Tasos ist Ausbilder für Lehrer und arbeitet gegenwärtig an dem von der EU geförderten Projekt des Kulturrings „shifting walls“ als Partner mit.
In der gegenwärtigen Situation der Corona-Krise habe ich auch in meinem eigenen Leben die verschiedenen Etappen der Anpassung durchgemacht, zuerst vom Bekannten ins Unbekannte, wie ein Schock in die Bewegungslosigkeit, man wollte es irgendwie nicht wahrhaben, dann die Phase des Akzeptierens, gefolgt von der nächsten Phase des Ausprobierens neuer Strategien, um mit der veränderten Situation klarzukommen und dabei deren Bedeutung zu begreifen, und letztendlich die Verinnerlichung dieser Erfahrung als Gesamtkonstrukt.
Ganz am Anfang versuchte sich jedes Familienmitglied in unserem Haus auf etwas Positives zu fokusieren, um zum Beispiel die viele freie Zeit für Hobbys zu nutzen (wie Bücher lesen, Netflix anschauen oder auf You Tube frei verfügbare Konzerte, Musicals und Theaterstücke abrufen). Andererseits haben wir uns auch große Sorgen um unsere älteren Familienangehörigen gemacht, die in den verschiedenen Städten weit außerhalb Athens leben. Wir konnten sie nicht besuchen und mit ihnen nur telefonieren oder über Apps wie Viber kommunizieren, was wir ihnen beigebracht hatten. Natürlich sorgten wir uns auch um die Gesundheit der Familie um uns herum, alle blieben wir zur Sicherheit in der Wohnung und achteten darauf, dass nur ich alle nötigen Wege nach draußen erledigte und dass dabei alle Sicherheitsvorkehrungen zur Hygiene und zum Abstand eingehalten wurden. Meine Gefühle waren bestimmt von der Angst um die Gesundheit meiner Familie, der Trauer um die an Covid-19 Verstorbenen und der Frustration darüber, dass ich nicht wie gewohnt arbeiten, auch nicht meinen sportlichen Aktivitäten nachgehen konnte, dass ich nicht reisen und andere Orte besuchen konnte, wie das schon für einen Aufenthalt in Vilnius geplant war, der abgesagt werden musste.
Von März an wurden die Schulen geschlossen, und seitdem werden die Schüler mit Hilfe von Internet-Plattformen und durch Heimlernen weiter unterrichtet. Um die nötigen Informationen bestmöglich zu verbreiten, hat das griechische Bildungsministerium Arbeitsmaterial an die Schulen als Rundschreiben versandt. Kurz darauf entstand eine Webseite mathainoumestospiti.gov.gr (was bedeutet: wir bleiben zu Hause, wir lernen zu Hause) mit Unterrichtsmaterial und Richtlinien für Lehrer und Schüler – von der Grundschule bis zur Oberstufe, vom Kindergarten bis zur Universität. Da für die Schulen Flexibilität und Eigenständigkeit gilt, lag es an den Direktoren, ein tägliches Programm für das „Fernlernen“ aufzustellen und dabei eine Kombination aller Methoden umzusetzen. Nach dem Schul-Lockdown musste ich als Ausbilder für Lehrer Online-Meetings und -Kurse (Webinars) organisieren und diese bekannt machen. Ziel war es, die Lehrer zu unterstützen und ihnen den Kontakt mit ihren Schülern und ihre Unterrichtung zu erleichtern, und zwar durch Plattformen, wie BigBlueButton, Zoom, Webex bzw. E-class, e-me oder edmonto. Diese Zeit war für mich sehr stressig, denn ich musste studenlang online sein. Aber das Ganze brachte sehr viel positive Resonanz, nachdem die Wirkung der Maßnahmen von den Lehrern und Schulkollegien ausgewertet wurde.
In der Familie war das größte Problem, die ganzen Telefonkonferenzen und Online-Meetings zu koordinieren. Meine Tochter absolvierte ihre Lektionen als Schülerin, meine Frau als Lehrerin und ich als Ausbilder für Lehrer, der auch noch Online-Vorlesungen für Universitäten hielt. Dabei mussten wir mit neuer Software fertigwerden, mit der Bandbreite im Internet kämpfen und alle mobilen Teile und Endgeräte in einem guten Zustand halten. Und dazu ist es wichtig zu erwähnen, dass die richtige Balance zwischen dem Zeitaufwand für Familie und Job gewahrt werden musste, einserseits immer am Ball zu bleiben von Zuhause aus und gleichzeitig meine Tochter als Lernende zu unterstützen.
