Nordkorea – eine Fotoshow der besonderen Art

Hannelore Sigbjoernsen

Bei meiner Ankunft zur Ausstellungseröffnung am 15. Juli in der Helsingforser Straße fielen mir zunächst ein ganz in Weiß gekleideter Herr und ein Baby im Arm einer Frau auf, jüngstes Mitglied der Familie Taubert, wie ich später erfuhr. Dann stellte Felix Hawran, der seit einigen Jahren die Galerie leitet und immer wieder für Höhepunkte im Ausstellungsgeschehen sorgt, den Foto­grafen vor.

Noch während der Worte von Andreas Taubert, wann, wie und unter welchen Umständen die Aufnahmen entstanden, fiel mir spontan ein: „Sieh’ an, jede Diktatur hat ihre Löcher.“ In der DDR führten sie letztendlich zum Mauerfall.
Das in der kultur.txt für Juli/August veröffentlichte Foto machte schon neugierig: Ein in simpler, nordkoreanischer Uniform gekleideter Soldat im Vordergrund, links und rechts vor Baracken seine Mitkämpfer. Im Hintergrund drei martialisch ­aussehende Zeitgenossen, einer von ihnen mit einer herunterhängenden Waffe, die sofort einsatzbereit scheint. Durch die Bildmitte auf dem Boden geht der Grenzstreifen zwischen Nord- und Südkorea. In meinem Kopf: „Wer hat hier eigentlich vor wem Angst?“

Die Bildblicke von A. Taubert erinnern mich an viele Aufnahmen, die von fachkundigen Kollegen in den schon maroden Jahren der DDR-Macht entstanden sind: Nichts und niemanden mit der Kamera verletzen, aber aufzeigen, wo man genau hinschauen soll. Das Berufsethos für ihn und  seine Kollegen. Eine Kamera ist keine Waffe, sie ist den Fotografen aber in die Hand gegeben, damit jeder mit Hilfe der Ablichtungen das sehen kann, was dem schnellen Alltagsblick nicht auffällt, nicht auffallen soll oder darf.

Andreas Taubert hat sein Handwerk in der DDR gelernt. Nach 1989, während mehrerer Reisen in den 1948 als „Demokratische Republik“ proklamierten Norden der Korea­nischen Halbinsel, traf er hier und da und dort auf Menschen, die das kleine Ländle jenseits der westlichen Welt kannten – sie hatten in der DDR gelernt oder dort sogar studiert. Beide Länder verstanden sich in ihrer Ideologie und pflegten regen Austausch. So gab es während der ­Aufenthalte des Fotografen in Nordkorea manchmal Anknüpfungspunkte in gemeinsamen abend­lichen Gesprächen in einem Restaurant oder anderswo. Man vertraute sich gegenseitig. DDR-Jahre hatten A. Taubert gelehrt, an seine Begleiter, die in der Mehrzahl eine Aufpasserfunktion hatten, keine Fragen zu stellen, aber den Moment mit der Kamera festzuhalten, der mehr aussagte, als jede parteipolitisch geschulte Antwort, die er bekommen hätte.

Er liebt dieses Land, bringt viel Verständnis für die Menschen dort auf, für ihr Verhalten und ihre Loyalität gegenüber der Macht. Alles ist so unähnlich nicht dem, was er in der DDR erlebt hat. Er hat den großen Wunsch und die Hoffnung, mit seinem Engagement die Welt für dessen Bewohner ein wenig mehr zu öffnen. Er möchte Botschafter für sie sein, sammelt Geld, wirbt um Mitstreiter, zum Beispiel um mit ihnen gemeinsam im nächsten Jahr nach Nordkorea zu reisen. Er wünscht sich, dass viele Touristen den Norden des Landes kennenlernen; dass man über die Geschichte, die Tragik der Teilung der Halbinsel und die der dadurch betroffenen Menschen viel erfährt, über das Leben dort und heute. Kennenlernen bedeutet Austausch, ­Blicke öffnen, Horizonte sichtbar machen. Der Fotokünstler weiß aus eigener Erfahrung, dass nur von innen, aus dem eigenen Willen heraus, Veränderungen möglich sind. Das war in „seiner Repu­blik“ nicht anders.
Das Gros der Fotoarbeiten früherer Jahre von Andreas Taubert befindert sich inzwischen im Besitz der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Ausstellung in der Fotogalerie wurde durch sie unterstützt.

Der Tagesspiegel berichtete am 20. Juli und die Berliner Zeitung ganzseitig am 1. August über die Ausstellung in der Fotogalerie Friedrichshain. Leider wurde nicht erwähnt, dass die Galerie seit 22 Jahren zum Kulturring in Berlin gehört. Zum Künstlergespräch am 4. August war sie fast überfüllt. Die Berichterstattung hatte Interesse geweckt. Es war ein großer Abend. Überraschend, dass viele der Anwesenden Nordkorea  aus früheren Zeiten wie aus der Gegenwart kannten. Noch beeindruckender aber, mit welchem Respekt man über die Lebens- und Aufbauleistungen, trotz aller Umstände,  der nordkoreanischen Menschen sprach und wortreich unterstrich, was die Bilder von Andreas ­Taubert zeigen.

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