60 Jahre Colorclub Berlin-Treptow | Der Weg zu unseren Bildern

Gerhard Metzschker

Der Deutsche Kulturbund, Ortsgruppe Treptow hatte, von mir angeregt und unterstützt, zu einem Treff interessierter Diafotografen zur Vorzeige ihrer Bilder am 24. Oktober 1963 ins Kreiskulturhaus Treptow eingeladen. Die dreiundzwanzig Besucher beschlossen, sich erneut nun unter meiner Regie wieder zu sehen. Niemand konnte ahnen, dass dieser Abend als Startschuss für unseren jetzt 60 Jahre alten Fotoclub in die Annalen eingehen sollte und bis heute sogar noch ein einziger Teilnehmer dieses Abends neben dem Clubleiter als aktives Mitglied durchhalten würde. Auf den Folgetreffs wurden schließlich alle denkbaren Reise-Erinnerungen sowie die gesamte bunte Blumenumwelt präsentiert, nur ein Beitrag befasste sich statt dokumentierender Knipserei mit dem ästhetisch anspruchsvollen Beitrag „Vom Wasser“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann das große Nachdenken über den Anspruch der Fotografie sowie den Sinn und Zweck eines Fotoclubs.

Damals dominierte die Schwarzweiß (SW)-Fotografie die Fotoszene, obwohl ihre Bilder seit Erfindung der Fotografie die (farbige) Welt verfälscht darstellten. Dieser Realitätsmangel bediente aber hervorragend das Abstraktionsvermögen der Bildbetrachter, und die Fotografen konnten auf Basis der labortechnischen Eingriffsmöglichkeiten bei der Bildwerdung die Motive künstlerisch perfektionieren. Niemand beklagte diese „Manipulationen“ als Fälschung, solange keine dokumentarisch angelegten Motive davon betroffen waren. Das gilt unabhängig von der Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten zur Bildbearbeitung wie z. B. per Künstliche Intelligenz, die von unseren Mitgliedern bereits aufgegriffen worden sind.

Damit konnte die Diafotografie, genauer: Diafotografie per Umkehrfilm, in keiner Weise konkurrieren.

Zur Position der Farbfotografie (gemeint ist das vom Farbnegativ gezogene Farb­papierbild, G. M.) sowie der Farbdiafotografie, beide Varianten waren damals leider nicht präzise definiert, kann ein Text aus der Chronik der Gesellschaft für Fotografie (GfF) zitiert werden. So war die Zentrale Kommission der Fotografie im Kulturbund anlässlich der 1. Farbdiaschau der DDR 1963 der Auffassung, dass „das Farbpapierbild wegen des großen materiellen Aufwands noch keine Rolle spielt und in der zentralen Leitungstätigkeit mit der Vernachlässigung der Farbfotografie (gemeint ist die Farbdiafotografie, G.M.) Schluss zu machen ist“. Die nun ­zufällig gleichzeitige CCB-Gründung erfuhr mit einer derartigen Rückendeckung die damals stets notwendige ideologische Stütze, auch um weitergehende Ansprüche wie z.B. Bereitstellung angemessener Projektionstechnik und finanzielle Unterstützung zu verfolgen.

Bereits in den 80er Jahren wurde die Fotografie in einigen Ländern (z.B. USA) als Teil der Kunst akzeptiert, jedoch konnten die Vorbehalte zur Farbfotografie wie:
• kann Farbe für die erwünschte Weiterentwicklung überhaupt ein Gewinn sein?
• hätte die SW-Fotografie eine Chance gehabt, wenn zuerst nur die Farbfotografie bekannt gewesen wäre?
• kann Farbe eigentlich das Themenspektrum der SW-Fotografie bedienen?
vielenorts nur schwer ausgeräumt werden.

Die Diafotografen organisierten sich jetzt landesweit mit vorrangiger Orientierung auf Bildgestaltung (im Moment der Aufnahme!) einschließlich Sicherung der farblichen Ordnung im Bild. Problematisch blieb allerdings die thematische Enge, weil offenbar erfolgreiche Wettbewerbsbilder (Diawettbewerbe wurden bisher nur auf Basis von Einzelbildern veranstaltet) häufig als Vorbild galten. Das Arbeiten in Portfolios wurde alsbald in der Literatur als notwendige Voraussetzung zur Weiterentwicklung angemahnt.

