MEIN DORNENLÄCHELN – energiegeladene Grazie

Siegfried Schütze

Der kleine Raum in der Ernststr. 14/16, der schon viele hochkarätige Veranstaltungen erlebte, vermittelt dem Besucher das gute Gefühl, ganz vorn zu sitzen. Am 6. Dezember flirrte der Glanz sparsamer Pailletten über erstaunte und begeisterte Gesichter.

„Mein Dornenlächeln“, ein musikalisch-literarischer Abend, gewidmet der deutsch-jüdischen Poetin Welse Lasker-Schüler, wurde von der Sängerin und Schauspielerin Carola Krautz-Brasin hinreißend dargeboten. In zauberhafter Weise entrollte sich der Lebensteppich der großen Dichterin, wobei die Spanne zwischen glückstaumelnden Höhen und tragisch-bitteren Abgründen feinnervig und kraftvoll ausgefüllt wurde. Ein Fest der Kultur des gesungenen und gesprochenen Wortes, das durch Gestik, Mimik und Kostüm der Interpretin inhaltlich-formale Komplexität erlangte.

Carola Krautz-Brasin, einer Künstlerin, die Professionalität mit Herzblut verbindet, gelang es, das gebannte Publikum in den irrationalen wie kreativ-trunkenen Taumel der zwanziger und dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu versetzen. So gerät dieser Abend auch zur Metapher für die Lebenssituation des relativ unangepassten, ungebändigten, kreativen Menschenwesens in einer Gesellschaft mit geheuchelten Wertvorstellungen.

Der Komponist Charles Kálmán, Sohn des Operettenfürsten Emmerich Kálmán, hat die Vertonung der 21 Gedichte von Else Lasker-Schüler der Sängerin und Schauspielerin Carola Krautz-Brasin auf den Leib geschrieben. Es ist ihr exklusiver Abend, und die Identifikation der verehrten Dichterin überträgt sich unmittelbar auf den Zuhörer.

In diesem Zusammenhang ist auch die sensibel abgestimmte Klavierbegleitung durch die klassisch geschulte Pianistin Peggy Voigt zu nennen, die den Reichtum „Kálmánscher Tonkunst“ auslotet.

Hausherr Reno Döring hatte den Part des Kommentators übernommen und sich damit ein weiteres Mal nicht nur als Förderer der Künste, sondern auch als Ausübender bewährt. Für die mitreißende Interpretation und für das Verdienst, eine große Vertreterin deutschsprachiger Literatur, vor dem Vergessen zu bewahren, gab es für das Dreigestirn lang anhaltenden und herzlichen Applaus.

Mit diesem Abend „Mein Dornenlächeln“ gab die Künstlerin Carola Krautz-Brasin ihren Einstand im Bezirk Treptow/Köpenick, in dem sie seit Jahrzehnten beheimatet ist.

Es bleibt zu hoffen, dass viele Veranstalter sich dieser künstlerischen Kostbarkeit annehmen und so dem Berliner Kulturkaleidoskop ein nuancenreiches Detail hinzufügen.

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