Emotion und Verbindung: Katey Brooks

Thomas Sefzig

Ende letzten Jahres wurde ich vom Kulturbund Treptow beauftragt, Künstler zu finden, die im Club in der Ernststraße auftreten sollten. Ich suchte im Internet, ging auch meine eigene kleine Kartei durch. Und erinnerte mich daran, wie ich vor etwa drei Jahren ein Video im Netz entdeckte. Jener Clip war mehr als elektrisierend: Eine hübsche junge Frau mit Kopfhörern sang in ein Mikrofon, begleitete sich selbst mit der Gitarre. Oft gesehen, sicherlich, aber hier bekam ich „Gänsepelle“. Ausdruck, Timbre, pure Emotion. Ich gab ihr ein Like und schrieb eine Kleinigkeit drunter: „Wäre schön, wenn du mal nach Berlin kommen würdest“, oder so ähnlich. Die Antwort kam prompt, und schon drei Wochen später durfte ich sie live erleben, in einer Wohnzimmerkneipe am Weigandufer: Katey Brooks. War der vordere Raum zunächst überfüllt und das Hinterzimmer quasi leer, änderte sich das Bild radikal nach nur zwei ihrer Stücke: Gequetscht standen und saßen die Menschen um sie herum. Katey ging ungeheuer unter die Haut, man konnte sich ihr nicht entziehen.

Katey hat schon viel erlebt, mit der Gitarre auf dem Rücken um die halbe Welt. „Ich hab schon in der Hocke geschlafen, aber auch in teuren Hotels. Meine Aufnahmen in einer Küche gemacht, wo die Fenster mit Bettdecken verhängt waren, aber auch in richtig plüschigen Studios.“ Mit 16 bot man ihr einen Platz an der renommierten Brit School (für darstellende Künste) an. Immerhin stammen von dort Größen wie Amy Winehouse, Adele, Katie Melua - Katey lehnte aber ab: „Wäre ich dort hingegangen, hätte ich vermutlich weniger authentisch geschrieben. Vielleicht aber auch nicht, bei den Dingen, die mir passiert sind. Ich mag aber nicht darüber nachdenken.“ Kateys Jugend war nicht gerade einfach. Ihren persönlichen Freiraum fand sie nur in der Musik, machte sich frei, wenn sie sang: Gospels, Spirituals, Songs von Lennon und Elvis. Das blieb bis heute so: „Musik ist eine universelle Sprache. Jeder hat eine Art von Schmerz erfahren, besonders in Beziehungen, und die Musik erlaubt uns, diese Gefühle in Ordnung zu bringen.“

Es ist wohl ihre Authentizität, die so einnehmend ist. Ihre ganze Erscheinung ist von einer umwerfenden Natürlichkeit, frei von jeglichen Allüren. Sie arbeitete mit Größen wie Bill Wyman von den Rolling Stones zusammen, rockte große Festivals wie Glastonbury. Umso erstaunlicher, sie in einer Wohnzimmerkneipe zu erleben, in ihrer unvergleichlichen Art. Nahbar, freundlich, und einen Moment später, wenn sie singt, von einer Größe, die sie entrückt, ätherisch erscheinen lässt. Ein wirkliches Phänomen, wobei sie diese Kraft und Größe aus ihrem Leben und ihren Erfahrungen bezieht. Katey wurde mit 20 schwer krank, musste eine Auszeit nehmen. Während ihrer Erholung schloss sie sich einer Songwriter-Gruppe an. „Es war wie eine Therapie. Und ich war endlich überzeugt, dass ich die Musik zum Beruf machen sollte.“ Aber es war auch der Beginn einer harten Zeit – durch‘s Land tingeln, auch schon mal in einer Bushaltestelle übernachten, von den privaten Rückschlägen ganz zu schweigen. Nur kurze Zeit später, Katey war 22, starb ihre Mutter, dann verschwand ihre lebenslange Freundin. Auch sie starb. Leiden formen die Seele, sagte Tschaikowsky. Und sehr viele Künstler erleiden schlimme Jahre und Dinge, die sich in ihrer Kunst widerspiegeln und erst zu der unnachahmlichen Ausdrucksform führen, für die man sie letztendlich verehrt. „Schmerz erinnert mich daran, warum ich singe. Das gilt aber nicht nur für mich, sondern für jeden. Man sagt ja, dass Musiker auf eine seltsame Art wie Therapeuten sind“, sinniert sie. Ein weiterer Rückschlag war, dass sie ihr mit Spannung erwartetes zweites Album „We the People“ nicht produzieren konnte. „Ich musste es loslassen, es war wirklich verheerend. Ich verbrachte einige Zeit an einem sehr dunklen Ort.“ Aber eine starke Persönlichkeit wie Katey, mit einer so eigenen und intensiven Philosophie, findet auch aus einem solch finsteren Tal heraus. „Ich machte das Album neu. Ich hätte natürlich einen kommerzielleren Weg gehen können, aber ich bedauere es nicht – zumindest bin ich mir selbst treu geblieben.“

Natürlich ist Katey wieder auf Tour. Europa, Australien, Kanada – sie braucht das einfach. „Das ist die Sache mit der Musik: Sie bringt Menschen zusammen, schafft eine Intimität, die du in anderen Bereichen des Lebens nicht bekommen würdest. Sie kann dich mit dir selbst verbinden, dich und die Welt dazu bringen, dass du auftaust. Ich finde Bedeutung in der Musik, und die Bedeutung ist die Verbindung.“

Ich sollte für den Kulturbund Künstler finden, und es war ein enormes Vergnügen, mit Katey persönlich Mails zu tauschen. Klar macht es nervös, ist es schon etwas Besonderes, mit solch einem Menschen und Künstler im Gespräch zu sein, und unsere kleine, aber urgemütliche Location anzubieten. Und dann war es perfekt: Am 4. September wird sie hier sein! Hoffen wir auf gutes Wetter, dann genießen wir Katey im Garten, unter freiem Himmel.

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