Neues aus der Schreibwerkstatt Friedrichsfelde

Dr. Heinz Schaffner

Die „Schreibwerkstatt Friedrichsfelde“ bildet seit Mitte 2015 eine eigenständige Gruppe innerhalb des Kulturring in Berlin e. V. Sie ist aus dem zu diesem Zeitpunkt aufgelösten Lichtenberger Kulturverein e. V. hervorgegangen, in dessen Rahmen sie 1999 gegründet wurde, sie besteht also schon 21 Jahre. In ihr haben sich fünfzehn Laienautoren zusammengefunden, die Freude am Schreiben von kurzen Texten und Gedichten sowie am Vorlesen dieser Texte in der Gruppe haben. Eine professionelle Unterstützung durch Literaturwissenschaftler oder andere Literaturprofis wurde von Anfang an verworfen und findet bis heute nicht statt. Die Gruppe trifft sich jeden Monat einmal, wobei die einzelnen Mitglieder ihre neu geschriebenen Texte vorlesen, anschließend wird (mehr oder weniger) darüber diskutiert. Diese vorgelesenen Texte werden jeweils in einer kleinen Broschüre zusammengefasst, diese Broschüre kann dann zum Selbstkostenpreis von 2 Euro erworben werden. Mit Heft Nr. 1 (Januar 1999) beginnend, sind wir derzeit bei Heft Nr. 247 (Februar 2020) angekommen.

Die Gruppe, die seit Mitte 2005 von mir geleitet wird, setzt sich vorrangig aus älteren Personen zusammen, immerhin haben wir mit Dora Schoppe und Gerhard Naumann noch zwei Gründungsmitglieder unter uns. In der Vergangenheit haben wir auch des Öfteren öffentliche Lesungen durchgeführt, dies erwies sich im Rahmen des Kulturrings aber mangels Interesse als schwierig. Die Themen, die von unseren Mitgliedern behandelt werden, sind sehr vielgestaltig. Natürlich beschreiben viele Ereignisse aus ihrem eigenen Leben, aber auch politische Themen. Kommentare, Reisebeschrei­bungen und erfundene Geschichten werden gern geschrieben. Wenn ein Mitglied mal einen längeren Text geschrieben hat, dann wird dieser in mehreren Fortsetzungen in den Lesungen behandelt.
Gegenwärtig sind wir mit den von uns selbst festgelegten maximal fünfzehn Mitgliedern voll ausgelastet. Das heißt aber nicht, dass interessierte Personen nicht als Gäste an unseren Lesungen teilnehmen können. Diese finden immer am dritten Donnerstag im Monat bei dem Verein „Miteinander wohnen“ in der Volkradstraße 8, 10319 Berlin, statt. Eine Vorankündigung der gewünschten Teilnahme unter der Telefonnummer 030-51 21 902 ist hilfreich.

Der folgende Text von Dora Schoppe (die ihre Arbeiten unter dem Pseudonym „Schodo“ veröffentlicht) mit dem Titel „Eine Methode zur Steigerung der Produktion?“ erschien bereits im Heft 218 (Juli 2017). Dora Schoppe ist Jahrgang 1937, eines der zwei noch aktiven Gründungsmitglieder der Schreibwerkstatt; sie arbeitete früher beruflich als Ingenieurin und ist neben ihren schriftstellerischen Ambitionen eine sehr versierte Malerin, was sie auch auf Ausstellungen bewies:

 

Eine Methode zur Steigerung der Produktion?

Am Rande von Berlin in der Nähe von Feldern, Friedhof, Baumschule und Wald haben wir ein Grundstück. Durch diese Lage ist es verständlich, dass sich viele Tiere einstellen, zumal zwischen den Grundstücken die Zäune durch Hecken ersetzt sind. Da kommt es schon vor, dass auf den Grundstücken ungewöhnliche Dinge geschehen. In der Nacht poltert es vor dem Haus, und am Morgen entdecken wir, dass die Sammelbehälter für Plaste und Papier umgestoßen und ausgeräumt sind. Es muss ein großes Tier gewesen sein. Zum Glück hatten wir am Abend vorher die vollen Säcke ausgetauscht, sodass nur ein Joghurtbecher aufgesammelt werden musste. Nach der nächsten Nacht waren von vier miteinander durch Schläuche verbundenen Regentonnen (à 200 Liter) drei Tonnen leer. Das Staunen war groß! Ein Tier hatte aus einer Tonne den Schlauch heraus­gezogen, und so konnte das Wasser aus drei Tonnen auslaufen. Welches Tier spielt hier? Es sollte sich bald herausstellen.

Vor der Haustür wurden auf dem Podest bis vor kurzem immer die Haus- und die Gartenschuhe gewechselt, sodass immer zwei Paar Schuhe vor der Haustür standen. Als einmal am Abend Besuch kam und man sich im Vorgarten längere Zeit unterhalten hat, fanden wir danach vor dem Haus nur noch drei Hausschuhe. Es konnte nur ein Tier gewesen sein, alles Suchen im Garten war vergebens. Wir wollten unsere Nachbarn nun nicht mehr stören und verschoben es auf den nächsten Tag. Mein Mann lässt trotzdem seine Gartenschuhe über Nacht vor der Tür stehen, und am nächsten Morgen fehlt auch davon ein Schuh und die Sammelbehälter sind umgestoßen und ausgeräumt. Am Vormittag machten wir nun die Runde bei unseren Nachbarn. Wir sahen, wie es mir vorkam, in manche schadenfroh lächelnde Augen wenn sie antworteten: „Ach bei Ihnen auch? Wir haben unsere Schuhe auch nicht wiedergefunden“ oder „Jetzt hat der Fuchs bei Ihnen auch zugeschlagen?“

Wir erfahren, dass die Füchse in der Gegend hausen und auf dem Friedhof ihre Beute verstecken, dort werden sie eingesammelt und auf einem Zaunpfeiler in einem Karton aufgehoben. Eine Nachfrage auf dem Friedhof brachte auch keinen Erfolg. Der Karton mit den Einzelschuhen wurde nach dem letzten Regen in einen Müllcontainer entsorgt. Einer Friedhofsgärtnerin haben sie am helllichten Tag einen teuren Schuh vor der Tagesunterkunft gemopst, auch sie hat ihn nicht wiedergefunden. Es gibt in der Gegend mehrere Fuchsbaue (in der Baumschule, auf einem leerstehendem Grundstück und auf der anderen Straßenseite bei der Firma H.), wenn sie die Schuhe mit in den Bau nehmen, dann kommt man nicht mehr an sie heran. Bei unserer weiteren Umfrage lachte ein Nachbar herzlich auf und meinte: „Wir haben damit kein Problem, da wir von unserer Veranda aus, in der wir auch unsere Schuhe wechseln, die Füchse beobachten können. Der Rüde stolziert wohl gepflegt und lässig über das Feld und legt sich in die Sonne, das Weibchen sieht völlig heruntergekommen aus, läuft nur auf drei Beinen und muss das ganze Rudel mit Futter versorgen, und die Jungen spielen mit den geklauten Schuhen. Über der Straße wohnt eine Familie, die ihren beiden Kindern nicht beibringen kann, dass man die Schuhe nicht auf der Wiese ausziehen soll, dadurch müssen sie ständig neue Schuhe kaufen.“

Es war also nicht mehr nötig, weiter nach den Schuhen zu suchen, und wir müssen, wie alle anderen bestohlenen Leidgenossen, neue Schuhe kaufen. Eins ist mir aber noch nicht klar, wie die Schuhindustrie zur Steigerung der Eigenproduktion die Füchse trainiert hat.
Dora Schoppe

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