„Standhafte Segeltürme“ und „Stolpersteine“

Ingo Knechtel

7. Kunstkreuz Friedrichshain/Kreuzberg eröffnet

Fotogalerie Friedrichshain am Helsingforser Platz. Freitag, später Nachmittag. Eine zierliche Frau drängt sich vorbei an einem dichten Besucherpulk, wehrt Begrüßungen und Gesprächswünsche freundlich aber bestimmt ab. Ein fast überdimensionaler Blumenstrauß in ihrer Hand soll möglichst direkt und persönlich seinen Empfänger erreichen. Cornelia Reinauer, Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, weiß genau, was es heißt, eine Veranstaltung wie das Kunstkreuz zu organisieren; und ganz persönlich will sie nun der Frau Dank sagen, die nicht im Rampenlicht steht, aber die Strippen der Organisation dieses Events fest in ihren Händen hält. Sichtlich gerührt weichen die angespannten Gesichtszüge von Gudrun Fietz, Koordinatorin des Kulturrings, und ein dankbares, kurzes Lächeln ist zu sehen. Dann wird sie wieder in die hektische Realität kurz vor ihrer zweiten Ausstellungseröffnung in zwei Tagen gerufen.

Das Offene Spielfeld Berlin begrüßte am Donnerstag, dem 22.6., zur besten TV-WM-Fußballzeit viele Fans zu einem Kunstevent, dem 7. Kunstkreuz in Friedrichshain-Kreuzberg. Schon von weitem sind die „Standhaften Segeltürme“ auf der Sichtachse zum Fernsehturm vor der temporären Galerie in der Frankfurter Allee 21 zu sehen. Sie entstanden als gemeinsames Projekt des Künstlers Berbo Thierfelder und SchülerInnen der AG Kunstwerke der Margarethe-von-Witzleben-Schule. Bürgermeisterin Reinauer, zugleich Schirmherrin des Kustkreuzes, und Dr. Beate Reisch, stellv. Vorsitzende des Kulturrings, begrüßten Besucher und KünstlerInnen zu dieser jährlichen Kunstaktion. Die Resonanz war auch in diesem Jahr überwältigend, so dass es der Jury schwer fiel, von 150 in- und ausländischen KünstlerInnen 50 mit ihren Werken auszuwählen. Das ehemalige Bankgebäude mit Tresorraum im Keller und verwinkelten Flächen auf drei Ebenen ist für die ausstellenden KünstlerInnen Einladung und Inspiration zugleich. Der Eröffnungsabend wurde nicht nur zum Kunsterlebnis, sondern auch zum Gesprächsforum für Besucher und Künstler. Und als eine Gruppe Trommler vor dem Haus ihr Bestes gab, kam kurzzeitig so etwas wie brasilianisches oder ghanaisches Fußball-Flair auf.

Am Kunstkreuz beteiligen sich auch wieder zahlreiche Geschäfte und Gewerbetreibende rund um das Frankfurter Tor. Und wie immer ist auch als weiterer Hauptstandort die traditionsreiche Fotogalerie Friedrichshain dabei. Diese platzte am Freitag aus allen Nähten, als zwei Ausstellungen eröffnet wurden. Zum einen sind die prämierten und weitere ausgewählte Arbeiten des bundesweiten Fotowettbewerbs „Nie wieder Krieg“ zu sehen. Fünf Preise an vier Fotografen wurden verliehen. „rigaer straße“ von Ute Donner erhielt den 1. Preis. Beate Reisch erinnerte an das Anliegen des Wettbewerbs und dessen Aktualität und sagte angesichts der „Stolpersteine“ für Ruth und Georg Hoenich: Ein wichtiges Ergebnis des Wettbewerbs ist, „dass nicht allein über 60 Jahre alte Ruinen, Brandschäden und Einschüsse an Gebäuden festgehalten wurden, sondern auch das größte Verbrechen der deutschen Nazi-Herrschaft – der Holocaust“. Cornelia Reinauer danke Ute Donner für ihre künstlerische Arbeit, aber auch für ihr unermüdliches, engagiertes und mutiges Eintreten gegen rechtsextremistische Gewalt im Bezirk. Als weitere Preisträger wurden geehrte: Daniela Risch für ihr Foto „Alte Nationalgalerie“ (2. Preis) und „Sowjetisches Ehrenmal“ (4. Preis), Kerstin Schlopsnies für ihr Bild „Haus in der Kopenhagener Straße“ (3. Preis) und Helmut Hubmann für das Foto „Anstoß zum Denken“ (5. Preis).

In der zweiten Ausstellung in den Räumen der Fotogalerie präsentieren SchülerInnen der Ferdinand-Freiligrath-Schule aus Kreuzberg ihre Arbeiten. Mit ihrem Unterrichtskonzept der „Arenen“ begeistern die Pädagogen um Direktorin Kageler nicht nur ihre SchülerInnen und deren Eltern, sondern zeigen auch, wie erfolgreiche Konzepte ein vermeintlich starres Bildungssystem durchbrechen, den Schulalltag bereichern und zu kreativen Ergebnissen führen können. Die Kreuzberger Partner würdigten nachdrücklich die sehr guten Beziehungen zum Kulturring, die für alle Beteiligten wesentlich dazu beitrugen, die Oberbaumbrücke zwischen beiden Stadtteilen nicht mehr als trennendes, sondern als verbindendes Bauwerk zu begreifen. Und wieder hören die Anwesenden Dankesworte, natürlich an die beteiligten SchülerInnen mit ihren wunderbaren Arbeiten: Fotos, Trickfilme, Steinskulpturen, Malerei und Kunstobjekte. Aber auch an die Organisatoren, allen voran Gudrun Fietz mit ihrem Team.

Die Ausstellungen sind noch bis zum 21.7. zu sehen – ein Besuch lohnt sich.

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