Zeitzeuge Marx: Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte

Alexander Bandilla

Dieser Text von Karl Marx ist nicht nur die nüchterne Betrachtung der mit einem Staatsstreich endenden französischen Revolution von 1848/49, sondern auch ein literarisches Meisterstück. Der dramaturgische Trick zeigt sich gleich zu Beginn. Da zitiert Marx Hegels Satz, die Geschichte einer Tragödie erscheine in der Wiederholung als Farce: Am 2. Dezember 1851 hat sich der frei gewählte Louis Bonaparte durch einen Staatsstreich zum Konsul gemacht und sich kurze Zeit später zum Kaiser krönen lassen. Das Tragikkomische daran zeigt sich schon in der Namenswahl. Dieser Neffe von Napoleon I. schreckt nicht davor zurück, in die viel zu großen Fußstapfen seines berühmten Onkels zu treten und nennt sich Napoleon III.

Dieser Aufsatz 'Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte' ist die astreine Analyse eines alten Weisen und zugleich die lustvolle Vivisektion der lebendig erinnerten, eben gerade durchlebten Geschichte durch einen jungen Wilden. Marx schildert das Versagen der Parteien und des Parlaments, die einem autokratischen Herrscher schließlich den roten Teppich ausrollen. In geschliffenen Sätzen und eingängigen Vergleichen breitet der Autor sowohl diesen politischen Vorgang wie auch sein eigenes Begreifen von Bürokratie, Beamtentum und Streitkräften als Machtfaktoren aus.

Der gesamte Text liest sich wie ein Lehrstück als Parabel auf die Kabale im Handgemenge der Revolution. Wer wann wo was mit wem. Wohl dem, der seinen Shakespeare und Schiller kennt. Und der außerordentlich belesene Marx kennt sie sehr gut. So kann er das Drama dieser historischen Farce entfalten, das sich zwischen der Februarrevolution in Paris und einem neuen Kaiserreich abgespielt hat. Die Tapferkeit der Aufständischen preisen, ihnen aber gleichzeitig bescheinigen, dass sie keine Chance hatten. Den Sieger als Parvenü entlarven, aber seinen Machtinstinkt anerkennen. Dem heutigen Leser wird klar, dass die Muster der Macht, wie Marx sie in diesem miterlebten Coup erkennt, so zeitlos sind, dass sie sogar Donald Trumps Regierungsübernahme erstaunlich gut treffen.

Dieser Text hat sich bis heute nicht aus den Buchhandlungen verdrängen lassen. Das spricht für seine zeitlose Lesbarkeit und Modernität. Bei aller Ironie, und kein Marx-Text spielt die Karte souveräner als dieser, geht es Marx immer auch um kühle Analyse. Nur wer versteht, wie der Hase läuft, kann ihn am Ende fangen.

Alexander Bandilla stellt den Aufsatz am 17. April, 19 Uhr, im Kulturbund Treptow in der Ernststraße 14/16 vor und macht in der Lesung die Marx'sche Balance zwischen Nüchternheit und Ironie zum Hörerlebnis.

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