Jahrelang suchten Mitglieder der Geschichtsfreunde Karlshorst und Luftschiff-Fans aus aller Welt vergeblich nach Überresten der Luftschiffhalle der Siemens-Schuckert-Werke im Biesenhorster Sand. Heute können wir mitteilen: Wir haben sie am Ende der Straße „Am alten Flugplatz“ (früher „Am Heizhaus“) in Karlshorst gefunden!
Das Schutzgebiet Biesenhorster Sand ist eine eigenartige Fläche. Neben meterdicken Aufschüttungen von Sand und Kies für den Rangierbahnhof Wuhlheide lagerten Anwohner jahrelang hier ihren Bauschutt ab. Wir finden aber auch Betonfertigteile aus dem ehemaligen Betonwerk Grünau, das hier Fehlproduktionen des Wohnungsbauprogramms der DDR entsorgte. Auch sind Spuren militärischer Nutzung überall sichtbar. Durch die Schaf- und Ziegenbeweidung der letzten Jahre wurden viele dieser überwucherten Relikte sichtbar. Man braucht viel Phantasie, um sich vorzustellen, dass Ereignisse und Bauten an dieser Stelle vor über 100 Jahren Menschen aus Biesdorf und Karlshorst scharenweise zu diesem Ort pilgern ließen. Eine riesige Halle wurde gebaut, ein Luftschiff stieg auf und fuhr durch die Luft. Heute eine Selbstverständlichkeit. Aber damals eine Sensation.
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts wurden an vielen Orten in Deutschland Luftschiffe entwickelt. Die Heeresleitung trat 1907 an die Siemens-Schuckert-Werke mit der Bitte heran, ein unstarres Luftschiff (Luftschiff ohne Haltegerüst für den Ballon) zu entwickeln. Aber nicht dieses Luftschiff soll heute unser Thema sein, sondern die Halle, in der es untergestellt war. Das Hallenthema war damals in Deutschland ein vordringlich zu lösendes Problem.
Otto Krell – Konstrukteur des Luftschiffes – schreibt dazu in seinen Erinnerungen:
„Als utopischer Wunsch erschien es aber, eine Halle zu bauen, die man jeweils in den Wind einstellen konnte. Baumeister Carl Janisch griff diesen Gedanken auf und besaß den technischen Wagemut, ihn in die Tat umzusetzen. ... So entstand die erste drehbare Luftschiffhalle der Welt auf festem Boden bei Biesdorf auf dem Landgut von Wilhelm v. Siemens“.
Nach ihrer Fertigstellung erreichte die Halle eine Länge von 135 Metern, sie war 25 Meter breit und 25 Meter hoch und stand auf acht Rollwagen, die sich auf zwei kreisförmig angelegten Schienenbahnen auf einem Betonfundament bewegten. Den Mittelpunkt bildete ein Zapfen aus Stahlbeton. Alle Versuche in der Vergangenheit, Teile des Zapfens oder des Fundaments zu finden, waren erfolglos. Wir gingen jedoch immer davon aus, dass sich diese Teile noch im Biesenhorster Sand verstecken.
Anfang 2018 erhielten wir durch die Firma BLM Geotest Eichwalde Zugang zu einem 250 MHz Georadar und fanden einen Partner in Fred Kasulke, der ein ausgewiesener Fachmann im Auffinden verborgener Schätze im Untergrund ist und sich beruflich damit beschäftigt, alte slawische Siedlungen in Mecklenburg-Vorpommern zu suchen. Zunächst stand jedoch Schreibtischarbeit an, um den ungefähren Standort der Luftschiffhalle zu ermitteln. Uns standen zur Verfügung: Ein Luftbild von Karlshorst aus dem Jahre 1912 mit dem Abbild der Halle, eine im Jahre 2017 aufgefundene Luftbildkarte von 1917 des Flugfeldes Friedrichsfelde-Karlshorst mit der Halle aus der Sammlung des Geographischen Instituts der Humboldt-Universität, ein Luftbild aus dem Jahre 1928, das nach Auskunft des Landesdenkmalamtes das einzige Bild ist, das die Fundamente der Luftschiffhalle zeigt, und aktuelle Luftbilder, die im Internet verfügbar sind. Weiterhin nutzten wir die verfügbaren Grundrisszeichnungen der Halle.
Fred Kasulke versuchte, am Computer die Luftbildkarte zu entzerren. Die Genauigkeit der Montage der Luftbildkarte lag bei bis zu 30 Metern über die gesamte Karte, so dass eine „einfache“ Entzerrung nicht möglich war. Anhand des bekannten Durchmessers der Halle und der Sichtbarkeit in der Luftbildkarte hat Fred Kasulke eine Vermessung über die Ecke Köpenicker Allee / Ecke Rheinsteinstraße und einen Stützpunkt mit einer Vertikalen auf der Köpenicker Allee vorgenommen. Es ergab eine reale Kantenlänge von 345 m auf der Köpenicker Allee und 565 m auf der Vertikalen. Die dritte Kante ist eine Luftlinie von 638 m ab der Köpenicker Allee / Ecke Rheinsteinstraße. Das ergab die UTM-Koordinaten 33 E401364 N5816029 und GMS 52:29:7.73/13:32:50.67 mit einer Genauigkeit von etwa 10 Metern, durch mangelnde Referenzen in der Nähe der Ringe.
Auf einem Luftbild von bb-viewer.geobais-bb lässt sich an dieser Stelle an der Vegetation ein Kreis mit 45 Metern Radius und 2 Metern Breite erahnen. Das Ergebnis unserer Schreibtischarbeit: Wir könnten den inneren Ring der Halle gefunden haben.
Am 28.1.2018 suchten wir mit dem Bodenradar das Gebiet im Biesenhorster Sand ab, an dem wir die Luftschiffhalle der Siemens-Schuckert-Werke vermuteten. In den entsprechenden Bodenschichten zwischen zwei und vier Metern fanden wir Verzerrungen in den Bodenstrukturen, die auf die Ringstrukturen der Luftschiffhalle schließen lassen. Erst die weitere Auswertung der gewonnenen Daten wird endgültige Schlüsse zulassen. Aber die bisherigen Ergebnisse lassen erkennen: Wir haben die Fundamente gefunden. Die Verzerrungen der Bodenstrukturen entsprechen genau den überlieferten Daten der Ringfundamente. Interessant ist, dass sich auf den Betondrehzapfen von 8 Metern Durchmesser ein kreisrundes Sanddorngebüsch entwickelt hat. Wahrscheinlich gab es dort besonders gute Bedingungen für das Wachstum (Wärmespeicher, Rückhalt von Regenwasser, o.ä.). Wir werden mit einem Messgerät anderer Art noch einmal diese Messungen wiederholen.
Unser Dank gilt an dieser Stelle schon allen, die dieses Projekt ermöglicht haben, insbesondere der Firma BLM Geotest Eichwalde und dem NABU, Landesverband Berlin.
(Der Autor ist Mitglied der Geschichtsfreunde Karlshorst im Kulturring in Berlin e.V.)