Eine weitere wichtige Aufgabe war die Gewinnung fachkundiger Juroren für hochrangige Wettbewerbe. Noch 1967 war es nicht abwegig, noch kurz vor der zu jurierenden Diaschau namentlich bekannte Veranstaltungsbesucher oder Funktionäre spontan zur Teilnahme an der anschließenden Jurysitzung zu bitten und sogar (ohne Erfahrung) nach Punkten entscheiden zu lassen! Es sei angemerkt, dass zur Bewertung von Kollektionen Punktsysteme mit stummer Wertung, d. h. ohne Bilddebatte unabdingbar sind. Die Notierungen der Juroren sind bezüglich Wertungsverhalten sowohl für die Ausbildung von Juroren als auch für grundsätzliche Informationen über die optimale Methode zur Punktverteilung im Abgleich mit der Gaußschen Normalverteilung recherchierbar. Die Auswahl des Punktsystems mit der Wertungsskala 1-5 wurde im CCB erprobt, für beherrschbar befunden und u.a. zu den Malchower Farbfototagen (höchstrangige Diaveranstaltung in der DDR) stets eingesetzt. Deshalb sei hier festzustellen, dass einige Veranstalter heute noch völlig abwegige Vorstellungen bezüglich der numerischen Bildbewertung besitzen, indem z.B. verlangt wird, Bildinhalt, Bildtechnik und Bildgestaltung getrennt auf einer Skala von 1-10 Punkten einzuschätzen (d.h. max. 30 Punkte je Bild möglich), anstatt das Bild als ein komplexes (Kunst-)werk zu begreifen.

Der CCB-Clubleiter war dank seiner Mitgliedschaft in den Gremien der GfF an vielen Entscheidungsprozessen beteiligt und konnte dort eine Reihe von wichtigen Veränderungen wie z.B. anteilige Berücksichtigung ausgewählter Themen zu Lasten der üblichen „bunten Blümchen“ in Wettbewerbskollektionen durchsetzen. Die damit implizierten Herausforderungen wurden auch in der Arbeit des CCB sichtbar mit der Folge, dass sowohl Mitglieder als auch Clubkollektionen in Wettbewerben hochrangige Preise errangen.

Schon 1970 entwickelten wir im CCB folgende Varianten zur bisherigen, live-kommentierten Diaschau: Darbietung der Fotos durch das gleichzeitige Angebot von mindestens zwei Bildern in Analogie zur Ausstellung von Aufsichtsbildern, Kombination der Bilder in synchroner Verbindung zu aufgezeichnetem Ton (Musik, Text und Geräusch).

Anlass war der Auftrag der zentralen AG Diafotografie an den CCB, zu den Farbfoto­tagen eine „unterhaltsame und richtungsweisende“ Diakollektion vorzustellen. Wir präsentierten diese Arbeit per fünf Diaprojektoren, eine für den Auftraggeber und die 300 Gäste sensationelle Überraschung mit häufigem Szenenbeifall. Unsere erste vertonte Multivision hatte Premiere!

Weitere 39 vertonte Multivisionen und Diaporamen (Überblendschau mit zwei Projektoren) entstanden bis 1999 und wurden 212-mal in vielen Orten sowie im Ausland (CSSR, Polen, Ungarn und an der Erdgas-Trasse in der Sowjetunion) aufgeführt. Die Publizierung unserer Arbeiten in der DEFA-Wochenschau, die Mitwirkung in mehreren Fernsehproduktionen sowie die Inszenierung dekorativer Illustrationen mit stummen Multivisionen per Rückprojektion auf Konzert- und Theaterbühnen stützten unseren guten Ruf, der uns 1985 den Titel „Ausgezeichnetes Volkskunstkollektiv“ und 1988 die höchste staatliche Einstufung „Oberstufe – ausgezeichnet“ einbrachte.

Im Zeitraum 1990–2010 wurde das Farbdia schrittweise zunächst durch das farbige Papierbild per Umkehrpapier und schließlich endgültig mit der digitalen Bildbearbeitung abgelöst. Das 30-jährige Jubiläum feierten wir bereits mit einer komplett gerahmten Farbfotosschau. Allerdings konnten wir mit dem Archivbestand noch immer punkten: Zur MEDIALE, dem Festival der Projektionen 1994 in Nürnberg, wurden drei Tonbildschauen von der Jury angenommen, und zu den Sächsischen Farbdiawettbewerben 2001–2009 errangen wir dreimal in Folge den ersten Preis für unsere Kollektionen. Dann war die ehemalige Kontro­verse zwischen Farbe und Schwarz-Weiß endgültig erledigt. Nahezu jedes Bild erhält nun am PC den letzten Schliff wie damals das künstlerische SW-Foto in der Dunkelkammer.
Wir haben bis 2023 insgesamt 88 Ausstellungen inszeniert.

Anmerkung: In einer Broschüre zur Vernissage der Jubiläumsschau am 13.10.2023 im Haus des Kulturring in Berlin werden ­viele Details zur CCB-Biografie sowie eine große Anzahl sowohl neuer als auch bekannter Fotos abgelegt.

Archiv