Alle Hindernisse wollten überwunden, Wege gefunden werden, um zu kreativen Lösungen angesichts des Lockdowns zu kommen. Sehr geholfen hat die Nutzung der Online-Plattform, um meine Lehrer zu erreichen. Zusätzlich zu den Vor-Ort-Terminen werden wir dies auch weiterhin nutzen, vor allem für jene, die nicht anwesend sein können oder die mehr Unterstützung oder Materialien wünschen. Es ist den Teilnehmern gelungen, den Umgang mit verschiedener Software, den unterschiedlichsten Apps zu erlernen und ihre Erfahrungen damit auszutauschen (z. B. padlet, prezi, coggle, quizlet, mindmaps, Kahoot, timetoast, wordle, jigsaw, safeyoutube, Screencast-O-Matic, voki, Word, PowerPoint, learning apps, crossword labs, live worksheets, webex polling). Ich denke, ich kann auch weiter dazu beitragen, denn es gibt eine Vielzahl an Ideen und Projekten, die uns als Team im Interesse unserer Gemeinschaft noch klüger und stärker machen werden.
Ein noch vor uns liegendes schwieriges Problem stellt die große Ungleichheit sinnvoller Lernmöglichkeiten dar, denn nicht alle Lehrer und Schüler besaßen die nötige Ausrüstung, um sich auf eine Online-Lernstrategie umzustellen. Deshalb gab es bei einer Anzahl Schüler, vor allem jenen aus den sog. gefährdeten Gruppen, weiterhin Lernverluste, weil es den Lehrern nicht gelang, sie in deren Umfeld und Infrastruktur zu erreichen. Gründe sind vor allem bei Flüchtlingskindern der mangelnde Internet-Zugang, die schlechte Verbindungsqualität und die fehlenden Geräte. Das Gleiche trifft auf Lernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf (S.E.N.) und Roma-Schüler zu, die stärker vom täglichen sozialen Kontakt und der Interaktion mit anderen Lernenden und ihren Lehrern abhängig sind. Für Lernende, die ein individuelles Lernprogramm benötigen und für die sich die Lehrer um eine Unterbringung kümmern mussten, war es besonders schwer. Die Tatsache, dass sämtliche Inhalte für das asynchrone Lernen in griechischer Sprache abgefasst waren, stellte sich für alle, die die Sprache des Gastlandes nicht sprachen, als Riesenhindernis dar, das zu Frustationen führte. Somit muss ich meine Meinung hier unterstreichen, dass die „neue Covid-19-Gesellschaft“ bereit sein sollte, alle Schüler (und ihre Lehrer) auf geeignete Weise zu unterstützen, wenn es zu einem möglichen weiteren Lockdown wegen einer Pandemie kommt.
Ein weiteres entscheidendes Kriterium ist die Qualität des angebotenen Online-Unterrichts und seiner Ziele. Nach den ersten Eindrücken des Online-Unterrichtens und seiner „Glorifizierung“ von E-Lernplattformen durch das Fokusieren auf Tools anstatt auf Methodologie und Ziele, haben eine große Zahl Lehrer und andere Beteiligte mangelndes Interesse der Schüler und/oder der ausführenden Lehrer ins Feld geführt, die stark um die Motivation ihrer Schüler kämpfen mussten. Auch habe ich erkannt, dass sich einige Lehrer für mehr Instruktionen seitens des Ministeriums für Bildung und Religiöse Fragen aussprachen, im Gegesatz zu anderen, die sagten, sie fühlten sich zu dieser Zeit viel freier und kreativer. Auch hat eine große Zahl Lehrer an verschiedenen, in dieser Zeit organisierten Webinars teilgenommen. Und so denke ich, dass jede Organisation und die an der Umsetzung Beteiligten solche Projekte organisieren sollten, die sowohl die Selbstbestimmung der Lehrer und ihrer Schüler, als auch die Förderung selbstregulierter Lernfähigkeiten durch spezifische selbstregulierte Lernmodelle und -strategien berücksichtigen.
