In dem Moment, wo du dein Inneres auf Autopilot stellst, ist es vorbei

Martina Pfeiffer

Schauspielerin und Autorin Stefanie Kock vermeidet vor allem eins – Routine

Frau Kock, in der Kulturbundgalerie werden Sie am 14. März aus „Single sucht Cover“ lesen. Ihr Roman lässt sich vielleicht am ehesten der literarischen Gattung „Chick-Lit“ zuordnen. Worauf kommt es Ihnen an mit „Single sucht Cover“?
S.K.: Auch wenn ich jetzt den Anschein erwecke, eine Nestbeschmutzerin zu sein: Ich war nie ein großer Fan sogenannter Frauenromane. Außerdem erschienen mir deutsche Frauenromane immer ein bisschen dröge, wie ich als Nordlicht sagen würde. Diese nicht ganz vorurteilsfreie Einschätzung änderte sich schlagartig, als ich auf einer Bahnfahrt von Hamburg nach München den Roman „Mondscheintarif“ von Ildikó von Kürthy las und meine Mitreisenden durch lautes Lachen aus dem Schlaf riss.

Was hat Sie so sehr zum Lachen gebracht?
S.K.: Offenbar fand ich Gefallen an der frechen Selbstironie und den humorvoll skurrilen Schilderungen alltäglicher Sorgen junger Singlefrauen. Dieses angstfreie „Sich selbst auf die Schippe nehmen“ und dabei vielleicht auch mal literarisch über triviale Stränge schlagen, kannte ich bis dato nur aus englischen Romanen der Gattung „Romantic Comedy“. Helen Fieldings Romanheldin Bridget Jones war mir besonders ans Herz gewachsen, nicht zuletzt durch die charmanten Filme mit René Zellweger.

Bridget Jones hat da also etwas angestoßen. Und dann nahmen Sie es selbst mit der erzählerischen Langform auf und haben einen Roman geschrieben.
S.K.: Letzten Endes waren es Ildikó und so einprägsame und verstörende Sätze wie „Der Fuß ist eine weitgehend unerschlossene weibliche Problemzone“, die den Ausschlag gaben, dass ich mich tatsächlich in das Abenteuer „Chick-Lit Roman“ stürzte. Aber wer weiß. Hätte ich damals nicht im ICE von Hamburg nach München mit einem Buch von Ildikó von Kürthy gesessen, sondern mich Kafka lesend auf einer Kutschfahrt durch die Prager Altstadt befunden, ich hätte womöglich „Das Schloss“ vollendet und mein Werk für alle Ewigkeit im Schrank versteckt. Und kein gestörtes Verhältnis zu meinen Füßen entwickelt.

Davon mal abgesehen, was ist aus Ihrer Sicht das Reizvolle an der „Chick-Lit“?
S.K.: Das Reizvolle ist für mich die Leichtigkeit, mit der aus dem Leben junger Frauen erzählt wird. So konnte ich beim Schreiben meines Romans aus eigenen Erfahrungen und denen befreundeter Kolleg*innen schöpfen und diese humorvoll ironisch verfremden. Nachdem feststand, dass ich ein Buch schreiben würde, wollte ich unbedingt über die Showbranche erzählen. Da reist man ständig durch die Gegend, lernt die unterschiedlichsten Leute kennen und gerät in die absurdesten Situationen. Genau diese bunte Vielseitigkeit wollte ich unbedingt in meinen Roman einfließen lassen.

Sie haben am Max Reinhardt Seminar gelernt. War der Geist des Namensgebers an dieser Ausbildungsstätte für Sie immer noch spürbar?
S.K.: Absolut! Ein Zitat aus Max Reinhardts „Rede über den Schauspieler“ hing sogar in Stein gemeißelt in einem der Säle, wo meine Mitbewerber*innen und ich während der Aufnahmeprüfung auf unseren Auftritt warteten. Dessen berühmte Worte haben mich durch das Vorsprechen getragen und beflügelt. Oder, frei nach Max Reinhardt: Ich habe meine Kindheit in die Tasche gesteckt und mich auf und davon gemacht, um bis an mein Lebensende weiterzuspielen.

Klaus Maria ­Brandauer, er war einer Ihrer Schauspiellehrer, machte einmal die Bemerkung, für ihn sei Schauspielerei auch Beißen und Zwicken. Wie kommt das bei Ihnen an?
S.K.: Nun, da hat er Recht. Als Schauspieler musst du raus aus deiner Komfortzone und dich auf unbekanntes physisches und psychisches Terrain begeben. So hat der Schulleiter uns Neuen in seiner Ansprache unmissverständlich klargemacht: „Ihr werdet hier durch Höhen und Tiefen gehen, ihr werdet lachen und weinen und immer wieder verzweifeln. Und genau das braucht es, damit ihr euer Potenzial entfalten könnt.“ Das klang nicht nur wie eine Drohung, das war auch eine. Was Außenstehende oft nicht ahnen: Schauspiel ist Schwerstarbeit. In dem Moment, wo du dein Inneres auf Autopilot stellst, ist es vorbei. Routine ist der Tod jeder Kunst.

Robert de Niro meinte ja mal, er könne auch ein Schnitzel spielen. Aber warum gleich so extrem? Hätten Sie Lust darauf, mal eine „Hosenrolle“ zu spielen?
S.K.: Also, Robert de Niro würde ich gerne mal als Schnitzel erleben. Erst Taxifahrer, dann Pate und jetzt weichgeklopft und schön paniert. Die Hosen, nun, die hab ich ja eigentlich schon zuhause an ;-) Aber klar, warum nicht? Es muss ja nicht immer das liebreizende Lächeln im Reifrock sein. Ich spiele auch gern mal die wilde Amazone, die rätselhafte Androgyne oder die freche Burschikose. Ich würde auch Hamlet spielen. In letzter Zeit wird in unserer Gesellschaft ja viel über Diversität gesprochen, darüber, was wir sein dürfen, sein können. Wir Schauspieler*innen leben diese Vielfältigkeit ja schon von Berufs wegen. Gestern waren wir noch Prinzessin, heute sind wir Bettlerkönig und morgen vielleicht ein hartgekochtes Frühstücksei. In diesem Sinne: Guten Appetit!

Nach der Schauspielschule schloss sich bei Stefanie Kock eine Musicalausbildung an der Stella R1-Academy in Hamburg an. Sie belegte den ersten Platz beim Andreas-Mokros-Gesangswettbewerb und war Siegerin im Landeswettbewerb Schwerin für Musical & Chanson. Gast-Engagements u.a. am Thalia-Theater, Ernst-Deutsch-Theater, Berliner Ensemble folgten. Die Künstlerin war und ist Solistin in zahlreichen Musicals: Ludwig², Falco meets Amadeus, Das Mädchen Rosemarie, Die Päpstin, Zeppelin etc.

In der Kulturbundgalerie liest sie am 14. März um 19 Uhr aus ihrem Roman „Single sucht Cover“, musikalisch unterstützt von Alexander Kerbst. www.stefanie-kock.de.

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