Markus Teper: Mein Leben hat jetzt Stil

Tinija Heinlein-Müller

n unserer Reihe „Eine/r von uns“ stellen wir verdiente Mitglieder und Mitarbeiter des Kulturring in Berlin e. V. vor. Heute: Markus Teper, Jahrgang 1978. Seit 2003 beim Verein, ist er derzeit als technische Kraft auf 1,50-Euro-Basis beim Kulturbund Treptow in der Ernststraße 14/16 beschäftigt.

„Heute bauen wir unser Theaterchen auf“ begrüßt mich Markus schon von weitem, die Stuhlreihen in der Galerie im Obergeschoss auseinander wirbelnd. Richtig: Jeden Dienstagabend laufen Veranstaltungen im Club – Theater, Lesungen, Konzerte und mehr. Mit den Worten „Wart mal Freddy, der Vorhang gefällt mir so nicht“ springt er auf die Leiter, um den roten Samt zu richten, der seit fünf Minuten die Stirnseite der Galerie schmückt. Und zu mir gewandt: „Für das Publikum Theater- oder Kaffeehausatmosphäre schaffen, das macht mir Spaß. Auch wenn unser Kiez-Theater kaum mehr als 30 Leute fassen kann. Die Künstler geben sich doch auch Mühe, als wäre es ein Saal mit Hunderten von Plätzen. Das Schöne ist: Der Beifall gehört auch ein bisschen uns, den Technikern.“ Dann rennt er drei Treppenstufen auf einmal nehmend in den Keller, holt die vorgefertigten Bühnenteile und wuchtet sie vor den Bühnenvorhang. „Den Soundcheck können wir uns heute sparen. Die Künstler bringen ihre eigene Tonanlage mit“, erläutert er den weiteren Ablauf. Tische werden gerückt, golden irisierende Tischtücher aufgelegt, dann noch stimmungsvolle Windlichter gestellt. Fertig. Binnen dreißig Minuten ist die Galerie ein Theatersaal. „Dass man mit kleinen Details große Effekte erzielen kann, habe ich hier im Club gelernt.“ Während der gesamten Aufbau-Aktion bricht der Wortschwall von Markus nur selten ab. Ich erfahre nebenher von der mehr als hundertjährigen Geschichte des Hauses, die gerade erforscht wird. Und dass der alte Bau mit seinen krummen Wänden manchmal gegen sie arbeitet, z. B. wenn eine Ausstellung gehängt werden soll oder wenn die alten Elektroleitungen die Sicherungen rausknallen lassen. Andererseits gäbe gerade das Alt-Ehrwürdige den besonderen Flair für so eine Kulturstätte. ...

Der Achtundzwanzigjährige redet von „seinem“ Haus, als gehörte er seit Jahrzehnten dazu. „Nee, ich komme vom Bau, bin gelernter Dachdecker“, klärt er auf. „Bis ich zum Kulturbund Treptow stieß, hat das Klischee vom Bier trinkenden, ungehobelten und sich raufenden Gesellen auf mich gepasst. Das war mein Leben. Erst hier habe ich mir eine neue Welt erschlossen. Bis dahin glaubte ich ernsthaft, Kultur ist das, was ich im Fernsehen sehe“, gesteht er. Und lächelt: „Ich habe hier wirklich viel begriffen. Es macht mir sogar Spaß, Klavier zu spielen. Den Flohwalzer habe ich drauf. Den hat mir mein Chef beigebracht, der Reno Döring.“

Markus steht jetzt neben mir, hat seine Augen in die Ferne gerichtet: „Anfangs dachten meine Kumpels, diese Phase wird bald vorbei sein. Doch dann habe ich mich auch äußerlich verändert. Irgendwie hat mein Leben mehr Klasse gekriegt, mehr Stil. Jetzt trage ich auch mal ein Hemd nach Feierabend oder trinke statt Bier ein Gläschen Wein. Das wäre mir früher nie eingefallen.“ Auf meinen fragenden Blick erzählt er weiter: „Ich glaube, der Reno hat viel zu dieser Wandlung beigetragen. Hat mich immer einbezogen, wenn die Details mit den Künstlern zu besprechen sind. Schließlich muss ich ja deren Wünsche kennen, damit die Show perfekt wird. Kabelsalat zum Beispiel ist nicht nur eine Unfallquelle, sondern auch kein schöner Anblick. Da sind meine Ideen gefragt.“ Überlegt kurz und spricht weiter: „Und da ich manchen Künstler über Jahre immer wieder treffe, merke ich: Die verändern sich ja auch, entwickeln sich weiter – so wie ich. Ich glaube, inzwischen bin ich nicht mehr ganz so schnell mit meinen Vorurteilen anderen Menschen gegenüber.“ ... Markus sucht nach dem verlorenen Faden, setzt sich zu mir: „Jedenfalls wollten meine Kumpels irgendwann wissen, was mich so verändert hat und sind in die Ernststraße gekommen. Und Schwupp haben wir über die Verrücktheiten der Maler in der Ausstellung diskutiert. Einiges konnte ich auch erklären.“ Grinst: „Die Frau von meinem Kumpel belegt inzwischen hier einen Zeichenkurs. ... Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich in der Galerie in ein Gemälde versunken bin, für längere Zeit regelrecht abtauche, das Farbenspiel betrachte und all diese Dinge.“ Markus reißt sich aus seinen Gedanken hoch, holt von nebenan eine Ankündigung der Abendveranstaltung und die Programmvorschau für den nächsten Monat. Lädt mich ein, zu kommen. Ich verspreche es.

Schon halb im Gehen, lässt Markus anklingen, dass so eine Wandlung nicht ganz reibungslos verläuft: „Stimmt schon, ich bin schnell mal ausgerastet, habe mich geprügelt und so. Heute tobe ich mich lieber mit Wortspielen aus.“ Und in Richtung Reno Döring gewandt murmelt er noch etwas, dass er wahrscheinlich nicht mehr mit seiner Freundin zusammen wäre, wenn sein Chef nicht auch im Privaten immer ein offenes Ohr für seine Sorgen hätte. Schließlich sei auch das zweijährige Töchterchen sein ganzer Stolz. ... Sind da auch noch Wünsche für die Zukunft, so meine letzte Frage. „Klar“, lächelt er verschmitzt „wenn Reno in Rente geht, übernehme ich den Club.“

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