Ouvertüre zum Mozart-Jahr präsentiert von Concerto Brandenburg

Wolfgang Thormeyer

Das Barockensemble „Concerto Brandenburg“ gibt auch in diesem Jahr zwei Silvester-Festkonzerte in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin am Breitscheidplatz. Der erste Teil des Programms ist Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) gewidmet. Gewissermaßen als Auftakt zum Mozart-Jahr 2006, in dem weltweit der 250. Geburtstag des Komponisten gefeiert wird, sind die „Figaro“-Ouvertüre und das selten gespielte Doppelkonzert für Flöte und Harfe zu hören. Die Ouvertüre zu der 1785/86 auf ein Libretto von Lorenzo da Ponte nach dem Lustspiel von Beaumarchais entstandenen Opera buffa „Le nozze di Figaro“ KV 492 („Figaros Hochzeit“) ist von sprühender Laune erfüllt und gibt eine Einstimmung in das turbulente Bühnengeschehen. Sie beginnt pianissimo mit einem schnell dahinhuschenden Unisono der Streicher, das von Bläserrufen beantwortet wird und in einem fortissimo des vollen Orchesters mündet. Auch im Mittelteil setzt sich die stürmische Bewegung fort, und mit einer schwungvollen Coda, in einem alles mit sich reißenden Wirbel überströmenden Lebensgefühls, schließt die Ouvertüre ab.

Das nachfolgende Konzert für Flöte, Harfe und Orchester C-dur KV 299 entstand 1778 in Paris, wohin Mozart im März in Begleitung seiner Mutter gereist war, um hier eine angemessene Anstellung zu erhalten. Die Reise wurde jedoch ein Misserfolg. Mozart, der bei seinem ersten Paris-Besuch 1764 von Adel und Königshof als Wunderkind gefeiert wurde, fand diesmal jedoch nicht die erhoffte Anerkennung. Der Flöte spielende Herzog von Guines, dessen Harfe spielender Tochter er Unterricht gab, beauftragte Mozart mit der Komposition eines Konzerts für die beiden Instrumente. Es ist ein Werk voller Anmut und Heiterkeit, dem weder die widrigen Umstände seiner Entstehung noch Mozarts Abneigung gegen diese beiden Instrumente anzumerken sind. Der erste Satz Allegro beginnt mit einer Orchestereinleitung, die beherrscht wird von einem fanfarenartigen C-dur-Dreiklang. Es folgt ein sich aufwärts windender Unisonogang von Oboen und tiefen Streichern. Die beiden Soloinstrumente setzen gemeinsam ein und überraschen immer wieder mit neuen Gedanken. Sie werden entsprechend ihrem spezifischen Charakter wirkungsvoll eingesetzt, konzertieren miteinander in dialogischem Spiel.

Herzstück des Konzerts ist der romanzenhafte zweite Satz Andantino. Hier entfaltet sich empfindsamer instrumentaler Gesang, geprägt von einer eleganten und geistreichen Musizierhaltung. Die einleitende, liebenswürdige Melodie der Streicher wird von den Soloinstrumenten gemeinsam aufgegriffen, in lockerem Wechsel und Miteinander fortgesponnen, von Streicherakkorden diskret begleitet. Der figurativ ausgearbeitete Mittelteil leitet zur frei variierten Wiederholung des Beginns über, der nach einer Kadenz mit einem wehmütigen Abgesang verklingt. Im spritzigen Schlusssatz Rondeau Allegro sind die Bläser am stärksten in das solistische Spiel von Flöte und Harfe einbezogen. Der Satz beginnt mit einem ausgedehnten Orchestervorspiel. Das freundliche Refrainthema, eine französische Gavotte, von Mozart später in seiner „Kleinen Nachtmusik“ KV 525 in veränderter Form wiederverwendet, wird von den Streichern eingeführt und von den Bläsern übernommen. In den Couplets werden ständig neue Gedanken entwickelt und variiert. Auch dieser Satz bezaubert durch sein unbeschwertes, heiteres und elegantes Spiel.

