Coco Schumann: Ein zeitloser Swinger geht

Marita Waibel

2014 wurde der 90. Geburtstag von Coco Schumann im Rahmen der Dauerausstellung „Wir waren Nachbarn – Biografien jüdischer Zeitzeugen“ im Rathaus Schöneberg gefeiert. Im Januar 2018 ist nun Coco Schumann verstorben. Erinnern wir uns an einen großen Musiker. Im Jahr 1997 sagte Coco Schumann in einem Interview: „Wer den Swing in sich hat, … kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren.“

Als Sohn einer jüdischen Mutter und eines zum Judentum konvertierten Vaters wurde Coco Schumann 1924 in Berlin geboren. Seine Mutter arbeitete viel in ihrem eigenen Friseursalon, und der Vater war als Dekorateur und Polsterer selten zu Hause. Der kleine Coco war früh auf sich selbst gestellt und stromerte in der Stadt herum. Die Schule spielte für ihn keine große Rolle. Er wurde früh als Jude geschnitten und wechselte 1938 in die Jüdische Reformschule. Dort vermittelte ihm Dr. Ballin die Griffe auf der Gitarre, Schlagzeugspielen hat er sich selbst beigebracht. Er traf andere Jugendliche, die Musik machten, hörte Duke Ellington, Ella Fitzgerald und Django Reinhardt und hatte bereits 1939 als 15-Jähriger seinen ersten öffentlichen Auftritt.

1943 wurde er wegen einer langen Liste von Vorwürfen von der Polizei vorgeladen: Kein Tragen des Judensterns, Spielen verbotener Musik, Kontakt zu „arischen“ Frauen. Er wurde nach Theresienstadt deportiert. Dort übernahm er in der Kapelle „Ghetto-Swingers“ das Schlagzeug. 1944 kam er nach Auschwitz und gründete mit anderen Musikern eine Kapelle. Sie spielten, wenn die Neuankömmlinge tätowiert wurden und die Arbeitskolonnen das Lager verließen. „Ich bin ein Musiker. Ein Musiker, der im KZ gesessen hat, kein KZler, der auch ein bisschen Musik macht.“

Coco Schumann kehrte im Sommer 1945 nach Berlin zurück. Er traf seine Eltern und seinen kleinen Bruder wieder und spielte mit Helmut Zacharias und zwei weiteren Musikern im Quartett. Als er merkte, dass es vielen Nazis gelang, sich wieder zu etablieren, verließ Coco Schumann mit seiner Frau Traute und dem Sohn Peter Deutschland und wanderte nach Australien aus. Auch dort gelingt es ihm, als Musiker zu leben, doch sein Heimweh konnte er nicht überwinden. 1954 kehrte er mit seiner Familie nach Berlin zurück.

Er engagierte sich politisch (im Wahlkampf für Willy Brandt), hatte Auftritte aller Art und unterrichtete an der Musikschule Zehlendorf. Erst seit den 1980er Jahren sprach er öffentlich über seine Erfahrungen während der Nazidiktatur. 1997 veröffentlichte er sein Buch „Die Ghetto-Swinger“. Seinen 90. Geburtstag feierte er 2014 im Rahmen der Ausstellung „Wir waren Nachbarn“ im Rathaus Schöneberg. Bis heute wird über diese Veranstaltung gesprochen, denn die Fans von Coco Schumann kamen so zahlreich, dass nicht alle Platz fanden und mit allen Tricks versuchten, in den Willy-Brandt-Saal zu gelangen, um ihn zu sehen.

Coco Schumann ist am 28. Januar 2018 gestorben. Während der Gedenkveranstaltung in der Ausstellungshalle „Wir waren Nachbarn“ wurden Fotos von ihm und der Film „Refuge in Music – Terezin/Theresienstadt“ von Dorothee Binding und Benedict Mirow gezeigt. Bärbel Petersen hat Coco Schumann jahrelang begleitet. Im Gespräch mit Kalle Böhm (Saxophonist) kam heraus, dass Coco Schumann sehr gut Witze erzählen konnte und sein Lieblingsgetränk Weinbrand mit Cola war. Was bleibt sind seine Musik, sein Buch und die Erinnerungen an einen außergewöhnlichen Mann.

Archiv