Kultur im Disput

Dr. Gerhard Schewe

Die „Kultur in Deutschland“ weist ebenso viele Unterschiede und Besonderheiten wie Ursprünge auf. Sie wurzelt im Alemannischen, Schlesischen, Niederdeutschen; basiert auf dem Erbe der Antike und des Judentums; ist geprägt von den christlichen Religionen und der europäischen Aufklärung. Sie trägt Merkmale der Feudalzeit und des städtischen Bürgertums, hat Anleihen bei den Hugenotten oder den Böhmischen Brüdern aufgenommen, bewahrt die Erinnerung an die sozialen Kämpfe und die politischen Umbrüche unserer Geschichte. Das alles konstituiert ihren Reichtum. Jedes Weglassen bedeutet eine Verarmung.

Zu Zeiten der deutschen Zweistaatlichkeit ist westlicherseits immer wieder betont worden, dass es trotz der Teilung und trotz des Anspruchs der DDR-Führung auf eine eigenständige sozialistische Nationalkultur nach wie vor eine gemeinsame deutsche Kultur gäbe. Der Einigungsvertrag von 1990 folgt dieser Argumentation und stellt fest, dass Kunst und Kultur trotz der unterschiedlichen Entwicklungen in Ost und West eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation gewesen seien (Art.35, Abs.1).

Man durfte also darauf gespannt sein, wie sich der Bericht der Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages zu diesem Thema äußern würde, und sieht sich enttäuscht. Zwar werden Vielfalt und Qualität des künstlerischen Schaffens in der DDR anerkannt, durch den Verweis auf fehlende Freiheit selbst im kulturellen Erleben zugleich aber auch wieder entwertet. In letzter Hinsicht bleibt eigentlich nur gültig, was in irgendeiner Weise zum Niedergang der DDR beigetragen hat. Und statt die besonderen Erfahrungen, die die Ostdeutschen im Umgang mit der Kunst und Kultur gemacht haben, als Chance und eine zusätzliche Bereicherung der „Kultur in Deutschland“ zu begreifen, wird darauf orientiert, diese Besonderheit im Sinne der „inneren Einheit Deutschlands“ so schnell wie möglich zu überwinden.

Nicht verwunderlich also, dass es zu dem offiziellen Passus über die „kulturellen Nachwirkungen der deutschen Teilung“ ein Sondervotum der Fraktion DIE LINKE gibt (s. Neues Deutschland vom 13.12.2007, S. 13), in dem bestimmten Klischeevorstellungen widersprechen wird und insbesondere auch der These, dass Verluste, die die kulturelle Infrastruktur der DDR durch die Einheit erlitten habe, durch neu entstandene Organisationsformen mehr als ausgeglichen worden seien. Im Einigungsvertrag hatte es hierzu noch geheißen, dass die kulturelle Substanz im Beitrittsgebiet keinen Schaden nehmen dürfe.

Auch der Kulturring in Berlin e.V. hat hierzu seine eigenen Erfahrungen gemacht.

Dies ist Teil 3 einer Beitragsfolge des Autors, deren erste beiden Artikel in den Heften 5 und 6 der Kultur-News zu lesen waren. Dr Gerhard Schewe ist Vorsitzender des Kulturrings in Berlin e.V.

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