Erster Kinderkunsttag in Pankow

Stephan Böhme

So ist das mit einer guten Idee: Bevor sie gedacht und in die Welt gesetzt ist, hält man sie allzu schnell für nichts Besonderes, vielleicht sogar entbehrlich. Aber einmal Wirklichkeit geworden, fragt sich der erstaunte Zeitgenosse, warum man nicht eher darauf gekommen ist und fragt unversehens, welch Potenzial gar noch in ihr schlummern möge.

Manch einem, der den ersten Kinderkunsttag im Bezirk Pankow am 27.01. im Maxim organisiert und frohgemut erlebte, mag es im Stillen so ergangen sein. Aber bis es soweit war, brauchte es ein halbes Jahr des vielfältigen Beratens und Handelns. Als erstes musste ein Veranstaltungsort her! Also flogen die Mitarbeiter in alle Richtungen des sommerlichen Bezirks aus und erkundeten, was hier oder da möglich wäre. Sie mussten bald erfahren, dass es mitnichten nur auf die passenden Räumlichkeiten ankam, auch, und ganz besonders das Menschliche vor Ort musste stimmen. Als eine kleine Delegation die etwas versteckte, bunt besprühte Baracke des Jugendklubs Maxim in Weißensee entdeckte, wurde sie auf ihre zarte Nachfrage hin von den Mitarbeitern unmittelbar mit so großem Entgegenkommen und vorbehaltloser Offenheit empfangen, dass die Entscheidung schnell gefällt war. Auf diese Menschen konnte man bauen. Ein bunter Familientag schwebte den Machern vor. So wurde bei der Projektplanung bald deutlich, dass sowohl bildende als auch darstellende Künste ihren Platz haben sollten. Kunst- und Sprecherzieher, Musik- und Tanzlehrer aller Couleur wurden in Schulen und Freizeiteinrichtungen angefragt, aber auch bestehende Kontakte fruchtbar gemacht. Als Resultat der Bemühungen stapelten sich nach und nach Bilder und Skulpturen im Planungsbüro der Mühlenstraße, und eine nach der anderen Zusage zur Beteiligung kam herein. Wer hätte mit solch positiver Resonanz gerechnet?

Am letzten Sonntag des Januars war es dann soweit. Angezogen durch die Auftritte eigener Kinder und von Freunden, aber auch durch die vielfältigen Ankündigungen auf einem niveauvoll gestalteten Plakat strömten unerwartete Mengen hinein. Geschätzte 500 sollten es am Ende werden.

Die Caféteria empfing den Besucher mit liebevollen Kinderbildern, die über und über die Wände des Maxim schmückten. Die Einrichtungen Früchtchen Hort Weißensee und Kinderklub am Mauerpark, die Bornholmer und Carl-Humann-Grundschule, die Grundschulen am Weißen See und am Planetarium hatten den größten Anteil an der Ausstellung in diesem Raum. Nicht zu vergessen die phantasievollen Linoleumdrucke aus dem Freizeithaus Kulti, die in geheimnisvoller Beleuchtung schimmerten. Aber auch Schöpfungen anderer begabter Kinder, z.B. die von Rosa Trettner, welche die Motive für das Plakat geliefert hatte, waren zu sehen. Doch damit nicht genug: Ein umgestalteter Billardtisch mit draufgesetzter Vitrine gab Platz für rührend-niedliche Tonskulpturen vom Freizeithaus Kulti, von der Hamburger Grundschule und dem Jugendklub am Mauerpark. Umgeben von solcher Kunst schmeckte auch der angebotene Kuchen oder ein herzhaftes Chili con Carne besonders gut. Damit die Kinder auch selbst kreativ tätig werden konnten, wurden Gesichter bemalt, Buttons gepresst, Origami gefaltet, Bilder gemalt und Ton geknetet. Im roten Bühnenraum übten die großformatigen und ausdrucksvollen Bilder der Jugendkunstschule Pankow ihren Reiz aus. Dort begann der Reigen der musikalischen und tänzerischen Darbietungen mit den sehr agilen Breakdancern „Fippniesche“ und supercoolen HipHoppern, gefolgt von der Bauchtanzgruppe „Freiraum“, die mit einer reichhaltigen Choreographie, anmutigen Gebärden, bunten Gewändern und wehenden Tüchern das Auge erfreute. Nachdem die Mädchengruppe „Ebbe und Flut“ eine witzige Recyclingmodenschau vorgeführt hatte, folgte das Lesetheater „Wortschatz“ mit seinem Beitrag, der mutig im lebendig belebten Raum ohne Mikrofon hingestellt wurde. Hut ab! Die von Ekaterina Leviskaja geleitete Kindertanzgruppe „Karambole“ beschenkte die Gäste mit einer schier nicht enden wollenden Fülle an spielerischen, der kindlichen Verfassung entgegen kommenden Fantasien zu bekannten Melodien. Reigentänze von lauter weißperückten „Mozarts“ wurden gefolgt von zarten Elfen mit Flügelchen und lustigen Fühlern am Kopf, „mechanische Puppen“ standen im Kontrast mit einem süßen Hühnertanz, während größere Mädchen schon fast „richtiges“ Ballet zeigten. Gleich darauf wurde der Zuschauer in den Zauber des Harems mit seinem Pascha entführt. Zurück in Europa hüpften die 7 Zwerge mit roten Zipfelmützchen und Schneewittchen allerliebst über die Bühne. Noch ein Elfenmärchen folgte, und schon war China an der Reihe, mit Bambusschirmchen und schimmernden Gewändern grazil dargeboten. Dann wieder Spanien, bayrische Mini-Schuhplattler, stolz marschierende und salutierende Knirpse in Matrosentracht… Großes Finale - und der Applaus war entsprechend.

Es war eine erfrischende Abwechslung, dass nun musikalische Beiträge das Ohr erfreuten. Die Bläsergruppe der Weißenseer Jugendmusikschule „Béla Bartok“ spielte neben manch anderen Stücken einen Kanon, zu dem das Publikum erfolgreich angeregt wurde, den Takt klatschend zu begleiten. Mit wohl 30 Kindern stand dann der Chor „Schräge Vögel“ der Bornholmer Grundschule auf der Bühne und rührte mit seinen reinen Gesängen die Seele. Den Abschluss des geradezu fulminanten Programms bildete am Abend das Puppentheater „Helmi“, scheinbar frei improvisierend von drei Akteuren am Tisch gespielt. Eine skurrile Variante des Rotkäppchens mit komisch-urigen Figuren brachte das Publikum kräftig zum Lachen. Neben der unmittelbaren Freude am Geschehen mag bei dem einen oder anderen ganz still eine neue Wertschätzung kindlichen Kunstschaffens nachgeklungen sein, welche die tiefe Bedeutung künstlerischen Schaffens für die menschliche Entwicklung deutlich werden ließ.

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