Kultur, Architektur und Geschichte

Michael Laschke

Aus der Arbeit der Geschichtsfreunde Karlshorst im Kulturring in Berlin e.V.

Kultur, Architektur und Geschichte sind spannend und untrennbar verbunden – eine Binsenweisheit – auch wenn der eine oder andere hierbei zunächst nur an Kulturgeschichte oder an Architekturgeschichte denkt.

Die Geschichtsfreunde Karlshorst im Kulturring in Berlin e.V. haben es sich zum Ziel gesetzt, das Spannungsverhältnis dieser drei Lebensbereiche der Öffentlichkeit immer wieder bewusst zu machen. Mit diesem Anspruch boten sie dem Publikum im September 2006 zwei Vorträge über die Luftschiffhalle der Siemens-Schuckert-Werke in Biesdorf-Karlshorst (Dr. Frank Wittendorfer, Leiter des Archivs der Siemens AG in München) und über die Flugzeughallen auf dem früheren Flugfeld Friedrichsfelde-Karlshorst (Christina Czymay, Landesdenkmalamt Berlin). Fast 100 Zuhörer lauschten den Vortragenden. Sie lauschten im wörtlichen Sinne, denn während des Vortrages von Dr. Wittendorfer im Portland-Cement -Haus konnte man beinahe eine geschlagene Stunde lang die sprichwörtliche Nadel zu Boden fallen hören.

Die Vorträge erinnerten die älteren Karlshorster bezüglich der Luftschiffhalle an eine spektakuläre Architektur in der Region Biesdorf und Karlshorst. Sie brachten den Jüngeren (jünger im Lebensalter oder als Einwohner im Kietz), eine kurze Episode Karlshorster Geschichte nahe, die heute nicht mehr greifbar, nicht mehr anfassbar ist. Die Luftschiffhalle, eine technische Meisterleistung, fiel aus politischen Gründen der Spitzhacke zum Opfer, vielmehr, sie musste ihr nach dem Versailler Vertrag zum Opfer fallen.

Eine andere technische Meisterleistung, die Flugzeughallen, unterlagen ebenfalls dem Versailler Vertrag, sind aber noch greifbar. Unter Architekturhistorikern und Denkmalpflegern ist der Wert der Karlshorster Flugzeughallen fast unbestritten. Karlshorster und ihre Besucher bestaunen die Kuppelhallen im Gebiet zwischen dem Deutsch-Russischen Museum, den Telekomgebäuden und den Kleingartenanlagen immer wieder, aber welches Kleinod aus der Baugeschichte und den Anfängen der Berliner Luftfahrt hier so vor sich hinmodert, ist weniger bekannt. Touristen verirrten sich deshalb auch selten in diese Ecke, und Immobilienbeauftragten stach die riesige, entwicklungsfähige Brache in die Augen.

Ein erster Entwicklungsversuch in der jüngeren Geschichte scheiterte, weil die „Bonner Beamten“ doch lieber in Bonn und Umgebung ihren „Lebensmittelpunkt“ behielten oder zumindest nicht in den Osten Berlins, nach „Ostberlin“ ziehen wollten. Nicht wissend um den kulturhistorischen Denkmalwert der Fliegerhallen oder schlimmer, ihn ignorierend, waren die ehemaligen Fliegerhallen überplant. Das ist Geschichte.

Aktuelle Entwürfe für den Bebauungsplan XVII- 50a aus dem Jahre 2007 sehen eine Überbauung nicht mehr vor. Aber ist damit ihr Erhalt gesichert?

In einer Podiumsdiskussion am 16. Mai 2007 zu verschiedenen städtebaulichen und architektonischen Entwurfskonzepten für dieses Gelände, die im Auftrag der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst und des Bezirksamtes Lichtenberg von Studenten der Potsdam School of Architecture (FH Potsdam) erarbeitet worden waren, gab es durchaus unterschiedliche Positionen. Während seitens des Bezirksamtes, Abteilung Stadtentwicklung, Bauen, Umwelt und Verkehr klar für den Erhalt von Hallen votiert wurde, offenbarte sich seitens der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben eine unklare und widersprüchliche Haltung.

Die Geschichtsfreunde Karlshorst traten auf dieser Podiumsdiskussion mit der klaren Position auf, „dass die Flugzeughallen wegen ihrer historischen Bedeutung erhalten werden müssen und auch Gewerbetreibende aus Karlshorst, die sich für eine Nutzung interessieren, nicht weiterhin von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ausgegrenzt werden dürfen; dass sich die geplanten Neubauten in die Kultur und in die Architektur von Karlshorst harmonisch, durchaus auch mit spektakulären Entwürfen, aber nicht als Fremdkörper einfügen sollten und dass mit der Wiederbelebung der Festungspionierschule und der Flugzeughallen, zwischen ihnen das lebendige Deutsch-Russische Museum, ein neuer historischer Gürtel entstehen könnte, der zur Aufwertung des Museums führen und Karlshorst auch touristisch weiter erschließen würde“. Diese Position unterstützen die Anwesenden mit ihrem Beifall, was ansonsten an diesem Abend nicht sehr häufig geschah.

Man könnte weiter träumen: nämlich, dass durch den Bau des Laboratoriums und ersten Sitzes des Vereins Deutscher Portland-Cement-Fabrikanten im Jahre 1900/1901 in der Dönhoffstraße, mit der Errichtung der Flugzeughallen seit 1917, dem Bezug der Waldsiedlung des Architekten Peter Behrens um 1920 und den ersten Experimentalbauten in Großblockweise nach Entwürfen von Leopold Wiel in der Marksburg- und Ilsestraße aus den 1950ziger Jahren Karlshorst einen Pfad in der Baugeschichte besitzt, der die Region kulturell und historisch reicher macht. Die Geschichtsfreunde Karlshorst wollen helfen, diesen Pfad begehbar zu machen.

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