Blick aus meinem Fenster

Rex Frese

Meine Lehrerin bezeichnete mich in der Schule oft als „Luftbeobachter“, weil ich im Unterricht häufig aus dem Fenster schaute. Ich fand schon damals die Welt da draußen spannender als die in irgendwelchen geschlossenen Räumen. Bin also eine Fachkraft, was das betrifft und habe den Blick dafür. Beim Kulturring in der Bismarckstraße haben wir ein schönes Exemplar Fenster. Es ist fast bodentief und zirka acht Meter lang. Manche Schaufenster wären neidisch. Es lädt ein zum rein- und rausschauen. Man bekommt alles mit, so man denn will: Vogelbäder nebst Futter und kleine Hochbeete, um die sich einige Mitarbeiter unseres Projekts rührend kümmern. Es gibt Parkplatzstreit, aber auch freundlich grüßende Anwohner, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Ab und zu sieht man Polizisten in Uniform oder auch in Sportklamotten vorbeiziehen, die Wache ist gleich um's Eck, wir sind also „safe“.

Beim Lesen der alten Justizakten, stelle ich mir manchmal vor, wie es hier wohl vor achtzig oder neunzig Jahren ausgesehen haben mag. Liefen, wie damals üblich, elegante Herren mit Hut und Mantel in Begleitung ihrer Frauen mit Kostüm oder Kleidchen hier vorbei? Wie mag es hier wohl ausgesehen haben, bevor der Krieg vieles zerstörte? Es ist wenig übriggeblieben vom ursprünglichen Charakter der Stadt. Einzig die Ost-West-Achse des ursprünglich von Hitler geplanten „Germania“, die vom Gigantismus der damaligen Zeit zeugt.

Heutzutage blickt man auf das Hochhaus der Technischen Universität am angrenzenden Ernst-Reuter-Platz. Der Ausblick in den oberen Etagen gen Westen bietet einen herrlichen Sonnenuntergang.
Bis vor ein paar Wochen, hat es sich auch ein Obdachlosen-Pärchen hier „gemütlich“ gemacht. Die Kolonnaden vor der Türe bieten sich hierfür an, man hat es trocken und ist etwas abseits vom Getümmel. Schräg links befindet sich ein „Pseudo-Unicafé“, es ist eine gut getarnte Zockerbude, auf dem Gebäude dahinter liest man den roten Schriftzug der Firma TELES, von dem ich ursprünglich annahm, hier befände sich der Sitz des Fernsehsenders TELE 5, bis mich ein Mitarbeiter aufklärte.

Die paar Quadratmeter Ausblick, bieten schon so viele Eindrücke, dass man mit mehr davon total überfordert wäre: Kino pur oder anders ausgedrückt: das Leben.
Es hätte uns schlimmer treffen können. Man stelle sich vor, es gäbe nur Bullaugen oder gar kein Fenster: Horror. Ach, das Leben kann sooo schön sein.
Und die Moral von der Geschicht´: Vergessen wir das Draußen nicht!

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