Interview mit Julia Runge | Die Berliner Fotografin zum REFRAME Namibia Projekt

Felix Hawran

Wie entstand deine Beziehung zu Namibia?

Nach dem Abitur wollte ich erst mal weit weg von zu Hause und bin nach Namibia gereist. Aus ursprünglich einem einjährigen Auslandsaufenthalt wurden schließlich dreizehn Jahre, in denen Namibia zu meinem Arbeits- und Lebensmittelpunkt geworden ist. Die Menschen vor Ort haben mich so herzlich aufgenommen, dass sie zu einer großen Familie für mich geworden sind.

Wie entstand die Idee zu REFRAME?

Durch die Pandemie wollte ich mich stärker darauf konzentrieren, vor Ort zu helfen, da Covid zu deutlich erschwerten Lebensbedingungen in Namibia geführt hat. Dadurch ist die Idee entstanden, jungen Menschen im Bereich Fotografie „Hilfe zur Selbsthilfe“ (Empowerment) zu geben, damit sie sich mit ihren Arbeiten professionalisieren und einem größeren Publikum von ihren Lebensrealitäten erzählen können. Reframe bedeutet, die gängigen Bilder und Stereotypen über Namibia zu hinterfragen und mit frischen Perspektiven neu und authentisch zu gestalten. Dafür haben wir einen Aufruf gestartet, der sich an junge Menschen aus der Hauptstadt Windhoek richtete. Über vier Wochen haben vierzehn Fotograf*innen im Anschluss an ihrer Serie zum Thema „Home of Mine“ („Mein Zuhause“) gearbeitet, im Wechsel mit der Vermittlung von theoretischem Wissen. In den Fotoserien spielte das Thema Identität ganz klar die größte Rolle. Ein Teilnehmer wurde etwa aufgrund seiner Homosexualität aus der Kirchengemeinschaft ausgegrenzt und hat diese Erfahrung im Workshop fotografisch aufgearbeitet. Aktuell werden in Ländern wie Uganda, Ghana und Kenia queer-feindliche Gesetze erlassen, die die persönliche Freiheit erheblich einschränken. Das Projekt soll auch dazu ermutigen, auf drängende gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen.

Wie wurde REFRAME in Windhoek aufgenommen und was hat es bewegt?

Die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen waren sehr positiv, das Projekt war geprägt von einem starken Gemeinschaftsgefühl und hat ihnen eine klare Perspektive gegeben. Was alle am meisten mitgenommen haben, war der Kollektivgedanke. Aus den Workshops heraus ist das REFRAME-Kollektiv entstanden, welches bereits in Berlin als gemeinnütziger Verein eingetragen wurde.
Bei den Besucher*innen der finalen Ausstellung in Windhoek gab es eine sehr große und positive Resonanz und auch ein großes Echo in der Presse. Der deutsche Botschafter war vor Ort, ebenso das öffentliche Fernsehen. Viele teilnehmende Fotograf*innen konnten Bilder aus der Ausstellung verkaufen und damit zum ersten Mal ein Einkommen aus ihrer Kunst generieren. Auch internationale Bildagenturen wie AFP (Associated Free Press) sind an die Fotograf*innen herangetreten und haben Aufträge vergeben. Als Kollektiv werden wir uns noch stärker professionalisieren können.

Am 1. September wird nun die Ausstellung in der Fotogalerie Friedrichshain eröffnet, was kannst du dazu sagen?

Reframe ist ja vom Senat gefördert unter dem Schirm der Städtepartnerschaft Berlin-Windhoek, die einzige Partnerstadt Berlins auf dem afrikanischen Kontinent. Von Anfang an war geplant, einen internationalen Austausch zwischen den beiden Hauptstädten zu ermöglichen und der Kreis schließt sich nun mit der Ausstellung in der Fotogalerie Friedrichshain. Ziel ist es, die Sichtbarkeit aktueller namibischer Perspektiven in Deutschland und das Verständnis für postkoloniale Zusammenhänge zu fördern. Zur Ausstellung in Berlin werden mehrere der teilnehmenden Fotograf*innen anreisen. Die meisten haben in dem Jahr seit der Ausstellung in Windhoek die Arbeit an ihren Serien vertiefen können und werden eine breitere Auswahl in Berlin zeigen. Alle sind sehr gespannt, wie die Resonanz auf ihre Arbeiten sein wird.

Was können wir im Rahmenprogramm der Ausstellung erwarten?

Parallel zur Ausstellung wird in Berlin die erste namibische Oper überhaupt uraufgeführt. In diesem Kontext organisieren wir für Mitte September einen Empfang in der Fotogalerie mit einer Delegation aus Namibia, angeführt durch den Bürgermeister von Windhoek, Berliner Politiker*innen und Aktivist*innen.

Darüber hinaus wird es Ende September, Anfang Oktober einen Workshop zum Thema „Identität, Privilegien und Empowerment“ geben, sowie am Donnerstag, 19.10. um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Julia Runge und Aktivist*innen aus ­Namibia.

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