Mit offenen Augen

Christian Reichelt

Was auch immer wir tun: vieles läuft routiniert ab, wir tun es automatisch. Routine hat Vorteile. Doch Zen-Meister und moderne Psychologen lehren, dass man sich einer Aufgabe voll und ganz widmen sollte. Konzentriert im Jetzt sein bei allen Tätigkeiten. Kinder machen es genau so, sie können gar nicht anders und widmen sich all dem Neuen, das es zu entdecken gibt, zu einhundert Prozent. Der Rest der Welt ist „weg“. 

Wenn ich ab und zu frage, was gibt es Neues im Kulturring oder einen Kollegen, was gibt es Neues bei Dir, höre ich oft: „nichts“. Alles wie immer. Und manchmal empfinde ich es ebenso. Die „Lange Nacht der Bilder Lichtenberg“ zum Beispiel findet im September zum sechzehnten Mal statt. „Ok“, denke ich, „sechzehn Mal ­Lange Nacht, same procedure“. Jedoch, als ich mit dem Organisationsteam-Gisela sprach, stellte sich heraus, dass es in diesem Jahr neben neu teilnehmenden Künstlern noch etwas anderes Neues geben wird: einige Künstlerinnen und Künstler kommen aus ihren Ateliers in den öffentlichen Raum und treffen auf die Passanten. Das finde ich eine spannende Komponente, da die Aktionen so auch andere Menschen erreichen. Es lohnt sich auf jeden Fall u. a. den Bahnhofsvorplatz Lichtenberg anzusteuern, um bei Jeremy Knowels Klangkunstwerk „Open the Night“ dabei zu sein. Wie in den Vorjahren werden natürlich auch die mehrsprachigen und immer schnell ausgebuchten Kunst-Touren angeboten. In etlichen Ateliers warten Künstler auf Sie und Ihre Fragen. Kommen Sie also nach Lichtenberg.

Auch für den Urlaub suchen wir Besonderes. Man muss nicht in den Flieger steigen, um Neues zu erleben. Das Tourist Information Center Pankow beweist es mit seinen Angeboten. Sechs Kulturring-Mitarbeiter unterstützen Sie bei Entdeckungen im Bezirk. Wer sich für Pop- und Rockmusikgeschichte interessiert, sollte die „Pankow Music Tour“ buchen. Oder man lernt mit einer Fahrradtour die Kunst im öffentlichen Raum kennen.

Eine vollkommen andere Sache ist das Schreiben einer Geschichte. Die Gruppenmitglieder der Schreibwerkstatt „Mehrstimmig“ machen sich mit handwerklichen Aspekten des Schreibens vertraut, um Gedanken in Fluss und zu Papier zu bringen. Aber wie funktioniert das, in den Fluss zu kommen? Sind wir in Routinen verhaftet, benötigen wir Inspiration, um aus uns Neues schöpfen zu können. Kunst und Kultur bieten diesen anderen, neuen Blick und motivieren zum selber-Tun.
Schauen Sie aus Ihrem Fenster, als wäre es das erste Mal. Nicht sonderlich spektakulär? Auf Seite 25 finden Sie eine Einladung zum Mitmachen beim Themenmonat. Ich wünsche allen einen frischen Sommer mit vielen intensiven Eindrücken.

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