Tinija Heinlein-Müller im Gespräch mit Dr. Gerhard Schewe
„Nach Beschluss der Jahreshauptversammlung vom 30. November 2005 wird Dr. Gerhard Schewe, Romanist und langjähriges Kulturbund-Mitglied, für eine weitere zweijährige Amtszeit als Vorstandsvorsitzender des Kulturring in Berlin e.V. bestätigt.“, so die trockene Meldung. Mich interessierte, was für ein Mensch unser Vorstandsvorsitzender ist und bat ihn zum Gespräch. Das nachfolgende Porträt, das nach einem dreiviertel Jahr Mittun im Verein entstand, mag einseitig oder subjektiv gefärbt sein. Wenn es falsch ist, möge man mich korrigieren.Manches wird man von einem Vorstandsvorsitzenden eines hauptstädtischen Kulturvereins erwarten: Zum Beispiel, dass er mit verschachtelten Sprachgebilden den Wissenschaftler zu erkennen gibt, oder an der besonderen Art sich zu kleiden, den Kunst- und Kulturverbundenen. Oder doch zumindest, dass Gestik und Mimik den Chef verraten, der wegen seiner anspruchsvollen Aufgabe eine Bürde zu tragen hat. Bei Dr. Gerhard Schewe ist mir nichts dergleichen aufgefallen. Bei den meisten Anlässen kommt er einfach in seiner Rolle als Mensch. Erscheint beinahe unbemerkt, ist Teil der Besuchermenge, ergreift lächelnd und ungezwungen das Wort, um sich anschließend gleich wieder unter die Diskutierenden zu mischen.
„Auf den roten Teppich lege ich keinen Wert“, bestätigt er während unseres Gesprächs. „Durch meine Arbeit im Kulturring erziele ich doch genau die Portion Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit, die ich brauche. Ich bin jetzt 75 und mache das nicht aus Selbst-Quälerei. Es macht mir einfach Spaß: Mittendrin sein und meine Erfahrungen als Lebensschatz an Andere weiter geben.“ Das stimmt, fällt mir ein. Während seiner Lesung zum Thema „400 Jahren Don Quijote“ beispielsweise kam es schnell zur Resonanz mit dem Publikum. Wahrscheinlich auch, weil er als Literaturwissenschaftler nicht mit Fachtermini um sich wirft. Ja, wissenschaftliche Veröffentlichungen gehörten u.a. zu seinem Job am Institut für Romanistik an der Humboldt-Uni. Die Fachzeitschrift „Beiträge zur romanischen Philologie“ zähle zu seinem Lebenswerk, denn die habe er 30 Jahre lang in Personalunion als Redakteur, Vertriebsleiter und „Sekretärin“ herausgebracht. Doch das sei nur für einen sehr begrenzten Leserkreis gewesen. Spaß gemacht habe es ihm als Kulturbund-Mitglied immer auch, außerhalb des Hörsaals Interesse für Literatur zu wecken. Daher seine einfache und verständliche Sprache. Eine „Schwäche“, die bei einem Verein wie dem Kulturring in Berlin e.V. mit sehr vielfältigem Publikum gewiss von Vorteil ist, denke ich.
Auf die Frage, ob die Arbeit im Vorstand auch der reine Spaß sei, antwortet er: „Das Schöne daran ist, dass ich mich auf alle absolut verlassen kann, auch auf den erweiterten Vorstand, zu dem die Projektleiter gehören. Wir ergänzen uns arbeitsteilig, und so empfinde ich das Ehrenamt nicht als Bürde. Zum Beispiel haben wir es in den letzten fünf, sechs Jahren gemeinsam geschafft, dass der Kulturring an Internationalität gewinnt – sowohl bei den Themen der Veranstaltungen als auch bei den Künstlern, die wir präsentieren. Und erst recht beim Publikum unserer multikulturellen Stadt. Konkrete Beispiele stehen zu Dutzenden im Rechenschaftsbericht. Die Integrationsfähigkeit ist überhaupt unsere große Stärke neben der Vielfalt der Angebote. Von Konzert über Theater, Ausstellung und Tanzkurs gibt es bei uns nichts, was es nicht gibt. Da stehen wir in einer jahrzehntelangen Kulturbund-Tradition.“
Inzwischen habe man in Berlin Ost wie West einen so guten Ruf, dass andere Vereine und Initiativen wie zum Beispiel das Kuratorium der „Zaunwelten“-Ausstellung im Museum für Kommunikation oder die Bürgerinitiative zur Rettung des nikaraguanischen Wandbildes gern die Kulturmanagement-Erfahrungen nutzten und unter das Dach des Vereins kämen. Und auch als inzwischen recht großer Träger der Arbeitsförderung klappe die Zusammenarbeit mit Senat und den Ämtern in den Bezirken hervorragend. Nur so sei es überhaupt möglich, auf Dauer ein solch umfangreiches und vielfältiges Kulturangebot für die Bevölkerung zu bieten. Wie man sich leicht vorstellen könne, sei dies nicht das Verdienst eines Vorstandsvorsitzenden allein, so Dr. Gerhard Schewe. Für ihn sei in der nächsten Amtsperiode neben der Lobby-Arbeit die Frage wichtig, wie mehr junge Leute als Mitglieder an den Kulturring in Berlin e.V. interessiert und gebunden werden können. ... Sprach´s und verabschiedete sich von mir mit Hinweis auf den nächsten Termin. Schade, seufze ich mit Blick auf meine Frageliste. Doch ich bin mir beinahe sicher: Bei der nächsten Gelegenheit wird er wie zufällig neben mir aus der Menge auftauchen und wir können unser Gespräch fortsetzten – von Mensch zu Mensch, versteht sich.