Ein Dorf in Kamerun

I. K.

Zwei Berliner Schulklassen der Münchhausen Grundschule in Reinickendorf hatten ein Bild gemalt und es gemeinsam mit vielen anderen Bildern ausgestellt. „Das Dorf in Kamerun“ hat so vielen so gut gefallen, dass ein Team des Kulturrings daran ging, Geschichten von Kindern und Jugendlichen dazu zu sammeln. Ein gutes Forum, die Idee zu verbreiten, war der evangelische Kirchentag im Frühsommer 2007 in Köln.

Von den zahlreichen Reaktionen zu diesem Schreibwettbewerb erreichte die Redaktion dieser Tage folgende Geschichte von Stefanie aus Berlin. Stefanie ist geistig behindert und ihre Betreuerin Tanja schilderte uns, wie es dazu kam, dass sich Stefanie am Wettbewerb beteiligte.

Lange Zeit hatte es Stefanie sehr schwer. Es gab Momente, wo jedes Wort zu lernen, zu schreiben, zu lesen eine Qual für sie war. „Die Mutter zeigte mir den Zettel Ihrer Ausschreibung und so versuchten wir unser Glück,“ so Tanja. Vier lange Wochen beschäftigten sich die beiden mit dem Thema. Sie holten sich Bücher aus der Bibliothek, sprachen über das Gelesene. „Stefanie hat sich dann Stück für Stück ausgedacht, was in der Geschichte passiert und ich habe ihr beim Ausschmücken Hilfestellung angeboten, die sie dann angenommen oder nach eigenen Vorstellungen abgewandelt hat“, schreibt uns Tanja. Zuerst hat Stefanie den Text per Hand selbst geschrieben, man sieht, wie aus den Gedanken mit viel Mühe die Geschichte entstand, wie sich die Bilder aneinander reihen, wie Wörter verworfen und durch neue ersetzt wurden – bis Stefanie schließlich zufrieden mit ihrem Werk war. Wenn Betreuerin Tanja uns mitteilt, dass es mitunter für Stefanie sehr anstrengend war, fügt sie aber gleich hinzu: „Und doch hat es ihr viel Spaß gemacht und ich glaube, sie ist sehr stolz auf ihre Geschichte.“

Die Redaktion der KulturNews freut sich mit Stefanie über diese Geschichte. Das Team des Kulturrings wird sich ein besonderes Dankeschön für Stefanie ausdenken. Und vielleicht ist dies für Stefanie der Beginn für neue Idee zu noch mehr schönen Geschichten. Wir drücken ihr dafür die Daumen.

 

Stefanie Kühnert:

Ein Geburtstagsfest in Kamerun

Chaka ist 10 Jahre alt und hat 7 Geschwister. Sein Vater arbeitet in den Kaffeeplantagen und ist viel unterwegs. Seine Mutter Jamaja ist seit einigen Wochen krank und müsste eigentlich in ein Krankenhaus. Zwei Zwillingsschwestern von Chaka haben bald Geburtstag aber niemand kann sich darum kümmern. Chaka will sich was ausdenken. Er geht zu seinen beiden Freunden Lawali und Dembo. Ihnen kommt eine Idee: sie wollen eine Aufführung machen und das ganze Dorf einladen. Sie überlegen, was sie jetzt alles tun müssen:

Sie haben noch 7 Tage. Sie brauchen viele Kinder für die Aufführung, Trommeln, Tiere, Kostüme, Masken, Schmuck, Geschichten. Sie brauchen eine Informationsgruppe, sie sollen von Haus zu Haus ziehen und von dem Fest erzählen. Sie müssen den Dorfplatz schmücken. Sie müssen ihr Programm vorbereiten. Sie wollen in der Schule darüber sprechen und ihre Lehrer und Mitschüler um Hilfe bitten.

Und los geht‘s. Alle machen sich an die Arbeit. Chaka hält alles geheim, seine beiden Schwestern sollen überrascht werden. Nur dem Vater verrät er sein Geheimnis. Der Vater nimmt Chaka in den Arm und küsst ihn. Die Mutter Jamaja macht sich Sorgen. Wie sollen sie das Krankenhaus bezahlen? Was wird aus dem Geburtstag? Der Vater flüstert Jamaja die Geschichte ins Ohr und streichelt ihr Gesicht. Sie ruft Chaka an ihr Bett und lächelt glücklich. „Mein Sohn du bist warm und hell wie die Sonne. Dein Herz ist zärtlich wie eine Blume“. Chaka freut sich und rennt aus dem Haus. Das Schultaxi kommt gleich. In der Schule in der Stadt sind alle Feuer und Flamme, als er ihnen von dem Fest erzählt hat. Der Lehrer verspricht Chaka, ihm zu helfen. Die nächsten Tage will er ein Programm mit allen Schülern einüben. Nach der Schule geht die Informationsgruppe mit Trommeln los und verkündet den Leuten im Dorf:

Liebe Leute! Am 23. August, dem Tag der Mondgöttin Mwezi haben Sawina und Fena, die Zwillingsschwestern der Parra-Familie, Geburtstag. Die Mutter Jamaja ist krank und kann kein Fest vorbereiten, sie muss ins Krankenhaus. Wir laden euch alle deshalb zu einer großen Vorführung ein. Als Eintritt soll jeder etwas zu essen mitbringen. Die Aufführung beginnt mit Einbruch der Dämmerung. Wir möchten mit euch essen, tanzen, singen, lachen.

Jetzt ist es soweit. Der Geburtstag ist gekommen. Heute sind 39 Grad und die Sonne brennt. Alle Kinder sind auf dem Dorfplatz. Sie stellen Fackeln auf und einige Frauen helfen beim Schmücken. Sie bauen wunderschöne Figuren aus Bananen, Kiwis, Ananas, Kokosnüssen und Blumen. Als es langsam dunkel wird, kommen ganz viele Leute in schönen bunten Kleidern. Das Essen stellen sie auf einen großen Tisch. Es gibt jede Menge Maispfannkuchen, Hirsebrei, gekochtes und geraspeltes Gemüse, gebackenes Brot und Obst. Die Frauen tragen auf ihrem Kopf große Wasserkrüge vom Brunnen. Die kleinen Mädchen üben mit kleinen Krügen. Ein großer Gongschlag ertönt. Alle setzen sich auf den Boden und warten gespannt. Das Programm ist super. Einige Kinder trommeln, andere singen und tanzen. Dann kommt Onkel Satcha mit zwei echten Elefanten. Alle klatschen. Großmutter Sarha erzählt lustige Geschichten und bringt die Leute zum Lachen. Als es schon dunkel ist, leuchten die brennenden Fackeln. Jetzt führen die älteren Kinder einen magischen Maskentanz auf. zum Abschluss tanzt die wunderschöne Schwester

Ghana einen Liebestanz. Es gibt viel Beifall. Sawina und Fena sind sehr glücklich über dieses schöne Fest. Einige Leute haben sogar Geschenke mitgebracht: Schmuck, Tücher und selbstgenähte Puppen. Nach dem fröhlichen Essen trinken viele Männer Bier. Es wird bis in die späte Nacht getrommelt und getanzt. Über den Bergen steht der Mond und die Sterne funkeln. Die ganze Familie schläft glücklich ein.

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