Der Blick aus meinem Fenster

Hannelore Sigbjoernsen

bzw. von meinem Balkon im alten Berliner Norden

Seit über fünfzig Jahren immer von derselben Person – immer der gleiche Blick, immer mit gleichem Blick? Mitnichten! Erwartungsvoll, hoffnungsvoll, neugierig, erschrocken, erstaunt, entsetzt, ärgerlich. Aber auch schön.

Ein Ritual: Gingen früher die Kinder aus dem Haus, wurde hinterher gewunken, geht heute die junge Familie, gehen Freunde nach Hause – immer noch.

Sommernacht, Balkontür weit offen: Da lärmen weit nach Mitternacht fröhlich Trunkene durch unsere Straße, die eigentlich eine ruhige ist. Ärgerlich! Schnell die Tür zu, um weiter schlafen zu können.

Entsetzen, die Feuerwehr rast durch die Straße – warum das? Ein Dachstuhlbrand in der Nähe, berichtet tags darauf die Zeitung.

9. November 1989: Die Fernsehnachrichten sind vorüber. Man sitzt noch etwas überrumpelt vor dem Gerät, da der Anruf des großen Sohnes: „Mutter guck mal vom Balkon, was auf der Prenzlauer los ist! Ich geh' auch gleich los und besuche Tante Ulla in Marienfelde.“ „Aber Junge …“ Da war schon aufgelegt.

Bald danach wird Besuch aus dem fernen England erwartet. Mein Gott, wann kommt die Taxe endlich mit ihnen in Prenzlauer Berg an!

Ebenfalls früher: Wo bleiben die Jungens? Die Schule ist längst vorüber. Hat wieder einer auf dem Bolzplatz die Zeit vergessen und muss der andere nachsitzen, oder umgekehrt.  Mal schauen, ob der Mann endlich von seiner Arbeit angekommen ist und das Auto einparkt. Eigentlich ist die Fahrzeit schon zu lang aus der Stadtmitte.  Stau, Unfall …?

Im Frühjahr, im April und Mai, blühen die Zierkirschenbäume phantastisch schön in unserer Straße und duften in warmen Nächten, dass man die Großstadt rundum völlig vergisst. Wenn dann noch der Himmel klar ist, der Mond sich zeigt und Sterne blinken, dann gerät auch mal der Blick nach innen. Wo wollte man sich besser fühlen, als bei einem solchen Blick aus dem Fenster.

Das Grau der Häuser gegenüber, der bröckelnde Putz,  die Kohlendreck ausstoßenden und stinkenden Schornsteine, das ist Vergangenheit. Die Straße auch damals schon füllenden, zumeist grauen Autos der Marke Trabant ebenso. Dafür immer mehr Wohlstandsabfälle, alte Sachen lieblos in Kartons gepackt, auf der Straße. Ist man zu faul, sie ordentlich zu entsorgen oder glaubt man sozial zu handeln, weil Ärmere der Ärmsten davon doch noch etwas brauchen könnten?

Früher ging ich gern am Heiligabend, wenn aller Trubel in der Wohnung vorüber war, auf den Balkon. In fast allen Wohnungen gegenüber brannte noch Licht, war manchmal sogar ein Weihnachtsbaum hinter den Gardinen auszumachen. Der Blick lohnt nicht mehr. Viele Fenster sind dunkel, die meisten der neu Hinzugezogenen nicht hier. Ihr Zuhause scheint das nicht zu sein. Und Silvester, wenn damals in der Straße Raketen aufstiegen, es krachte, bummste, dass man sich die Ohren zuhielt, aber die Augen vor Staunen weit aufriss, ebenfalls vorbei, aber nicht zu bedauern.

„Der Blick aus dem Fenster“ erzählt Persönliches und Alltags- und Zeitgeschichte.

Die Themenwoche Blick aus meinem Fenster findet vom Mo 9.10. bis Fr 13.10. im gesamten Kulturring statt. In dem offenen inhaltlichen Rahmen werden sich Veranstaltungen, Fotoprojekte, Workshops im Bereich Malerei/Modellieren, Schaufenstergestaltungen in den Medienpoints, persönliche Geschichten (auch aus Europa), themenbezogene Videos und Podcasts einfinden. Ziel ist Neues zu erleben – durch verschiedene Blickwinkel auf geschichtliche Ereignisse, Lebenssituationen und Visionen. Der Kick-off findet am 9.10. in der Fotogalerie Friedrichshain statt und stellt unter anderem Geschichten aus den EU-Projekten vor.

Herzliche Einladung zum Mitmachen und Mitkommen!

Die Themenwoche Blick aus meinem Fenster findet vom Mo 9.10. bis Fr 13.10. im gesamten Kulturring statt. In dem offenen inhaltlichen Rahmen werden sich Veranstaltungen, Fotoprojekte, Workshops im Bereich Malerei/Modellieren, Schaufenstergestaltungen in den Medienpoints, persönliche Geschichten (auch aus Europa), themenbezogene Videos und Podcasts einfinden. Ziel ist Neues zu erleben – durch verschiedene Blickwinkel auf geschichtliche Ereignisse, Lebenssituationen und Visionen. Der Kick-off findet am 9.10. in der Fotogalerie Friedrichshain statt und stellt unter anderem Geschichten aus den EU-Projekten vor.

Herzliche Einladung zum Mitmachen und Mitkommen!

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