihnen aber nicht. Immer wieder sprangen sie herunter auf den Rasen und zeigten dort ihre verschiedenen Moves. Die drei Jungs sind echte Energiebündel, und es bleibt zu hoffen, dass sie diese kraftvolle Beweglichkeit in verwandelter Form mit ins Denken und Leben nehmen und sich nicht wie Viele klein kriegen lassen. Es folgten die Afro-Cubanischen Conga-Kids mit erfrischenden differenzierten Rhythmen. Der sehr warmherzige und freundliche Leiter ist sicherlich ein geborener Pädagoge, und seine Arbeit für die gesunde Entwicklung der Kinder kann nicht hoch genug geschätzt werden. Das strahlte auch für den Zuschauer wahrnehmbar aus.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Wetter ganz gut gehalten, aber schon zum Ende der Conga-Kids zog sich der Himmel mit eindeutigen Absichten düster zusammen und schickte grimmige Kumuluswolken. Plötzlich, wie mit einem Schlag, stürmten die Elemente wie losgelassen in einem Sommergewitterregen über den Platz. Die zahlreich aufgestellten Pavillons drohten, wie leichte Luftballons davon zu fliegen und wären es auch, wenn nicht geistesgegenwärtige Hände allerorten zugepackt hätten. Auch der liebevoll aufgebaute Losstand, der nur durch die zahlreichen Sachspenden der Berliner Bäderbetriebe, von UCI-Kinowelt aber auch durch die Arcaden-Boutique „stilvoll“ möglich war, wollte sich selbstständig machen. Die Ströme nahmen schier kein Ende, im Nu war der Platz mit großen Pfützen unter Wasser. Zwar hatte sich alles schleunigst Schutz suchend unter Dächer und in den Innenraum des Maxim zurückgezogen, aber der Stimmung tat das kleine Abenteuer keinen Abbruch. Im Gegenteil! Jetzt wurde erst richtig sichtbar, wie viele Menschen gekommen waren, die sich zuvor auf dem ganzen Grundstück verteilt hatten. Man stand abwartend eng in Gruppen zusammen und unterhielt sich mit nassen Haaren und Füßen prächtig. Ich erinnere mich an kleine Mädchen, die unverdrossen, vom Regen umflutet, unter einem Pavillon am Tisch sitzend in aller Seelenruhe weiterbastelten. Als nächstes sollte die Kids Schülerband folgen. Auch sie ließen sich nicht irritieren und stimmten schon mal ihre Instrumente. Dabei wollten ein gutes Dutzend vielleicht 15jähriger Groupies, die sie mitgebracht hatten, nicht zurückstehen und liefen kreischend durch den Guss zum gegenüberliegenden Pavillon, um ja nichts zu verpassen. Und dann war der Spuk auch schon vorbei, der Himmel wurde wieder blau, und die Band konnte mit etwas Verspätung die geplanten Nummern vor ihrem zumeist weiblichen Publikum abspielen. Bei der nächsten reinen Instrumentalband war es dann umgekehrt, und die Jungs durften große Augen machen. Jetzt standen drei Mädels an Bass, Querflöte und Leadguitar, nur das Schlagzeug hatte ein Junge übernommen. Da stand wohl der Altrocker und Derwisch Ian Anderson von Jethro Tull Pate… Ganz so rockig gings noch nicht zu, aber aller Anfang ist schwer und lobenswert. Danke. Die Hip Hopper Visa Vie!!!2 hatten es diesbezüglich einfacher. Sie ließen die Musik einfach vom Tontechniker abspielen und konzentrierten sich stattdessen auf das Wort. Das aber traf ins Herz:

„Nichts und niemand wird noch respektiert. Immer öfter werden Lehrer terrorisiert, Mitschüler massakriert, Eltern therapiert, Jugendschutz und Polizei sind schon (…) alarmiert. Nicht nur Soziologen sind darüber schockiert, dass unsere Generation kaum noch etwas interessiert. Statt sich zu bilden, werden neuste Heldenspiele studiert. Und nebenbei sind mal wieder Kinder an Drogen krepiert. Diese Generation hat kaum noch Kommunikation, an jeder Ecke heißt es Hure, Fotze, Hurensohn. Statt Shakespeare und Goethe sitzt Bushido auf dem Thron, und Hartz IV ist noch der einzige monatliche Lohn.“ Und im Refrain: „Diese Generation liegt am Boden. Helft ihr auf, schenkt ihr Kraft! Diese Generation ist sonst verloren, dann habt Ihr sie umgebracht.“

Was soll man dem noch hinzufügen?

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