„Meine Phantasie geht regelmäßig mit mir durch ...“

Thomas Sefzig

Baume Creatives: Der Filmemacher Tomasoso

In loser Folge sollen 2018 in der neuen Reihe „Künstler in Baume“ Künstlerinnen und Künstler im Kulturbund Treptow vorgestellt werden, die ihren aktuellen Kreativmittelpunkt im Treptower Ortsteil Baumschulenweg gefunden haben. In diesem Ortsteil sind alle künstlerischen Genres vertreten: vom Schriftsteller, Schauspieler, Sänger, Liedermacher, Poeten, Musiker, Maler, Grafiker, Komponisten bis hin zum Filmemacher. Den Auftakt zur Reihe bestreitet der Filmemacher Tomasoso, der am 30. Januar, 19:00 Uhr, sich und seinen Film „Psycho Capital Monster“ im Kulturbund Treptow vorstellen wird.

Was macht ein Künstler, der tolle Ideen hat, aber kein Geld? Tatsächlich stellt sich diese Frage dem weit überwiegenden Teil der deutschen Künstlerschaft. Die meisten sind gezwungen, selbst die skurrilsten Jobs anzunehmen und ihren Lebensunterhalt immer wieder auch über das Jobcenter aufzustocken, weshalb nur extrem wenige Projekte realisiert werden können. Einem Filmemacher geht das nicht anders. „Hol dir doch ‘ne Förderung“, hört man da ständig. Nur, dass man die Förderung erst bekommt, wenn man schon ein paar Sachen abgeliefert hat, genauer: Zwei Filme müssen es ins Kino oder TV geschafft haben, bevor man es beim Medienboard versuchen kann.

Ob das noch mit echter Förderung zu tun hat, kann man natürlich diskutieren – das Netz ist voll davon. Es nützt nur nichts. Man geht also andere Wege, wie Crowdfunding. Und putzt Klinken, um Drehorte möglichst für lau zu bekommen. Cast und Crew arbeiten auf Rückstellungsbasis, Equipment baut man sich selbst, wann immer möglich.

Der Autorenfilmer Tomasoso, in Baumschulenweg seit 2003 ansässig, hat seine Liebe zum Kiez eher langsam entwickelt. Dafür umso intensiver. Ein Mann mit mehreren Berufen, der in jüngeren Jahren um den halben Erdball reiste, was den persönlichen Blickwinkel bekanntlich sehr breit aufzieht. Nach einer Lehre zum Kunstschmied kam der Wehrdienst, den er nach der Grundausbildung verweigerte. Er diente dann, nach der Anerkennung, als Rettungssanitäter seine Zeit ab. Danach kam die Periode als Assistent bei verschiedenen Fotografen, wobei er alle möglichen Jobs machte, um das zu finanzieren, darunter auch Kellner und Gerüstbauer. Seit 1985 selbständig als Werbefotograf, kam er auch mit dem Medium Film in Berührung, beim Fernsehen als Kameramann, Komparse und auch Stuntman. 1992 ging er für ein Jahr nach Brasilien, brauchte einen Tapetenwechsel. Nach einigen lebensgefährlichen Abenteuern um einige prägende Erfahrungen reicher, ging es in Deutschland weiter, als Creative und Art Director, und er machte eine Weiterbildung zum Multimedia-Produzenten. Die Krise um 2003 erwischte auch ihn. Massenweise gingen Agenturen pleite, die Gesundheit machte Ärger, eine Scheidung kam hinzu. Aus der Not heraus machte er eine Ausbildung zum Kaufmann: „Kann ja nicht schaden. Nun hatte ich fünf Berufe - auch nicht schlecht!“

Er ging in sich, sortierte seine Möglichkeiten und Zielvorstellungen und packte eine Schippe drauf. Wieder wurde eine neue Fotomappe erarbeitet, mit einer kleinen Geschichte dahinter, denn Bilder sollen ja etwas erzählen. Aus der Geschichte wurde dann ein ganzes Drehbuch, als Serie konzipiert: „Uma Soona – die Kinder der Mondgöttin“. Nur war das Ganze sehr teuer in der Produktion, so dass er weitere Ideen durchspielte. Es entstanden in recht kurzer Zeit rund 30 Konzepte und Drehbücher, bis 2013 „Psycho Capital Monster“ entstand, ein Psychothriller, der quasi ohne Geld zu realisieren war.

Ein Film braucht Musik, und da Tomasoso in seiner Jugend in einer Blues-Rock-Band Gitarre spielte, kam auch hier eine Fähigkeit zum Einsatz, um Geld zu sparen. Die Gitarre baute er sich dazu letztlich selbst passend um, aus einer alten Stratocaster-Kopie wurde eine vermutlich weltweit einzige Hollow-Body. Er entwarf bei dieser Gelegenheit gleich mehrere besondere Typen, die er inzwischen ebenfalls gebaut hat. „Mangel zwingt zur Kreativität. Es ist auch durchaus erhebend, wenn man ein Problem geknackt, etwas ohne Geld oder aus Schrott hergestellt hat. Allerdings auch ermüdend und frustrierend, nie aus dem Vollen schöpfen können.“ Nach einem ungemein arbeitsreichen Jahr stand er vor dem fertigen Werk. „Als ob man einen Kopfhörer abnimmt - schlagartig ist der Druck weg. Man arbeitet als Künstler ja quasi rund um die Uhr, und wenn man dann plötzlich nichts mehr zu tun hat, fällt man regelrecht in ein Loch. Es macht einem beinahe Angst, man wird auch schon mal depressiv.“ Beim Umbau der Gitarre hatte er einige eigene Entwürfe gezeichnet, die er nun in Angriff nahm. Inzwischen sind vier davon fertig, drei stehen noch aus. Auch einige Musikstücke waren nur Notizen, die nach und nach „ausentwickelt“ werden wollten. Es gibt auch Pläne, eine Band ins Leben zu rufen.

„Psycho Capital Monster“ lief in den USA, auf dem MIAMI INTERNATIONAL FILMFEST und BLOW UP! CHICAGO. Letzteres ist das größte Autorenfilmer-Festival weltweit. „Das war wie Weihnachten und Neujahr am gleichen Tag! Gewonnen haben wir leider nicht, aber immerhin – er lief, wurde gezeigt!“ 2016 machte Tomasoso eine Ausbildung zum Drehbuchautor, nach dem Filmproduzenten nun also der siebte Beruf. „Ich habe eine ganze Reihe fertiger Scripts liegen: ‚Rat Graves‘, ‚A.M.I.S.S.U - Alte Männer in schlecht Sitzenden Unterhosen‘, ‚Phoenix V1‘. Aber die kosten alle Geld, der billigste knapp 10.000 Euro. So ganz ohne Finanzen klarzukommen, ist schon eher eine Ausnahme, die mir wohl nicht so schnell wieder gelingen wird. Mach ich also mal einen Kurzfilm, ‚Noise for Louise‘. Der kostet nur rund 200 Euro. Wobei mir Kurzfilme schwerfallen – meine Phantasie geht regelmäßig mit mir durch, und dann wird’s immer ein großes Ding.“

Archiv