Das Bundesverdienstkreuz bekommt man nicht einfach so. Da bedarf es großer, oftmals langjähriger Verdienste. Im Jahr 2020 bei der Übergabe der Ordensinsignien an Gisela Peter sagte damals die Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle: „Es ist mir eine besondere Ehre, Frau Peter für ihr jahrzehntelanges kulturpolitisches Engagement im Bezirk diese hohe Auszeichnung überreichen zu dürfen. Bücher sind ihr Lebensinhalt, den sie mit Freude und nimmermüdem Einsatz ausfüllt.“ Wegen der Pandemie übergab Bundespräsident Frank Walter Steinmeier nicht persönlich die Auszeichnung. Frau Peter erzählt: „Kolleginnen hatten mich für diese Ehrung vorgeschlagen. Ich habe nichts geahnt! Natürlich habe ich mich sehr gefreut. Ich habe das Verdienstkreuz aber nicht nur für mich, sondern für alle meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter entgegengenommen.“
Gisela Peter ist 1939 in Greifswald geboren und aufgewachsen. Nach dem Abitur begann sie mit dem Studium der Medizin. Sie heiratete, bekam vier Töchter und entschied sich, doch einen anderen Berufsweg einzuschlagen. In der Bibliothek der Wismarer Mathias-Thesen-Werft fand sie eine interessante und familienfreundliche berufliche Herausforderung. Hier fühlte sie sich wohl. Im Fernstudium qualifizierte sie sich zur Bibliothekarin, später zur Diplom Informations- und Bibliothekswissenschaftlerin. Sie ging und geht noch immer in ihrem Beruf auf, der ihr viel Freude machte und ihr die Möglichkeit gab, selbständig Ideen zu entwickeln und umzusetzen. „Meine Familie hat mich immer unterstützt! sagt sie stolz. Mit ihrem 2. Ehemann, dem Philosophen und Bibliothekswissenschaftler Heinz Peter, zog sie 1988 nach Hellersdorf, wo sie noch heute wohnt. Gemeinsam engagierten sie sich nach der Wende für den Erhalt von Bibliotheksbeständen. So sorgten sie dafür, dass u. a. große ausgelagerte Bestände an landwirtschaftlicher Fachliteratur (etwa 100.000 Exemplare) aus aufgelösten DDR-Bibliotheken in andere Fachbibliotheken des Landes übergeben und in deren Bestand eingearbeitet werden konnten.
Heinz und Gisela Peter gehören zu den Gründungsmitgliedern des „Vereins zur Förderung der Alternativen Bibliothek Berlin Hellersdorf“, von 1999 bis 2016 war Gisela Peter Vorsitzende des Fördervereins.
Ziel war der Aufbau der Bibliothek und damit die Förderung des kulturellen Lebens in Hellersdorf. Sie wollten das Kulturerbe bewahren, denn ihnen war wichtig, Literatur zu sammeln und zu studieren, die in der DDR aus politischen oder ökonomischen Gründen nur schwer oder gar nicht zu bekommen war. Die Bibliothek sollte zum Begegnungsort werden. Persönlichkeiten aus der Politik, Historikerinnen und Historiker, Fachkollegen aus verschiedenen Bibliotheken und Interessierte - alle gut vernetzt - beteiligten sich am Aufbau der Bibliothek bzw. unterstützten die Arbeit des Vereins, darunter besonders die Landeszentrale für Politische Bildung aber auch der Kulturring in Berlin e. V.
Der Bestand zu den Sammelschwerpunkten wurde stetig ausgebaut. Das betrifft vor allem Themen zu Sozial- und Kulturgeschichte, Zeitgeschichte und Politik. Einen großen Platz nehmen Publikationen zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des antifaschistischen Widerstandes, der DDR, der BRD und der Entwicklung der ostdeutschen Bundesländer nach 1990 ein. Hinzu kommen Bücher aus der Kunst- und Literaturgeschichte, Philosophie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Pädagogik. Die Bibliothek dient der Vermittlung kultureller Anregungen und sachlicher Informationen, dem Studium und der wissenschaftlichen Arbeit sowie der Unterhaltung und Freizeitgestaltung. Sie ist allen Interessenten gebührenfrei zugänglich.
