Für eine Pause war keine Zeit

Christel Schemel

Oft ist es gut, nicht aufzugeben. Das lange Ringen um die Rettung des berühmten Nicaragua-Giebelwandgemäldes hat sich gelohnt. Eine der wichtigsten Taten, ehe Grundsatzentscheidungen getroffen wurden, war das wissenschaftliche Gutachten des renommierten Kunsthistorikers, Michael Nungesser. Die Fakten, die er vermittelte, waren für den Senat und Stadtbezirk ausschlaggebend. Der Bezirksbürgermeister von Lichtenberg entschied: Das Nicaragua-Giebelwandgemälde wird restauriert! Zuvor hatte die Bürgerkunstinitiative 60.000 Euro vorzuweisen. Das war ihr gelungen. Die erste Restaurierungsphase 2019 wurde somit zur Hälfte von der „Initiative Wandbild“ (Sponsorengelder und Spen­den) und die andere Hälfte vom Bezirk Berlin-Lichtenberg (Rücklaufgelder aus dem Bezirkshaushalt 2018) finanziert. Für die zweite Phase stellte die Stiftung Berliner Klassenlotterie vollständig die Mittel bereit, mit der Maßgabe, sie im Jahr 2020 für die Restaurierung einzusetzen.

Das Unerwartete für alle jedoch geschah: Eine Pandemie breitete sich in der Welt aus. Sollte nun alles umsonst gewesen sein, stand das Projekt auf der Kippe?

Trotz einer dramatischen Situation hatten wir Mut und Glück. Die Restaurierung fand ja im Freien auf dem Gerüst statt, und alle Beteiligten hatten somit weniger strenge Covid-19-Hygieneauflagen einzuhalten. Baustellen-Betreuung, Auftragskontrollen, Abrechnungen und Sponsoren-Werbung ließen sich auch unter Pandemiebedingungen realisieren. Nach einer zweijährigen, für die Initiative pausenlosen Restaurierungsphase, feierten wir mit den Restauratorinnen am 27. August 2020 auf dem Monimbó-Platz die Einweihung des Kunstwerkes. Frau Dr. ­Reisch repräsentierte den Kulturring und überbrachte Glückwünsche. Auch die Diplom-Fotografin und Journalistin, ­Gabriele Senft, seit 35 Jahren Fotochronistin der Geschichte des Nicaragua-Giebelwandgemäldes, krönte das Fest. Es folgten unsere Beteiligung an der „Langen Nacht der Bilder“, dann die Errichtung eines Hochzaunes um den Vorgarten und einer Stacheldrahtsicherung auf dem Dach.

Bis in das Jahr 2021 hinein war noch viel zu tun. Die Restauratorinnen wurden von der Botschaft der Republik Nicaragua feierlich ausgezeichnet. Sie legten ein zweibändiges Dossier über die Restaurierung des Nicaragua-Wandbildes in deutscher Sprache in fünf Exemplaren vor. Unbedingt erwähnenswert ist, dass Lisa Kurze, Absolventin des Restauratorinnen-Studiums an der Fachhochschule in Potsdam, am Wandbild mitarbeitete und eine Bachelor-Arbeit über das Nicaragua-Wandbild mit dem Prädikat „Sehr gut“ schrieb. Die erfolgreiche Verteidigung ihrer Arbeit erlebten wir – aktiv – mit.

Aufgaben, die bis ins Heute reichen

Auch die Stele zum Wandbild wurde 2021 restauriert. Historische Fotos wurden aufgeklebt und versiegelt. Das Wandgemälde erhielt zwei unverzichtbare Informationstafeln. Der Vorgarten, der während der zweijährigen Restaurierung zu 45 Prozent zerstört wurde, ist von uns neugestaltet worden und wird natürlich ständig weiterhin gepflegt. Das Blumendreieck auf dem ­Monimbó-Platz erhielt eine schöne Umzäunung. Seitdem laufen die Anwohner nicht mehr durch die Pflanzen. Seit 2004 meistert Schorsch Brozek (87 Jahre), ehrenamtlich, die Begrünung auf dem ganzen Monimbó-Platz und im Vorgarten. Unrat, Betonbrocken, rostiges Gestänge usw. entfernte er und pflanzte anschließend Sträucher und Stauden. Als Gründungsmitglied der Initiative vor über 17 Jahren ist er vielen ein Vorbild. Der Rückbau der Baustelle bleibt nachhaltig: Viel des guten Holzmaterials wurde nicht entsorgt. So erhielt die Grundschule am Wilhelmsberg eine Wind- und Schallschutzwand für den Schulhof. Der „mbd-Bauservice“ transportierte die schweren Teile zur Schule und errichtete die Wand. Alles im Sponsoring. Die „Baugerüst Tisch GmbH“ sponserte dicke Platten und Kanthölzer, die unter anderem für die Einschalung des Baugerüstes notwendig waren. Das Material lagert noch in der Schule, aber im Frühjahr werden daraus Hochbeete im Schul-Gemüsegarten entstehen. Die ersten Mohrrüben, die dann gut wachsen können, erhalten natürlich Herr Baltruschat und Herr Tisch im Juni 2022.

Auch der jüngste Freundschaftsbesuch der Autorin in Nicaragua, in Monimbó, bringt Zukunftssicht. Der „SV Lichtenberg 47 e. V.“ sponserte für drei Jungen-Fußballmannschaften komplett Fußball-T-Shirts. Klaus Baltruschat, Mitglied der Initiative, übergab für die Mädchen-Fußballer schicke Wettkampfhemden. Die „Los Miguelitos“ (ein Kindermalzentrum) erhielten eine größere Geldspende vom Förderverein der Grundschule am Wilhelmsberg. Dafür brachte die Autorin ein schönes Bild „Freundschaft“ nach Berlin zurück. Es wird noch eingerahmt und dann im Frühjahr feierlich den Kindern in der Grundschule überreicht.

Der Plan 2022 enthält viele Vorhaben. Ein Bildband „Lebenswerke des Malers Manuel García Moia“ wird geschrieben. Bis zum Fest im Sommer soll er fertig sein. Im Rathaus soll eine Werbeveranstaltung für die Mitarbeit in der Initiative Wandbild stattfinden. Die Tochter Maria Elena García des Künstlers Manuel G. Moia, beide wohnen in Frederick (USA), wurde eingeladen. Vielleicht gelingt es, in diesem Jahr eine Städtepartnerschaft von Berlin-Lichtenberg mit Masaya-Monimbó anzubahnen.

Wir sind zuversichtlich, dass auch das Jahr 2022 tatenreich bleiben wird. Es hat ja schon am 20. Februar 2022 auf dem Monimbó-Platz mit einer Wandbildführung und feierlichen Gedenkfeier zu Ehren der Märtyrer und Helden des Monimbó-Aufstandes und des Nationalhelden Nicaraguas, A. C.  ­Sandino, begonnen. Das Nicaragua-Giebelwandgemälde reflektiert diesen schicksalshaften Aufstand.

Berliner Ehrennadel für Christel Schemel

Am 9. November 2021 fand im Festsaal des Roten Rathauses eine Ehrenveranstaltung statt. Staatssekretär Alexander Fischer (rechts) verlieh Christel Schemel, die an diesem Tag durch ihren Ehemann Hans-Joachim Schemel vertreten wurde, die Berliner Ehren­nadel für die jahrzehntelange Pflege und mehrmalige Rettung des Nicaragua-Giebelwandbildes in Berlin-Lichtenberg.

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