Potsdamer Geschichtsbörse 2018

Michael Laschke

Börse (lat.-bursa-) ist der Geldbeutel. Auch der Ort, an dem sich Kaufleute zum Abschluss von Geschäften in Wechseln, Wertpapieren und/oder in Waren regelmäßig versammeln, ebenso die Versammlung selbst. So eine Börse für Geschichte gab es am 25. Februar 2018 zum 14. Mal in Potsdam. Geschichte – eine Ware? Natürlich nicht die Geschichte selbst, sondern die Produkte, die die Geschichte transportieren. Das sind in mühevoller Arbeit gefundene, belegbare, manchmal leider zum Mainstream passende, bewertete Fakten, überwiegend für den gegebenen Handelsgebrauch aufgearbeitet als Broschüre, Kalender, Essay, Studie und vieles mehr.

Da die Interessengruppe Geschichtsfreunde Karlshorst im Kulturring in Berlin e.V. auch Geschichte transportiert, nahmen wir 2017 erstmalig die Einladung zur Teilnahme an der 13. Potsdamer Geschichtsbörse an. Wir bereuten das nicht und meldeten uns rechtzeitig für die 14. Börse 2018 wieder an. Wie in den Vorjahren fand sie in der Gewölbehalle im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), Kutschstall, Am Neuen Markt 9 statt. Veranstalter war die Geschichtsmanufaktur Potsdam, Projektleiter Dr. Volker Punzel. Nachdem wir, Wolfgang Schneider und ich, am 25. Februar, einem kalten, aber nach langer Zeit sonnigen Sonntag, um 10 Uhr unseren Stand eingerichtet hatten, begrüßten wir viele Bekannte vom vorjährigen Börsentag. Alle waren sie wieder da, insgesamt 45 Vereine, Gruppen, Verlage, Antiquariate und Einzelpersonen: vom Veritasklub Wittenberge, der die Geschichte des Nähmaschinenwerkes wach hält, über den Initiativkreis Albert-Einstein-Haus Caputh, die „IG Optischer Telegraph in Preußen, Station 4, Potsdam“, den Kulturförderverein Mark Brandenburg e.V. bis hin zu vielen Heimat- und Geschichtsvereinen aus Nord und Süd, Ost und West des Brandenburger Landes und aus Berlin. Historische Persönlichkeiten, zum Beispiel Jutta von Kittlitz alias Veronika Dubau, beteiligten sich am Marktgeschehen. Nach einer Sage hatte die Schlossdame im 12 Jahrhundert auf dem Georgenberg in Spremberg eine Kapelle errichten lassen, nachdem ihr Jungfrau Maria erschienen war und die Rückkehr ihres Verlobten aus dem dritten Kreuzzug angekündigt hatte. Die allseits bekannten „Langen Kerls“ von Friedrich Zwo hatten einen Einsatz zu absolvieren und waren nicht da.

Die Potsdamer Geschichtsbörse ist in den 14 Jahren ihrs Bestehens zu einem anerkannten Ort des Gedankenaustausches und der Information über Akteure und Ergebnisse der Geschichtsforschung geworden. Nicht zuletzt deshalb nehmen hochkarätige Institutionen des Landes Brandenburg und aus Berlin daran teil. So der Verein für die Geschichte Berlins e.V. (gegründet 1865), die Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg (gegründet 1884) mit Sitz in Berlin, die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Ortskuratorium Potsdam, auch Bibliotheken und Fördervereine. Erkenntnisgewinn gibt es bei Gesprächen und Standbesuchen immer auf beiden Seiten. Allerdings ist dazu manchmal Zurückhaltung und Geduld angebracht, wie eine kleine Episode an unserem Tisch zeigt: Ein seriöser Herr, der wortlos die Auslagen besichtigt und unser freundliches Angebot für mehr Informationen ebenso freundlich ablehnte, erschien nach kurze Zeit erneut, nunmehr in weiblicher Begleitung. Beide inspizierten im leisen Gespräch sehr gründlich alle Hefte der „Karlshorster Beiträge zu Geschichte und Kultur“ und verblüfften uns dann mit der Frage „Warum kennen wir das nicht?“ Ja – warum nicht?

Erst jetzt gaben sie sich als Vertreter der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam, Sammlung Brandenburgica, zu erkennen und wussten natürlich, dass ihre Einrichtung für den Kulturring in Berlin keine Pflichtabgabestelle ist. Ein längerer Gedankenaustausch über den Inhalt und die Entstehung einzelner Hefte schloss sich an. Schließlich wünschten sie, das Verzeichnis der Publikationen mitzunehmen und versicherten, dass sie mit der Bibliotheksleitung wegen des Ankaufs der gesamten Reihe sprechen werden. Uns bleibt die Hoffnung, dass dieses Vorhaben von Erfolg gekrönt sein möge und die Erkenntnis, das Werbung und Marketing für diese Broschüren und andere Veröffentlichungen des Kulturrings auf eine neue Stufe zu heben sind.

Bestandteil der Geschichtsbörse ist immer auch eine Reihe von Vorträgen im Tagungssaal, die sich in das jeweilige Brandenburgische Themenjahr einordnen. 2017 war die Reformation das Thema, 2018 hieß es „wir erben. Europa in Brandenburg – Brandenburg in Europa“. Am meisten interessierte unter den angebotenen Vorträgen das Thema „Brandenburg und seine Geschichtsschreiber“ von Dr. Punzel. Leider konnte nur einer von uns beiden Zuhörer im Tagungsraum sein. Der Stand war ja auch noch zu betreuen. Das Glückslos zog Wolfgang Schneider. Der genannte Vortrag regte ihn an, die Chronisten von Friedrichsfelde-Karlshorst aus früheren Jahrzehnten bis in die Gegenwart nicht zu vergessen. Er meinte, zu diesem Forschungskreis könnte ein Projekt passen. Sehr interessant fand er die Bemerkung im Vortrag, dass sich nach 1990 die Zahl derjenigen Publikationen erhöhte, die wissenschaftlichen Ansprüchen nur bedingt entsprechen, da die Autoren oft nicht angeben, aus welchen Quellen sie ihr Wissen schöpften und ob die Daten auf ihre Richtigkeit geprüft wurden. So trügen sie in vielen Fällen bei, nicht mehr Klarheit in die Darstellung der geschichtlichen Prozesse zu bringen, sondern diese mehr zu vernebeln. Dem sei zu begegnen.

Diese Aussage, am Beispiel von Potsdam begründet, kann ohne weiteres auf andere Orte übertragen werden. Sie bestätigte uns aber auch, dass wir mit dem wissenschaftlichen Anspruch an unsere eigenen Publikationen auf dem richtigen Wege sind. Auch wenn es Mühe macht. Zufrieden mit unserer Selbsteinschätzung genossen wir den vom Marktleiter spendierten Schlusstrunk und fuhren gegen 16:30 Uhr erschöpft und mit vollem Geldbeutel zurück nach Karlshorst.

(Der Autor leitet die Geschichtsfreunde Karlshorst im Kulturring in Berlin e.V.)

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