Wie sehr habe ich mich gefreut, als Julia Runge anfragte, ob wir kurzfristig die Trägerschaft für ihr Fotoprojekt „Reframe“ Berlin-Windhoek (Namibia) übernehmen könnten. Persönlich war ich davon so angetan, weil es mich an den Aufbau der Medienschule für junge Menschen in Addis Abeba erinnerte, gleichzeitig aber auch den Grundgedanken des Kulturring widerspiegelt: Menschen Raum und Unterstützung in verschiedensten Kulturprojekten zu geben, in denen sie sich einbringen und verwirklichen können.
„Durch professionelles Training sollen jungen namibischen Fotograf*innen die Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um ihre eigenen Geschichten erzählen und sichtbar machen zu können. Durch ihre Diversität und Lebensrealitäten entstehen neue Bilder und Geschichten, die Berichte aus erster Hand sind, statt Erzählungen fremder Journalisten und Fotografen“, schreibt Julia Runge in ihrem Konzept. Dabei greift sie bewusst auf die deutsch-namibische Geschichte zurück und geht mit Hilfe der Erzählungen bewusst in die Tiefe. Missstände werden sichtbar, tiefe Gräben durch Austausch überwunden. Diese Gedanken verbinden sich auf spannende Weise mit unseren Erfahrungen im EU-Projekt „shifting walls“. Junge Menschen arbeiten dort zusammen mit Zeitzeugen Erlebnisse auf, um sie zu europäischer Geschichte zu verweben.
Das Zuhören und der Austausch war und ist schon immer die Basis der Verständigung. Hierbei werden Perspektiven erörtert, neues erfahren und über den eigenen Hintergrund hinaus reflektiert. Genau dies erlebten wir auch bei anderen internationalen Kulturring-Projekten, wie zum Beispiel beim Austausch des Colorclubs Berlin-Treptow mit dem Kunstverein der Partnerstadt Albinea (Italien), bei vielen Ausstellungen in der Fotogalerie, den Kunstauktionen in der GISELA mit Künstlerinnen und Künstlern aus der Ukraine oder bei der Mini-Print-Ausstellung im Studio Bildende Kunst.
Aber auch unsere „Kulturhauptstadt“ Berlin wird immer internationaler. Für die Teams unserer Einrichtungen ist dies eine echte Bereicherung. Es entstehen neue Projektinhalte, Eingefahrenes wird überdacht. Das Berliner Tschechow-Theater verfolgt den Ansatz des Austauschs und der Integration mit seiner deutsch-russischen Tradition bereits seit mehr als zwanzig Jahren. Vielleicht sind wir gerade an einem Punkt angekommen, wo wir genau diese Vielfältigkeit anderer Sichten benötigen, um voranzukommen. Mit Offenheit und Freiraum. Lassen wir Neues und Ungewohntes zu.
In diesem Sinne können wir uns auf vielerlei Veränderungen in den kommenden Jahren freuen.