Viele Schriftsteller, Wissenschaftler und Zeitzeugen wurden eingeladen. Zahlreiche Publikationen wurden herausgegeben, u. a. „Kultur ist: zu wagen“ oder „Mehr als eine Straße. Gesichter und Geschichten der Hellersdorfer Promenade“. Im Laufe der Jahre fanden 460 Veranstaltungen mit mehr als 295 Autoren und Referenten statt, es gab 65 Ausstellungen. Dabei kamen Autoren und Leser miteinander ins Gespräch. So hat sich in den Jahren ein niveauvoller Veranstaltungs- und Begegnungsort etabliert, der weit über den Bezirk hinaus bekannt ist und gern genutzt wird
Bereits seit Mitte der neunziger Jahre beschäftigten sich Vereinsmitglieder mit dem Werk des deutschen antifaschistischen Schriftstellers, Malers und Filmemachers Peter Weiss. In der Zeit des Nationalsozialismus floh er aus Deutschland und fand in Schweden Asyl. Besonders sein Hauptwerk „Ästhetik des Widerstands“ war wiederholt Gegenstand von Veranstaltungen in der Bibliothek. Am 10. Mai 2002, dem 20. Todestag von Peter Weiss, erfüllte sich für die Initiatoren und aktiven Vereinsmitglieder ein lange gehegter Wunsch: In Anwesenheit seiner Witwe, Prof. Gunilla Palmstierna-Weiss, und weiterer Vertreter der Internationalen Peter Weiss-Gesellschaft, erhielt die Alternative Bibliothek Hellersdorf den Namen „Peter-Weiss-Bibliothek“. Mit der Namensgebung fand das langjährige Wirken des Vereins Anerkennung.
Trotz des großen Engagements – alle arbeiten ehrenamtlich benötigte der Verein aber auch Finanzmittel, um Kosten wie die Miete zu finanzieren. Nach mehreren Umzügen innerhalb des Bezirks befindet sich die geisteswissenschaftliche Spezialbibliothek in der Hellersdorfer Promenade 24. 2016 wurde der Beschluss gefasst, den Verein zur Förderung der Peter-Weiss-Bibliothek aufzulösen. Damit begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Bibliothek, denn nun musste ein Träger gefunden werden, unter dessen Dach die „Peter-Weiss-Bibliothek“ als Projekt weiterarbeiten konnte. Von Anfang 2017 bis Ende Juni 2023 war das der Verein Agrarbörse Deutschland Ost e. V. Natürlich ging die ehrenamtliche Arbeit wie gewohnt weiter. Doch Ende 2022 wurde die Bibliothek von der Mitteilung überrascht, sich einen anderen Träger suchen zu müssen. Wie es mit der Einrichtung und ihren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen weitergehen sollte, war erst einmal unklar, doch auf Beschluss der BVV Anfang dieses Jahres, die sich geschlossen für den Erhalt der Einrichtung aussprach, begann die Suche nach einem neuen Träger.
Gisela Peter und das Team der „Peter-Weiss-Bibliothek“ waren überglücklich, als sich nach langer Suche der Verein „Roter Baum Berlin“ e. V. UG bereit erklärte, die Peter-Weiss-Bibliothek aufzunehmen. „Schließlich ist unsere Bibliothek ein selbständiges Gebilde und wir sind in der Lage, diese ehrenamtlich zu führen! sagt Gisela Peter. Nun hat das Team die Sicherheit, weiterarbeiten zu können. Mit dem „Umzug“ zum Roten Baum“, können Veranstaltungen in den größeren Räumen des nahe gelegenen Nachbarschaftstreffs „Buntes Haus“ in der Hellersdorfer Promenade 14 stattfinden. Derzeit wird die erste Veranstaltung vorbereitet. Der ehemalige Professor für Kriminalistik an der Humboldt-Universität zu Berlin und freie Autor Frank-Rainer Schurich wird dann zu Gast sein. Es verspricht ein interessanter Abend zu werden.
Gisela Peter und ihr Team sind ausgebildete Bibliothekarinnen, leider sind von ihnen gesundheitlich und altersbedingt nicht mehr alle so fit. Deshalb wünscht sich Frau Peter Verstärkung. Dabei sind Fachkenntnisse nicht erforderlich, doch die Männer und Frauen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, sollten schon eine Beziehung zu Büchern haben. Das Team der „Peter-Weiss-Bibliothek“ freut sich sehr auf die Unterstützung.
Wir wünschen Gisela Peter gute Gesundheit und weiterhin viel Freude und Kraft bei ihrer so wichtigen ehrenamtlichen Arbeit!