"Wir haben da einen enormen Sanierungsbedarf" - Kulturstadtrat Torsten Kühne steht Rede und Antwort

Karl Forster

Im Frühjahr 2021 hatte der Kulturkalender Marzahn-Hellersdorf über die Vorstellungen der Parteien zur Kulturentwicklung im Bezirk berichtet. Auch die CDU hatte ihre Vorstellungen dazu entwickelt. Nun wollten wir vom neuen Kulturstadtrat Dr. Torsten Kühne wissen, wie er – gut ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt – die Kultursituation im Bezirk einschätzt. Und darüber hinaus erfragen wir, was er tun wolle, um die Kultur in Marzahn-Hellersdorf weiterzuentwickeln.

Kühne, Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Weiterbildung, Kultur und Facility Management, ist zwar relativ neu im Bezirk, doch nach eigenen Aussagen ist ihm die Situation durchaus bekannt. Bereits im Bezirk Pankow war er mit ähnlichen Aufgaben betraut (2011-2016 Bezirksstadtrat für Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice; 2016-2021 Bezirksstadtrat für Schule, Sport, Facility Management und Gesundheit) und beobachtete die gesamte Kulturszene Berlins.

Natürlich, so Kühne, habe die Pandemie gravierende Auswirkungen auf die Kulturpolitik im Bezirk gehabt. Allerdings konnten einige pandemiebedingte Einschränkungen auch mit Unterstützung durch Landesprogramme überwunden werden. In seinem Arbeitsbereich, so Kühne, gebe es neben dem direkten Bereich Kultur auch viele Schnittmengen mit den anderen Fachbereichen des Bezirkes, beispielsweise bei den Kulturimmobilien, aber auch bei der kulturellen Bildung. Zwar konnte er in der Zeit seit Amtsantritt im November 2021 noch nicht alle kulturellen Einrichtungen des Bezirkes aufsuchen, er habe aber doch schon durch seine früheren Funktionen einen Überblick über die Kultursituation im Land Berlin. Für die Entwicklung im kommenden Winter seien erneut Auswirkungen im Kulturbereich zu befürchten, bedingt durch die Pandemie wie auch durch die anstehende Problematik der Energieversorgung,

Was ihm besonders Sorge bereite, sei vor allem der Zustand der Kulturimmobilien. Kühne: „Wir haben da doch einen enormen Sanierungsbedarf.“ Es werde viel über den Sanierungsbedarf an Schulen gesprochen, aber bei den Kulturimmobilien sehe es nicht besser aus. „Hier haben die harten Sparjahre deutlich ihre Spuren hinterlassen“.  Ein „Leuchtturm“ sei das Schloss Biesdorf, das wunderbar saniert werden konnte. Der Standort habe sich auch von Seiten der Nutzerzahlen prächtig entwickelt. Viele andere Objekte hingegen seien in schwierigem Zustand. Es gebe allerdings in einigen Fällen schon konkrete Planungen, beim Kulturgut Marzahn beispielsweise. „Hoffentlich kann es da nächstes Jahr losgehen. Aber heutzutage Bauen ist ja immer ein Abenteuer“. Kühne würde gerne auch im Falle des Theaters am Park aktiv werden, mit der Finanzierung sei jedoch noch nicht alles in trockenen Tüchern. 

Neben den Bestandsimmobilien müsse aber auch beachtet werden, dass der Bezirk nicht flächendeckend mit Kultureinrichtungen versorgt sei. Er denke da besonders an die Siedlungsgebiete Mahlsdorf, Kaulsdorf, Biesdorf. Hier stelle er sich vor, durch gemeinsame Nutzung von Kulturorten, mit kultureller Bildung oder Stadtteilzentren etwas zu erreichen.

Wichtig sei auch die Stärkung der „freien Szene“. Es gäbe im Bezirk durchaus eine aktive Künstler-Szene, die aber noch nicht stadtweit bekannt sei. Dafür wolle er werben, denn bekanntermaßen werde die Situation in der Stadtmitte für Ateliers und Galerien schwierig. Für sein Anliegen bestünden aber gute Möglichkeiten im Bezirk. Kühne: „Ich muss da betonen, dass wir nicht weit weg von Mitte sind“. Gerade mit Unterstützung des Atelierprogramms sei im Bezirk einiges möglich: "Ich sehe da eben nicht nur unsere eigenen Angebote, sondern die Frage, wie können wir die freie künstlerische Szene stärken.“

Angesprochen auf die Diskussion zur Entwicklung des Bezirksmuseums (das einzige Bezirksmuseum Berlins, das gerade am Wochenende geschlossen ist) und Vorhaben im Zuge der Entwicklung des Kulturgutes zu einem Museumsstandort äußerte Kühne sich ebenfalls. Es gehe u.a. dort um Pläne, Einrichtungen wie das Kurt-Schwaen-Archiv zu berücksichtigen. Kühne verwies darauf, dass es nicht nur die bei dem Sanierungsstau wichtige Finanzierungsproblematik gebe, sondern auch die personellen Ressourcen stark begrenzt seien.

„Wir können ja nicht nur die Türen aufsperren, sondern es müsste dann auch ein Mitarbeiter vor Ort sein.“ Er sehe durchaus, dass – auch auf Landesebene – bei der Frage zusätzlichen Personals die kulturelle Ebene nicht immer vorne dran sei.  Auf die Frage nach Terminumschichtung (Schließtag unter der Woche, um am Wochenende zu öffnen) argumentierte Kühne sofort mit den fälligen Zuschlägen. Das könne mal im Einzelfall gehen, aber flächendeckend reiche die personelle und finanzielle Ausstattung dafür nicht aus. Im Hinblick auf Kulturgut gehe es jetzt nur um eine Teilsanierung. Bei den Finanzen sei es doch weiter so, dass sich der Kulturbereich „hinten anstellen“ müsse.

Insgesamt zeigte das Gespräch, dass Stadtrat Kühne die Priorität auf den Erhalt der bezirklichen Kulturimmobilien legt. Für konkrete Vorstellungen zu einer vielfältigen Entwicklung des kulturellen Angebots im Bezirk, über die aktuellen Probleme hinaus, gibt es wohl noch Entwicklungspotenzial. Immobilien durch freie Träger bespielen zu lassen, wie früher das Kulturforum durch den Kulturring, dies sei, so Kühne, nicht mehr möglich. Es müssten heute „marktübliche Mieten“ verlangt werden.

Kultur in ihrer Vielfalt findet nicht nur in den kommunalen Kultureinrichtungen des Bezirkes statt, sondern auch kieznah (in Stadtteilzentren, Kirchen, Begegnungsstätten, Mietertreffs, freien Galerien, gewerblichen Einrichtungen, Open Air…), oftmals organisiert, koordiniert und finanziert von Künstler:innen und Freien Trägern. Letztlich kann ein kulturvolles Leben im Bezirk nur im Miteinander aller Akteure gelingen!

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