Abschließend sei noch erwähnt, dass die meisten Lehrer und anderen Mitbürger, mit denen ich in dieser Zeit Kontakt aufnehmen konnte, Unterstützung und Mut durch gute Gedanken von ihren Familienmitgliedern und andere Mitbewohnern aus ihrer Nachbarschaft fanden. Ein weiterer Vorschlag wäre also die Nutzung der Medien, um solche positiven Projekte oder Themen zu verbreiten, die zur Förderung der psychologischen Belastbarkeit für Lehrkräfte, aber auch darüber hinaus, beitragen.
Insgesamt spürte ich in dieser Zeit ein Gemeinschaftsgefühl mit anderen Familien in meinem Wohnhaus, als wir unsere freiwillige Unterstützung anboten. Aber auch die Solidarität für die anderen, entfernt lebenden Familienmitglieder, da wir sie nicht besuchen konnten. Auch auf Arbeit spürte ich ein sehr starkes Gemeinschaftsgefühl. Ich unterstützte die Entstehung unserer informellen Online-Bildungs-Community und habe mit anderen Lehrern zusammen Webinars organisiert, um gute Lehr- und Lernmethoden sowie ICT-Kenntnisse und wirksame pädagogische Online-Strategien auszutauschen. Wir haben außerdem freiwillig als Ausbilder und Auszubildende an einer Vielzahl Webinars teilgenommen, um Kenntnisse über Software, Copyright und Allgemeine Datenschutzbestimmungen sowie psychologische Belastbarkeit im Zusammenhang mit dem Covid-19-Lockdown zu lernen oder zu lehren. Ein gutes Beispiel ist auch meine weitere Mitarbeit im „shifting-walls"-Team, um Fortschritte im Projekt zu erzielen. Ein weiteres Beispiel ist meine freiwillige Mitarbeit an einem Unicef-Projekt: „LearnIn – Shaping the culture of education“ (Die Kultur der Bildung gestalten - https://learnin.info). Dadurch sollen Lehrer als Lernende durch qualitativ hochwertige, kulturell relevante Lernmöglichkeiten befähigt und dabei unterstützt werden, für alle Schüler ein aussagekräftiges persönliches und Online-Lernangebot zu schaffen. Schließlich sei noch erwähnt, dass Facebook-Gruppen den Online-Lehrern große Unterstützung zuteil werden ließen und geeignete Informationen über Sicherheitsregeln zu Covid-19 bereitstellten (auch über „fake news“, die es zu beachten galt). Die Nutzung der sozialen Medien zur Information und Unterstützung der Menschen im Sinne eines Gemeinschaftsgefühls kann also eine Idee für zukünftiges Handeln im Sinne neuer Projekte sein.
Meine Erfahrung aus der Teilnahme an verschiedenen Projekten sagt mir, dass wir sinnvolle Wege weiteren gemeinsamen Handelns und globaler Zusammenarbeit in gemeinsamen Projekten finden müssen und dabei – wo und wann immer es möglich ist – auch persönlich erscheinen und zusammenkommen sollten. Gleichzeitig sollten zur Unterstützung, wann immer nötig oder wegen nationaler Einschänkungen geboten, auch Online-Treffen organisiert werden. Ich glaube bei all dem ganz fest, dass Teamarbeit kreativer und effektiver in einer echten Umgebung ist (und online nur für Mitstreiter genutzt wird, die aus unterschiedlichen Gründen an einer Teilnahme verhindert sind).
Zu guter Letzt ist da noch das stolze Erfolgsgefühl eines griechischen Bürgers, dass es ihm für alle Mitglieder der Gemeinschaft in Griechenland und auch Europa gelungen ist, auf eine kluge, vertrauenswürdige und verantwortungsvolle Weise im Lockdown der Corona-Krise zu handeln. Ich glaube, dass diese Tatsache ein neuer Ausgangspunkt dafür sein kann, eine griechische Mitarbeit und Teilnahme an Projekten zu berücksichtigen, auch um zurückliegende, von einigen Medien verbreitete negative Überzeugungen über ihr Gewicht in der Gemeinschaft der EU zu revidieren.