Der Kulturring betreibt neben den beliebten Medienpoints, in denen kostenlose Bücher neue Leser finden, auch eine Reihe gut besuchter Veranstaltungsorte und Galerien. Sie machen immer wieder mit sehenswerten Ausstellungen und weiteren Aktionen auf sich aufmerksam. Zum Beispiel „GISELA Freier Kunstraum Lichtenberg“. Die Galerie an der Ecke Gisela-/Münsterlandstraße befindet sich in Laufweite des Nöldnerplatzes, nur eine S-Bahnstation vom Ostkreuz entfernt. Inge Gräber und Heinz-Hermann Jurczek, beide selbst Künstler, organisieren dort seit vier Jahren ein umfangreiches Programm und pflegen Kontakte zu heimischen und internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Zuletzt zeigte GISELA Werke des Tunesiers Halim Karabibene unter dem Titel „Traumhafte Realitäten I und II“.
Auf die neue – alptraumhafte Realität – des russischen Krieges gegen die Ukraine reagierte GISELA mit Ausstellungen, Hilfs- und Kunstauktionen. In Dmytro Goncharenko, der selbst aus der Ukraine stammt, hatten Inge Gräber und Heinz-Hermann Jurczek bereits ein Jahr vor Ausbruch des Krieges einen gut vernetzten Künstler und Kurator gefunden, der mit der GISELA eine neue Brücke zwischen Berlin und Kyjiw aufbauen wollte, um internationale Künstlerinnen und Künstler zusammenzubringen.
Dmytro, Du hast in den vergangenen zwei Jahren einiges in der GISELA bewegt und wir möchten Dich und Deine Arbeit gerne vorstellen. Erzähle uns bitte, woher du stammst.
Ja gerne, ich bin in Krasnyy Lyman, einer Kleinstadt von 21.000 Einwohnern, geboren. Sie liegt im Norden des Oblast Donezk direkt neben dem Nationalpark Swjati Hory. Nur fünfundsechzig Kilometer südlich liegt Bachmut, das wohl die meisten jetzt aus den Nachrichten kennen. Lyman ist fast komplett zerstört.
Im Osten der Ukraine tobt der Krieg zur Zeit ja besonders heftig und grausam. Hast Du dort Verwandte?
Nein, mein Bruder lebt in Kyjiw. Er wohnt dort und hat unsere Verwandten aus Lyman und Bachmut bei sich aufgenommen. Es ist alles extrem stressig. Viele Orte existieren einfach nicht mehr. Nichts ist mehr „normal“.
Und Deine Eltern?
Die sind zum Glück in Deutschland, es war eine große Herausforderung, das zu schaffen, und ich bin sehr froh, dass sie seit vorigem Jahr hier leben. Krieg, das ist eine Sache für junge Leute. Für ältere Leute ist es sehr schwer, sie sind an ihre Häuser und Orte gebunden.
Dort in Lyman bist Du also aufgewachsen und zur Schule gegangen?
Zur Schule bin ich in Bachmut gegangen. Ich besuchte die Musikschule und studierte Gitarre. Es lief parallel und neben dem normalen Schulunterricht wurde ich an der Gitarre ausgebildet. So kam ich schon früh mit klassischer Musik, Kunst und Kultur in Kontakt. Bei der akademischen Abschlussprüfung spielte ich vor der Kommission eine Polonaise von J. S. Bach.
Nach der Musikschule zogen wir 2000 nach Kyjiw. Das war nun „die große Welt“, Kyjiw mit seinen fünf Millionen Einwohnern ist das Zentrum der Ukraine, mit den Randbezirken hat es sogar acht Millionen Einwohner. Dort konnte ich regelmäßig die vielen Galerien besuchen, die es gab. Die moderne Ukrainische Kunstszene nahm zunehmend Kontakte zu westlichen Gruppen auf und es war spannend, was sich da alles entwickelte. Ich besuchte die „Schule 159“, eine öffentliche Schule mit besonderer Ausrichtung auf intensiven Englischunterricht, studierte ab 2000 drei Semester an der Kyiv School of Economics und wechselte von dort auf die Kyiv National University of Culture and Arts, wo ich Sozialwissenschaften studierte.