Naturstudien im Studio Bildende Kunst

Andreas Mücke

Die Glocken von der nahegelegenen Mauritiuskirche läuten. Es ist 18 Uhr am Mittwochabend. Die Tür zum Atelier in der alten Skupinvilla geht auf, und kurz hintereinander trudeln, mit „schwerem Gerät“ beladen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Kurses ein. Die noch vorher fast andächtige Stille im ehemaligen Salon des Hauses, dem jetzigen Atelier, wird jäh unterbrochen vom Schwall der Begrüßungsworte. Aus Taschen und Beuteln kommen Aquarellblöcke und Malutensilien zum Vorschein. Im Nu sind drei Gartenlokalbänke damit belegt. Es geht mitunter laut und lustig zu. Die einen haben sich gerade vorher im Café getroffen, ein anderer sich mit dem Fahrrad seinen Weg hierher durch den Feierabendverkehr gebahnt, und der letzte fehlt noch. Ein fröhliches Schwätzchen untereinander eröffnet das allwöchentliche Zusammenkommen.

„…Ich war da und da, zu dieser Ausstellung…haste das Fußballspiel gesehen…wie war´s im Urlaub… und hier, das hab ich nochmal gemacht“. Eine tolle Zeichnung oder ein gemaltes Bild wird aus einer extra Mappe hervorgezogen und den anderen Teilnehmern präsentiert. Es wird untereinander begutachtet und als Kursleiter komme ich nun endlich auch zu Wort. So geht es erst einmal ein geraumes Weilchen durcheinander. Ein produktives menschliches Durcheinander. Nachdem sich der Lärm des Begrüßungszeremoniells endlich gelegt hat, geht „die Arbeit“ los. Und es wird mit einem Mal ganz still…
Naturstudien, für Anfänger und Interessierte, unter dieser Überschrift stand es vor nunmehr sechs Jahren schon einmal in den KulturNews. Diese Bezeichnung hat sich auch bisher nicht geändert. Geändert hat sich in all den Jahren aber die Zusammensetzung des Kurses und auch Vieles in der thematischen Ausrichtung. Wurde am Anfang das genaue Beobachten und richtige Sehen beim Naturstudium in den Vordergrund gestellt, so sind im Laufe der Jahre, auch und gerade durch das unterschiedliche und verschiedene Interesse der Teilnehmer, immer wieder neue Impulse gegeben worden. Wurde zu Beginn viel Wert auf Zeichnen mit Bleistift und Kohle gelegt, so kamen andere Techniken, wie Aquarell- und Acrylmalen, hinzu. Und immer wieder sind es die Eindrücke von außen, die zu neuer Beschäftigung mit neuer Thematik führen.
Durch meine freiberufliche Tätigkeit als Bühnen-, Kostümbildner und Karikaturenzeichner sind Bezüge zu Figur und Raum praxisbezogen, lebensnah und damit gut vermittelbar. Weit spannt sich der Bogen inzwischen vom anfangs mal auf die Naturbeobachtung gelegten Schwerpunkt bis hin zu immer wieder neuen Vorhaben. Ein Beispiel dafür sind Collagen, Assemblagen und manchmal sogar auch Karikaturen. Sie werden mutig in Angriff genommen. Mit viel Freude beim Anfertigen der Arbeiten aus Zeitungsausschnitten, besonderen Papieren und mitunter auch mal einem zeichnerischen oder malerischen Eingriff vermittelten sich so locker und leicht Arrangement und Komposition auf dem weißen Blatt.

Verblüffende Ergebnisse mit Charme und Witz liegen am Ende des Kursabends dann aufgereiht nebeneinander am Boden. Schauen, Staunen und befreiendes Lachen!

Als Kursleiter mache ich immer wieder neue Vorschläge oder frage nach dem, was interessiert. Was ist Expressionismus und was Impressionismus, was ist der Unterschied?

An Hand von wichtigen Darstellungen aus der Kunstgeschichte, ich bringe Bücher und Abbildungen mit, wird Gewinn gezogen. Und so hatte es allen der Expressionismus dabei besonders angetan. Eigenständige, kleine Skizzen und Malwerke entstanden so auf der Basis produktiven Kopierens. Diese sind nunmehr in einer Ausstellung ab 13. Dezember im Studio Bildende Kunst zu sehen.

Auch was jeden an Ereignissen im kulturellen Leben der Stadt auffällt und interessiert, kann Gegenstand der schöpferischen Auseinandersetzung sein. Persönliche Vorlieben für eine Kunstrichtung, eine technische Herangehensweise, ein ganz spezielles Bild, all das kann Grundlage für neue Ideen sein. So sind wir alle im Laufe der Jahre zu einer Gemeinschaft geworden, die sich durch das gemeinsame Interesse an der lebendigen Beschäftigung mit Kunst, gefunden hat. Die verschiedenartigen Charaktere der Teilnehmer, die Bereitschaft, selbst Neues und Interessantes einzubringen, Anregungen aufzunehmen, ist die Basis dafür. Wir kennen uns eben auf eine ganz besondere Art und Weise.

Es ist eigentlich immer wieder das Schönste, vom Anderen in Erstaunen versetzt zu werden, zu erfahren, dass im schöpferischen Prozess Dinge passieren, die mit Entwicklung und ein wenig mit Über-sich-Hinauswachsen zu tun haben und welche in einer freundlichen, lustigen Atmosphäre voller Widersprüche und Gemeinsamkeiten zu einer Verbundenheit führen.
Und so ist es auch kein Wunder, dass die Gruppe sich auch außerhalb des „Ateliers“ zusammenfindet, z.B. beim letzten Treffen vor Weihnachten und dem alljährlichen Sommertreffen im Garten eines unserer Mitglieder. So lernt ein jeder vom anderen. Und ich als Kursleiter lerne dabei auch. Der produktive Geist und unser guter, zwischenmenschlicher Umgang lassen hoffen, dass es noch lange so weitergehen möge. Es macht Spaß!

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