Lieblingsorte

Seit einiger Zeit stellt der Kulturring auf seiner Webseite ein Projekt vor, das sich persönlichen Lieblingsorten von Bewohnerinnen und Bewohnern der Berliner Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick und Lichtenberg widmet. Zum jeweiligen Ort wurden eigene Fotos und kleine Geschichten zusammengestellt, die den Bezug der Verfasser*innen zu interessanten, lebhaften, ruhigen oder beschaulichen Ecken ihres Bezirkes bzw. Wohngebiets beschreiben.

Ein Blick auf die Ergebnisse lohnt sich. Denn auch wenn wir unsere Wohnung lieben, wollen wir doch nicht nur sie oder den angrenzenden und sicher wunderschön begrünten Balkon als unseren einzigen Lieblingsort ins Herz schließen. Gerade gegenwärtig bieten sich auch wunderschöne Alternativen an, um den vielbewanderten Parks und Grünflächen der Stadt zu entfliehen. Wir können dort auch in den schwierigen Corona-Zeiten den Frühling finden und werden sicher kein Problem beim Abstandhalten haben. Ein paar Tipps haben wir für Sie für dieses Heft ausgewählt.
Die ersten beiden Texte sind von Karl Klar, einem Kreuzberger, der sich auch Gemälden, Zeichnungen und der Medienkunst widmet. Auf der Suche nach neuen Methoden zur „Lektüre der Stadt“ konzentriert er sich auf die Idee des öffentlichen Raums: Der nicht-private Raum, der immer dann privat wird, wenn er als Lieblingsort erkoren wird. Der dritte Text stammt von ­Alexander W., der in Berlin geboren wurde und in Lichtenberg wohnt.

Görlitzer Ufer Frühlingstour

Der erste richtige Frühlingstag ist da! Die Luft ist mild, der Himmel von einem sanften, noch schüchternen Blau, und es riecht nach Frühling: dieser warme, lebendige und unverwechselbare Geruch, mit dem die Natur neues Wachstum ankündigt. Und so wie jedes Jahr mache ich mich auf den Weg zum Görlitzer Ufer. Mein Rad bekommt auch seine Frühlingsluft, und dann fahre ich am Paul-Lincke-Ufer hinunter bis ganz ans Ende und bin nach zwanzig gemütlichen Minuten am Görlitzer Ufer, dort wo der Landwehrkanal einen großen Bogen hinein nach Kreuzberg macht. Hier an seiner breitesten Stelle ist der Verkehrslärm genügend weit weg und ich suche mir ein Plätzchen zum Duseln. Nach dem Winter ist man doch ziemlich leer – wie die Fahrradreifen im Keller. Es muss wieder Luft hinein! Die besten Ideen kommen mir, wenn ich auf's Wasser schaue. Bilder und Gedanken fließen vorbei und füllen mein inneres Gefäß, aus dem ich immer bei Bedarf schöpfen kann. Und so sitze ich hier Stunde um Stunde, atme den Frühling ein, fotografiere die ersten Krokusse und entferne den ersten Käfer, der mir ins Auge geflogen ist.
So, wie jedes Jahr.

Fränkelufer am Urban-Krankenhaus
Der graue Riese

Zu jeder Jahreszeit sitze ich oft am Fränkel­ufer, gegenüber vom Urban-Krankenhaus. Ich finde, das Gebäude zieht den Blick magisch an sich, egal an welcher Stelle ich bin. Es geht auch nicht anders, denn es ist das einzig dominante Objekt weithin. Die Sonne scheint hier den ganzen Tag, und so sehr sie auch überall die Farben zum Leuchten bringt, muss sie doch bei der grauen Fassade dieses Betonbaues kapitulieren. Und dennoch – man kann sagen, Grau ist keine Farbe, doch das stimmt nicht ganz: Wenn man die drei Grundfarben zu gleichen Teilen mischt, erhält man ein ziemlich neutrales Grau. Der Maler nennt dies Neutraltinte. Und ich finde, dieses neutrale Beton-Grau ist doch ein Ruhepol für das Farbenfluten, neutral gegenüber dem Blau des Himmels, welches sich in einem dunklen, satten Ton im Wasser widerspiegelt, und dem Grün der Bäume entlang des Ufers, auf dessen Kante ich sitze und die Beine baumeln lasse. In den Trauerweiden leuchten hier und da noch gelbe Blätter, bis eine stille Brise diese letzten Spätzünder auf das rote Kajütboot wehen, welches da vorn festgemacht hat. Weiße Wolken, Schwäne und Möwen. Ein buntes Treiben drumherum, aber das Krankenhaus steht fest und sicher. Wie ein Fels. Eine ganze Zeit lang dachte ich, man müsste das Gebäude doch mal anstreichen – wenigstens dezent. Ich habe es dann schliesslich selbst gemalt – auf Leinwand. Hab sozusagen das Grau entmischt und das Bild in den Grundfarben gemalt. Aber mehr und mehr kam ich zu der Überzeugung, dass das Krankenhaus schon so sein sollte, wie es da steht. Man muss wohl ab und zu auf etwas Graues schauen, als Kontrast zur farbigen Schönheit der Natur. Und so sitze ich hier am Uferrand und lass die Beine und die Seele baumeln. Immer wieder gern.

Der Faule See zwischen Pankow und Lichtenberg

Der Faule See liegt in Weißensee und hat einen Umfang von 776 Metern. Er wird umschlossen von einer rund 24 Hektar großen Parkanlage mit Wegen, Liegewiesen, Sträuchern, hohen Bäumen, Spielplätzen und Bänken. Die Umgebung des Sees steht seit 1933 unter Naturschutz und bietet eine wunderschöne Flora und Fauna. In diesem Naturschutzgebiet haben sich viele Tierarten angesiedelt, vor allem Vögel und Amphibien. Insgesamt 142 Vogelarten wurden am Faulen See beobachtet. Besonders reizvoll ist ein Besuch in den Morgen- und Abendstunden im Frühling und Frühsommer, wenn ein vielstimmiges Vogelkonzert zu hören ist. Zur Beobachtung der Wasservögel befindet sich im Südosten des Sees eine Beobachtungsplattform. Um den See vor unnötigen Beeinträchtigungen zu schützen, wurde das gesamte Ufer eingezäunt. Baden kann man dort nicht, aber die herrliche Ruhe lässt sich hier wunderbar genießen. Man kann ungestört den See umwandern, wobei es auch Stellen gibt, an denen man nicht direkt am Wasser vorbeiläuft. Diese Stellen sind vorwiegend von einem großen Mischlaubwald umgeben, so bemerkt man es kaum, dass man nicht in unmittelbarer Nähe des Ufers läuft. Gelegentlich begegnet man einem vorbeilaufenden Jogger. Ich selbst laufe auch gern in diesem Gebiet: Die angenehme Luft, die schöne Umgebung, die verschiedenen Steigungen und der weiche Boden machen es sehr angenehm. Insgesamt ist der Faule See eine tolle Abwechslung vom Alltag in der Großstadt. Für Eltern mit Kindern, ältere Menschen, Naturliebhaber oder Jogger ist es eine tolle Umgebung, sich zu erholen und zu entspannen. Wer allerdings nur einmal kurz auf der Bank seine Seele baumeln lassen will und dabei entspannt eine Zigarette raucht, ist natürlich auch richtig – wobei die Luft mich tatsächlich erstaunt hat, wenn man von der Hauptstraße kommt und den Park betritt, denkt man mitunter, man betritt eine andere Klimazone. Gerade im Sommer. Also hingehen, entspannen und erholen – wenigstens einmal.

www.lieblingsorte.berlin

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