„Kuh kommt, frisst Gras und geht wieder“

Nele Saß

In der letzten Woche der Sommerferien Ende August fand im „Magdalena“ in der Buchberger Straße 4-12 in Lichtenberg auf Initiative des Kulturrings ein Trickfilm-Workshop für Jungen und Mädchen von 6-10 Jahren statt. Die Idee war, anlässlich der bundesweit ausgerufenen Interkulturellen Tage im Herbst einige zugleich multikulturell- wie filmorientierte Projekttage an zweisprachigen Schulen und Jugendzentren in Lichtenberg durchzuführen und deren Ergebnisse gemeinsam zu präsentieren, beispielsweise anlässlich des nächsten Jugendfilmfestivals der Bezirke Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf „LIMA“.

Im Vordergrund standen natürlich der Spaß und das spielerische Können der teilnehmenden Kinder sowie die Möglichkeit, vorhandenen künstlerischen Begabungen nachzugehen und nebenbei zusätzliche, neue Medienkompetenzen zu erwerben. Den Trick- bzw. Animationsfilm (von lat. animare: beleben) zeichnet ja aus, dass die Bewegung, die der normale Film direkt aufnimmt (und zwar mit 14 Bildern in der Sekunde), hier quasi handwerklich hergestellt wird. So werden Gegenstände oder Figuren von Bild zu Bild jeweils einen kleinen Schritt weiterbewegt, die Kamera löst 24 Einzelbilder aus, die aneinander montiert dann eine Filmsekunde und den Eindruck einer Bewegung in unserer Wahrnehmung ergeben. Bei der Herstellung eines Trickfilms lernt man daher in besonderer Weise, wie über praktisches Verständnis und ein gewisses Vorstellungsvermögen filmische „Tricks“ erzeugt werden – und kann nun als Zuschauer von Film und Fernsehen dieses Medium umso leichter durchschauen. Der Trickfilm ist also ein medienpädagogisches Instrument per se.

Für den Workshop im „Magdalena“ wurde Heinz Busert vom Trickatelier Busert in Berlin gewonnen, der an vielen bekannten Trickfilm-Produktionen beteiligt war, u.a. der „Sendung mit der Maus“. Umfangreiche medientechnische Gerätschaften ermöglichten neben der Erprobung der verschiedensten Techniken von der Zeichen- bis zur Sachanimation, auch die Entstehungsgeschichte des (Trick-)Films selbst anschaulich zu machen.

Gleich am ersten Tag konnte mit dem Praxinoskop, einem optischen Spielzeug aus dem vorletzten Jahrhundert, das Verständnis für den über schnell bewegte Einzelbilder zu erzeugenden Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung ganz praktisch vermittelt werden. So lernten an diesem Nachmittag des Workshops viele auf Papierstreifen mit jeweils zwölf Bildern gezeichnete ‚horizontale Daumenkinos‘ das „Laufen“. Es war hier bereits interessant festzustellen, dass einige Kinder das Prinzip sofort begriffen und – besonders wenn ihnen das Zeichnen lag – auch immer weiter mit geeigneten Motiven fortsetzten. Andere Teilnehmer wiederum zeichneten eher Bilder, die jedes für sich anders aussahen und bei schneller Drehung des Praxinoskops nicht einen Eindruck natürlicher Bewegung erzeugten, dafür jedoch zum Teil nicht minder interessante Effekte erreichten.

Die nächste Etappe stellten die ersten praktischen Experimente mit der Filmkamera dar. Dies geschah anhand des Knetfilms, einer dreidimensionalen Variante des Trickfilms. Die Knete blieb den ganzen Workshop über, trotz weiterer vorgestellter Möglichkeiten, das beliebteste Material der Film-Produktion. In vielen Fällen führten die selbst erdachten Szenen zu guten filmischen Umsetzungen, bei denen mit wechselnden Hintergründen, scheinbar in der Luft fliegenden Sternen und natürlich den veränderlichen Knetfiguren gearbeitet wurde. Eine der am meisten abgewandelten und wiederholten Szenen ließe sich mit „Kuh kommt, frisst Gras und geht wieder“ auf einen Nenner bringen. Die Kinder sprachen sich in der Arbeit jeweils ab, brachten sich gegenseitig ihre neuesten Entdeckungen bei und setzten ihre zuvor besprochenen Szenen anschließend um. Einige waren für eine längere Zeit die Kameramänner, d.h. sie saßen am Computer und lösten per Mausklick die unendlich vielen Einzelbilder aus, die für einen Trickfilm erforderlich sind. Die Kamera stand auf einem Stativ, während das durch sie aufgenommene Bild bereits direkt auf dem Monitor des Computers erschien.

Den einzigen starken Kontrapunkt zur Knet-Animation bot ein Experiment mit der von Norman McLaren - einem in Kanada tätigen Animationsfilmer aus Schottland - entwickelten Pixillationstechnik: dem Animieren von Menschen selbst, indem über die Verkettung von Einzelbildern eine natürliche Bewegung auf neue, verfremdende Weise gestaltet wird. Die Kinder bildeten hierfür gemeinsam eine sich scheinbar von selbst sitzend nach vorn schiebende Eisenbahn.

Auch der Schnitt der Filme wurde unter Mithilfe der gesamten Gruppe bewerkstelligt. Heinz Busert fragte dabei die „Regisseure“ stets nach der gewünschten Geschwindigkeit und Reihenfolge der Einzelbilder im Film. Aus den vielen Szenen entstand sowohl ein „Knete-Film“ als auch ein weiterer Film mit den nochmals abgefilmten Daumenkino-Streifen, der sog. „Praxinoskop-Film“.

Beide Filme fungierten bereits als erstes Anschauungsmaterial in zwei Folge-Workshops an der Alexander-Puschkin-Gesamtschule und der Hermann-Gmeiner-Grundschule, die in Zusammenarbeit mit dem Medienkompetenz-Zentrum „Die Lücke“ gerade angelaufen sind.

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