Geschichtsforschung zum Berliner Osten – wie weiter?

Dr. Manfred Kaul

„Sich selbst Aufgaben zu stellen, Ziele zu setzen, ja sich Pflichten aufzuerlegen, ist es nicht genau das, was dem täglichen Leben Sinn gibt?“ fragt Ingo Knechtel, Geschäftsführer des Kulturrings, in seinem Beitrag zum Jahresbeginn in Heft 1/2008 der „Kultur news“.

Und in der Tat – genau dieses Anliegen bewog vor mehr als 10 Jahren auch Geschichtsinteressierte im Kulturring, die Interessengemeinschaft „Geschichte des Berliner Ostens“ zu gründen. Schwerpunkt der historischen Spurensuche der Gruppe sind vor allem die östlichen Stadtbezirke Friedrichshain und Lichtenberg., insbesondere die Ortsgeschichte rund um die Karl-Marx-Allee und Frankfurter Allee. Mit ihrer Schriftenreihe „Kleine Stadtwanderung“, ihren Ausstellungen und Stadtspaziergängen hat die IG inzwischen selbst eine sichtbare Spur im kulturellen Leben des Berliner Ostens gezogen.

Heft 1 bis Heft 3 der Schriftenreihe „Kleine Stadtwanderung“ werden in Kürze, umfassend überarbeitet und aktualisiert, neu aufgelegt. Die Nachauflage weiterer Hefte dieser Reihe wird bei Bedarf erfolgen.

Es ist der besondere Reiz und das Verdienst dieser heimatgeschichtlichen Forschung, dass sozusagen vor Ort, im Alltag der sogenannten kleinen Leute, dem Geschichtsverlauf vergangener Jahrzehnte nachgespürt und mit Hilfe vieler Zeitzeugen Dokumente und Begebenheiten ausfindig gemacht werden, die Geschichte lebendig werden lassen. Vieles was auf diese Art zu Tage gefördert wurde, findet man in keinem Geschichtswerk namhafter Autoren, verzeichnet kein Lexikon. Gerade darauf beruht wesentlich der Eigenwert dieser lokalgeschichtlichen Forschung.

Die Interessengemeinschaft hat sich in den letzten beiden Jahren besonders der vertiefenden Forschung zu einzelnen Bauwerken, Ereignissen und interessanten Persönlichkeiten aus der Vergangenheit Friedrichshains und Lichtenbergs zugewandt. Häuser und Menschen – das macht Ortsgeschichte spannend. Dafür mögen folgende Beispiele stehen: Dr. Ernst Sorge (1899 – 1946), war viele Jahre als Lehrer an der Händeloberschule in Friedrichshain tätig. Intensiv beschäftigte die IG sein Wirken als international bekannter Grönlandforscher. Mit seinen Expeditionsberichten und –filmen wurde er zu einer besonders von der Jugend bewunderten Forscherpersönlichkeit. Seine Schilderungen von bestandenen Gefahren auf den Forschungsreisen, den Begegnungen mit den Einwohnern Grönlands und der Stärke der Naturgewalten fesseln noch heutige Leser. Angesichts der sich abzeichnenden Klimaveränderungen gewinnen die Forschungen Dr. Sorges neues Gewicht.

Ungeklärt war bisher der genaue Standort eines „Marmorpalais“ genannten Gebäudes aus dem Bereich der Möllendorffstraße in Lichtenberg, das einst einem Hohenzollern gehörte. Mit Stolz ist zu berichten, dass es gelang, sogar Abbildungen dieses Gebäudes aufzufinden. Der Standort ist auch geklärt, es befand sich in der Möllendorffstraße 62/69 und wurde noch lange Jahre nach 1900 als Lungenheilstätte der Landesversicherungsanstalt Berlin genutzt. Noch vor dem II. Weltkrieg abgerissen, führt heute die Karl-Lade-Straße über das ehemalige Heilstättengelände.

Das Nationale Aufbauprogramm Berlin, später Aufbauwerk genannt, hat viele sichtbare Spuren im Berliner Osten hinterlassen. Bekanntestes Ergebnis sind bis heute die Bauten der früheren Stalinallee. Zusätzlich zu den vorhandenen Veröffentlichungen konnte durch die IG mit vielen Dokumenten, Bildern und Zeitzeugengesprächen diese interessante Aufbauperiode Berlins belegt werden.

So stellt sich für uns die Frage: Wie können wir mit dem erarbeiteten Material die größte Öffentlichkeitswirkung erzielen? Wer wie wir viele Gespräche mit Friedrichshainer und Lichtenberger Einwohnern führt, erfährt unmittelbar, wie sehr die deutsche Einheit auch in diesen Teilen Berlins zu einem Zuzug vieler aus westdeutschen Bundesländern stammender Landsleute geführt hat. Ihr Interesse an dem, wie es früher in diesem Teil Berlins ausgesehen, wie er sich zu dem Berliner Bezirk entwickelt hat, in dem sie heute leben, ist außerordentlich hoch. Deshalb beabsichtigen wir eine handliche Faltblattserie herauszugeben, die unter dem sinngemäßen Motto „Wer, wo, wann - zu geschichtlich interessanten Personen, Orten, Gebäuden und Ereignissen“ kurz gefasst und verständlich Auskunft gibt. Unser bescheidener Beitrag zum 100jährigen Jubiläum der Stadtrechtsverleihung an Lichtenberg. Angesichts der vielen erarbeiteten Materialien zur Geschichte des Berliner Ostens ist es dringend, das Archiv der Interessengemeinschaft neu zu ordnen.

Gerne unterstützt unsere IG auch die Projektarbeit des Kulturrings. So arbeiten wir eng mit einem Projekt zusammen, welches die Herausgabe einer neuen Broschüre „Kleine Stadtwanderung“ vorbereitet.

Dem großen Wandel in der Geschichte des Berliner Ostens im Kleinen nachzuspüren, bleibt weiterhin unser Anliegen. Über neue Mitstreiter in unserer Interessengemeinschaft würden wir uns sehr freuen. In leichter Abwandlung eines bekannten Ausspruchs heißt es bei uns: Mach mit – bleib geistig fit. Anruf genügt: 030 / 282 63 43 oder Fax 030 / 28 04 62 54 (Projektbereich Mitte / Nord, Geschäftstelle: Friedrichstraße 128, 10117 Berlin)

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