Inspiriert von der Schönheit der Natur

Dagmar Steinborn

Ein Porträt der Keramikerin Birgit Wiemann

Das Atelier von Birgit Wiemann liegt etwas versteckt im Ortsteil Biesdorf in der ruhigen Eckermannstraße. Seit 1982 lebt die Künstlerin hier mit ihrer Familie; in der Zwischenzeit nur noch mit ihrem Mann – Sohn und Tochter sind längst erwachsen. Kaum hat man das Grundstück betreten, ist man umgeben von Natur und Kunst. Überall sind große, kleine, fertige und unfertige Kunstwerke zu entdecken. Sie stehen auf dem Rasen, lehnen an Baumstämmen oder hängen in den Obstbäumen – eine Freilandausstellung. Der große naturbelassene Garten bietet Birgit Wiemann alles, was sie für ihre kreative Tätigkeit benötigt: Ruhe, Platz, Licht und die Möglichkeit in der Werkstatt, die sich im hinteren Teil des Gartens befindet, die Ideen handwerklich und künstlerisch umzusetzen. Säcke voller Ton müssen trocken gelagert werden. Die Töpferscheibe und der große Brennofen stehen hier.  Regale, die bis zur Decke reichen, sind angefüllt mit ganz unterschiedlichen Gegenständen aus Keramik. Sie zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, das Material zu verarbeiten, z. B. Teller, Tassen, Schüsseln, Kannen, Vasen und vieles mehr.

Beeindruckend sind die Tonreliefs mit Abdrücken von Pflanzen, Kleintieren, Baumrinden und anderen Naturmaterialien. Sie spiegeln die Schönheit der Natur wider. Auf ihren Spaziergängen durch die Wälder der Umgebung findet Birgit Wiemann oft besondere Wurzel- oder Holzstücke. Mit ihrem geschulten Blick erkennt die Künstlerin sofort, ob die Fundstücke Potenzial für ein individuelles Kunstwerk haben. Überhaupt spielt für Birgit Wiemann die Natur eine elementare Rolle. Doch auch beim Lesen, einem großen Hobby von ihr, bei Beobachtungen und auf Reisen lässt sie sich inspirieren. Beispielsweise im Raku Museum in Kyoto. Dieser Museumsbesuch hinterließ einen bleibenden Eindruck: „Der Rakubrand ist eine japanische Brennart, die viel Raum für kreative Gestaltung gibt. Bei 900° C werden die Exponate gebrannt, dann mit speziellen Glasuren überzogen, in den gasbetriebenen Freilandofen gesetzt und auf 1050° C erhitzt. Nach dem Öffnen des Ofens werden die Stücke noch glühend entnommen. In geschlossenen Töpfen kühlen sie unter Entzug von Sauerstoff ab. So entstehen bei den Glasuren Lüstereffekte oder interessante Rissbildungen. Dadurch ist das Ergebnis immer eine Überraschung." (B.W.)

Dass sie einmal Keramikerin werden würde, hatte Birgit Wiemann nicht geplant. Die gebürtige Berlinerin studierte nach dem Abitur Bauwesen. Anschließend arbeitete die Diplom-Ingenieurin in der Denkmalpflege. „Das hat mir Spaß gemacht. Besonders die Restaurierungen mit alten Materialien hatten es mir angetan. Allerdings war es zur damaligen Zeit in den 1980er Jahren sehr mühsam an das entsprechende Material zu kommen. Immer und immer wieder musste ich mich darum kümmern, bis es endlich weiter gehen konnte“, erzählt sie. Zum Töpfern kam sie durch Zufall. Eine zeitweise bei ihr untergestellte Töpferscheibe war der Anlass, es einfach einmal auszuprobieren. Dass es funktionierte, spornte sie an. In der Folge besuchte sie zielgerichtet Kurse u.a. bei der Volkshochschule. Birgit Wiemann lernte, probierte und experimentierte. So entwickelte sie ihre eigene Handschrift. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen gibt sie gerne weiter. Waren es zunächst Kurse für Kinder, bot sie später auch spezielle Kurse an wie die Herstellung „Afrikanischer Kochgeschirre“. Heute ist sie freiberufliche Künstlerin, die sich einen Namen als Keramikerin gemacht hat.

Noch bis Ende Oktober kann man Werke von Birgit Wiemann im Saal der Empfänge in den Gärten der Welt anschauen. Dort stellt die 2010 gegründete „FrauenKunstKarawane“ aus, der sie angehört. Titel: „Illusionen.“ Das Potenzial dieser Gemeinschaft liegt in der Dynamik des Miteinanders, des Andersseins und in der unterschiedlichen künstlerischen Umsetzung des Alltäglichen und Besonderen, eben aus Sicht von Frauen. Zudem stellt sie in der Galerie Café Bachmann in der Siegmarstraße 66 noch bis zum 20. November ihre Werke aus. „Frisch frisiert“ ist der Ausstellungstitel. Gern öffnet die Keramikerin ihre Werkstatt für Interessierte. Dort kann man die aparten Einzelstücke aus ihrer Hand erwerben. Beim "Tag der offenen Ateliers" im Juni 2023 ist sie, wie jedes Jahr, dabei. Ebenso beim "18. Tag der offenen Töpferei" in Berlin-Brandenburg am 11. und 12. März 2023.

Derzeit in Vorbereitung: eine neue Ausstellung, die den Titel „Was bleibt“ trägt. Zusammen mit der Künstlerin Ingrid Engmann wird die Retrospektive aus Anlass des 70. Geburtstages von Birgit Wiemann im „Ausstellungszentrum Pyramide“ vom 20.11.2022 bis 20.01.2023 gezeigt.

Die Künstlerin hat noch viele Pläne. Dank ihrer Ingenieurausbildung konstruiert sie extravagante Gegenstände, die gern einen praktischen Wert besitzen können. So arbeitet sie gerade an der Gestaltung einer beheizbaren Badewanne, inspiriert durch die Wannen des Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Das Objekt soll seinen Platz im Garten der Kunstschaffenden finden. Auch dies ganz bestimmt sehenswert!

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