Im zweiten Teil des Silvesterkonzerts erklingt das sinfonische Erstlingswerk von Ludwig van Beethoven (1770-1827). Die 1799 / Anfang 1800 entstandene Sinfonie Nr. 1 C-dur op. 21 schließt an die Vorbilder Haydn und Mozart an, unverkennbar ist aber bereits Beethovens eigenständige Meisterschaft. Oft wird von dieser Sinfonie als von einem Jugendwerk gesprochen, das es keineswegs ist. Beethoven wagte sich erst relativ spät an die sinfonische Form. Bis dahin hatte er neben vielem Anderen immerhin schon drei Klavierkonzerte und seine ersten zehn Klaviersonaten, darunter die „Pathétique“, komponiert. Die Sinfonie fand zwar eine „freundliche Aufnahme“, man bemängelte jedoch gleichzeitig ihre „Kühnheit“, die das zeitgenössische Publikum irritierte. Und in der Tat, vieles in dieser Sinfonie war für die damaligen Hörer neu und ungewöhnlich.

Der erste Satz Adagio molto – Allegro con brio beginnt mit einer damals üblichen langsamen Einleitung, jedoch nicht in der Tonart der Sinfonie, in C-dur, sondern regelwidrig mit einem für damalige Ohren dissonanten nach F-dur hinführenden Dominantseptakkord. Das Hauptthema des Allegro ist strahlend-heiter, zugleich kraftvoll-energisch, von Marschintonationen der französischen Revolutionsmusik mit ihren typischen Signalmotiven beeinflusst. Es folgt das von der Oboe eröffnete und von der Flöte fortgeführte lyrisch betonte Seitenthema. Die Durchführung verarbeitet hauptsächlich das Signalmotiv. Der verkürzten Reprise schließt sich eine jubelnde Coda an, die mit Dreiklangsgängen der Trompeten und Hörner, verstärkt durch Paukenschläge, den Satz zum triumphalen Abschluss bringt.

Der zweite Satz Andante cantabile con moto entwickelt sich fugenartig über einem liedhaften, anmutig schreitenden Thema, das an den Volkston in Haydns Melodik erinnert. Angestimmt wird es von den zweiten Geigen, Bässe und Diskantstimmen nehmen es nacheinander auf. Über leisem Paukenrhythmus erklingt in Geigen und Flöten als zweites Thema eine heitere tänzerische Melodie. Der dritte Satz Menuetto. Allegro molto e vivace trägt bereits den vorwärtsdrängenden Charakter der Scherzosätze von Beethovens späteren Sinfonien, ist voller Witz und geistvoll zugleich. Das Thema, aus einer ungedruckten Sammlung „Deutscher Tänze“ Beethovens stammend, kommt voller Ungestüm daher und gipfelt in einem pochenden Motiv. Zur stürmischen Bewegung des Hauptteils kontrastiert das Trio mit seiner behaglichen Ruhe. Holzbläser und Hörner tragen eine im Ländlerrhythmus dahinfließende akkordische Melodie.

Das Finale. Adagio – Allegro molto e vivace beginnt mit einem Fortissimo-Schlag des Orchesters. Erst ein zögernder Anlauf von mehreren Adagio-Takten führt zu dem schwungvollen Allegro-Thema. Ein origineller Beginn, der Befremden bei den damaligen Hörern auslöste. Daraus entwickelt sich ein Schlusssatz in Sonatenform, mit reicher motivischer und kontrapunktischer Arbeit, voll Vitalität und funkelnder Strahlkraft. In der festlichen Coda sind von Hörnern und Trompeten jene marschartigen Signale zu hören, die später in keiner Sinfonie Beethovens fehlen werden. „Herrlich klar, feurig strömend“ nannte Carl Maria von Weber das jugendfrische, optimistische Werk.

Die künstlerische Leitung des diesjährigen Silvester-Festkonzerts von Concerto Brandenburg hat Jörg-Peter Weigle übernommen, die Solistinnen in Mozarts Doppelkonzert sind Martina Dallmann (Flöte) und Sarah Christ (Harfe). Für beide Veranstaltungstermine 15.30 Uhr und 20.00 Uhr können Mitglieder und Mitarbeiter des Kulturring in Berlin e.V. Karten zum ermäßigten Preis von 14,- € im Orchesterbüro in der Friedrichstraße 128 (Tel: 28 09 98 44) erwerben.

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