Günter Reisch zum Achtzigsten

Monika Niendorf

Viele der DEFA-Filmschauspieler kannte und kennt noch heute fast jeder von uns. Aber bei Regisseuren ist das leider nicht ganz so. Günter Reisch zum Beispiel, seit 1965 wohnhaft in Treptow, ist preisgekrönter Autor und Regisseur der DEFA und hat auch nach der Wende noch an vielen Filmen mitgewirkt. Zuletzt erst an dem Film über den Sänger Dean Reed „Der rote Elvis“. Und wenn ich Ihnen nur einige wenige seiner Filme aufzähle, bei denen er Regie geführt hat, werden Sie ganz gewiss sagen: „Natürlich haben wir diesen Film gesehen, können wir uns noch gut erinnern oder haben wir uns sogar noch eine DVD-Kopie bestellt“. Reisch drehte vor allem, beginnend mit „Junges Gemüse“ eine Reihe von Lustspielen und Komödien, in denen er Opportunismus, Duckmäusertum, selbstgerechte Überheblichkeit und andere kleinbürgerliche Schwächen im Alltag der DDR mit Spott, Ironie und Phantasie behandelte und uns oft zum Lachen brachte. 1967 kam „Ein Lord vom Alexanderplatz“ mit Angelica Domröse und Erwin Geschonneck auf die Leinwand, mit dem er wohl sehr gerne seine Filme in der Hauptrolle besetzte und die nicht zuletzt durch diesen großartigen Schauspieler unvergessen wurden. Zu den wenigen, wirklich gelungenen Filmkomödien der DEFA zählte besonders „Anton der Zauberer“, nach einem Szenarium von Karl Engel, mit dem unvergessenen Ulrich Thein in der Hauptrolle. Viele Gags und Klamauk gab es auch in der Filmkomödie „Nelken in Aspik“ mit Armin Mueller-Stahl, Edwin Marian, Eva-Maria Hagen, Winfried Glatzeder und Eberhard Cohrs. Leider war dieser Film wegen der Ausreise der Hauptdarsteller bald fürs breite Filmpublikum gesperrt, und man konnte ihn erst nach der Wende so richtig genießen und sich über DDR-Werbegags amüsieren. Als Armin Mueller-Stahl später über Dreharbeiten mit Günter Reisch berichtete, zeigte er sich vor allem von dessen Vielseitigkeit begeistert: „Er konnte gleichzeitig Regie führen und dabei fotografieren, er kann etwas vor die Kamera schieben und wieder wegschieben, er quirlt herum, isst dabei eine Bockwurst aus dem Schnellrestaurant, nur um sich nicht vor der Arbeit ablenken zu lassen.“ Vor allem aber lobte er dessen Ideenreichtum.

Günter Reisch wurde auch vor allem durch die Verfilmung biografischer und historischer Stoffe bekannt, wie – gemeinsam mit Kurt Maetzig – den Ernst-Thälmann-Film, oder – in Zusammenarbeit mit dem Autor Michael Tschesno-Hell – die Verfilmung des Lebens und Kampfes von Karl Liebknecht in „Solange Leben in mir ist“ und „Trotz alledem“.

Mit Günther Rücker als Autor drehte Reisch 1974 den Film „Wolz – Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten“, angelehnt an die Kämpfe des Anarchisten Holz in der Weimarer Republik.

Zu Günter Reischs größten Erfolgen zählten allerdings zwei Werke, in denen er sich mit dem Faschismus auseinandersetzte. 1961 inszenierte er mit Hans-Joachim Kasprzik den 5-teiligen Fernsehroman „Gewissen in Aufruhr“, in dem er – basierend auf dem autobiografischen Bericht von Rudolf Petershagen – das Schicksal eines Obersten der Nazi-Wehrmacht, des „Retters von Greifswald“, schildert. 1979 entstand nach einem autobiografischen Roman von Eva Lippold gemeinsam mit Günther Rücker „Die Verlobte“ – ein Film über das Schicksal einer klassenbewussten Kommunistin (unvergessen dargestellt von Jutta Wachowiak) in den Gefängnissen der Nazis. Für jeden, der diesen Film gesehen hat, ein beeindruckendes Kunstwerk. Ich werde nie vergessen, wie „Die Verlobte“ von einer Delegation amerikanischer Filmleute in der DDR damals als einer der besten Filme überhaupt gelobt wurde. Nun ist so ein Urteil immer sehr relativ, aber auch für mich hat dieser Film einen solchen Eindruck hinterlassen und ist der Name Günter Reisch besonders mit diesem Film so positiv verbunden.

Zum Schluss noch kurze biografische Anmerkungen: Günter Reisch war von 1967-88 Vizepräsident des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, 1983 wurde er ordentliches Mitglied der Akademie der Künste. Er war Mitglied des Künstlerischen Rates der DEFA und Mentor an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg. Nach der Wende nahm er noch Lehraufträge an der Filmhochschule in München an. Von 1997-2002 unterrichtete er als Lehrbeauftragter an der Fakultät Film der Bauhaus-Universität Weimar und 2003 wurde er dort zum Honorarprofessor für „Filmgestaltung in den Medien“ ernannt. Und auch heute noch gibt es keine Zeit für Langeweile oder Ausruhen.

Nun wird dieser Regisseur, seit langen Jahren auch Mitglied des Kulturrings in Berlin e.V., am 24. November 80 Jahre alt, und wir möchten uns den zahlreichen Gratulanten anschließen und ihm noch viele Jahre des unermüdlichen Schaffens wünschen. Vielleicht sehen wir uns auch schon bald zu einem seiner lebhaften und unverwechselbaren Vorträge über seine Filmarbeit in 60 Jahren bei der DEFA im Kulturbund Treptow in der Ernststraße wieder.

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