Aktion – leere Sockel | Kunst-Klau-Report im Kontext temporärer Kunstprovokation

Petra Hornung

Kunstdiebstahl hat es schon zu allen Zeiten gegeben. Der Verlust, besonders dann, wenn sich die Kunstwerke im öffentlichen Raum befinden und somit allen gehören, bedeutet auch den Verlust kultureller Teilhabe und kultureller Zeitzeugnisse. Die 100 Kilogramm schwere Goldmünze aus dem berühmten und hochgesicherten Berliner Bodemuseum, die mit einer Schubkarre wegtransportiert wurde, wird wohl nie wieder auftauchen. Das Grüne Gewölbe erstrahlt im neuen Glanz und ist natürlich mit modernster Sicherheitstechnik ausgestattet…Klirr, kling – mit einer Axt bewaffnet, gelang es den Dieben, mit den unersetzbaren Kleinoden durch's Fenster zu flüchten. Solche Beute ist heiß und wird so einfach nicht zu klingender Münze gemacht werden können. Also muss die Kunst zerstört werden. Gold wird eingeschmolzen, die Diamanten ausgebrochen, umgeschliffen. Allein der Materialwert bleibt übrig. Die Öffentlichkeit ist entsetzt über solche spektakulären Fälle. Wie aber verhalten sich die Menschen gegenüber der Kunst in ihrem Umfeld? Was überhaupt könnte man zu ihrem besseren Schutz tun?

Die völlig ungeschützten Statuen, Friedhofsplastiken etc. aus Metall im öffentlichen Raum sind für Räuber eine leichte Beute. Ein ähnliches Prozedere stellt man fest: Die haben meist eine Flex dabei, trennen die Kunst vom Sockel, zerstückeln und bringen sie zum Schrotthändler. Der Materialwert ist gering im Vergleich zum ideellen und künstlerischen Wert. Und die Kunst ist unwiederbringlich weg.

Was tun? Mittel für Wiederbeschaffung oder gegebenenfalls Restaurierung stehen nicht zur Verfügung. Sicherheit und Schutz könnten nicht gewährleistet werden. Einzig die Bürger selbst könnten mit mehr Aufmerksamkeit und Empathie der Kunst gegenüber zu deren Erhalt beitragen. Solche Einstellung muss reifen. Wurden doch allein in Treptow im Verlaufe der letzten Jahre vier Skulpturen aus dem öffentlichen Raum entwendet. Die „Aktion leere Sockel” thematisiert diese kunstlos zurückgebliebenen Orte. Im Rahmen eines Kunstwettbewerbs wurden Vorschläge von acht Künstlerinnen und Künstler für einen temporären, also zeitlich begrenzten, künstlerischen Umgang mit den Orten gesucht. Drei dieser Entwürfe wurden realisiert. Nun ist das so eine Sache mit der temporären Kunst. Diese platziert sich gern höchst auffällig in unmittelbarer Nähe der leeren Sockel. Sie sieht auf dem ersten und auch auf dem zweiten Blick nicht unbedingt wie „richtige” Kunst aus; zumindest nicht für Rezipienten oder Passanten, die sich eher dem traditionellen Kunstgeschmack zugeneigt fühlen. Erfahrungsgemäß werden Begegnungen mit dieser Art Kunst zumeist als provokant, störend, unschön empfunden. Aber eben darauf zielt temporäre Kunst ja auch ab. Sie will auffallen, sie will Gleichgültigkeit stören, Konfrontation provozieren, fremd wirken. Wertvolle Materialien mit Ewigkeitsansprüchen werden eh gemieden. Diese Kunst ist ja auch nur für eine kurze Zeit in unserer Welt, dann wird sie wieder mit größtem Einverständnis abgebaut. Das heißt auch, sie muss in dieser kurzen Zeit eine heftige Wirkung hinterlassen. Und genau daraus resultiert ihre Stärke, eben durch ihre Register der nonkonformen Auffälligkeit unübersehbar auf etwas zu verweisen, aufmerksam zu machen. In diesem Falle auf die verwaisten Sockel in Treptow. Das ist allemal ein Gespäch wert, .... und dann “Reden wir übers Fressen”.
Es verspricht ein interessanter Abend im Kulturbund Treptow zu werden.

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