Portraits ohne Grenzen

Felix Hawran

Internationale Gruppenausstellung in der Fotogalerie Friedrichshain

Bei der einmal jährlich stattfindenden Sitzung des Fotogalerie-Beirats, dem unter anderem Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Dr. Gabi Ivan und Fotograf Harald Hauswald angehören, kommt es immer wieder zu folgender Situation: eingereichte Serien können stellenweise begeistern, kommen aber nicht als Einzelausstellung für die doch recht geräumige Galerie in Frage. So auch geschehen im Sommer 2020 bei der italienischen Fotografin Rossana Battisti, die eine faszinierende Reihe von Selbstportraits schickte. Daraus entstand schnell die Idee, dem Thema (Selbst-) Portraits eine umfangreiche Gruppenausstellung zu widmen. Es folgten ein weiterer Lockdown und die Notwendigkeit, den Mitarbeiter*innen der Fotogalerie sinnvolle Aufgaben mit ins Home­office zu geben. Über Monate suchten sie, vor allem über das derzeit relevanteste Medium Instagram, die kreativsten Portraits-Serien, sammelten diese in einer gemeinsamen Tabelle, diskutierten regelmäßig über die Favoriten und verfassten den Entwurf für einen öffentlichen Aufruf. Nun ist es ein sehr weiter Weg von theoretischen Wunschfotos zur finalen Ausstellung ohne jegliche finanzielle Förderung. Der entscheidende Schwung kam im Herbst 2021 mit Claire Ducresson-Boët, die gerade zur Ästhetik von Kriegsfoto­grafie in Montreal promoviert hatte und über ein Erasmus+ Praktikum der EU gerne praktische Erfahrung in der Fotogalerie Friedrichshain sammeln wollte. Sie konnte sich voll und ganz der Organisation der Ausstellung „Portraits ohne Grenzen“ widmen und nahm von Anfang an das gesamte Team mit auf dem Weg. Es war klar, dass die Grenzen und die Vielfalt von Portraitfotografie heute ausgelotet werden sollten. Größte Hürden waren die Kurzfristigkeit – weniger als zwei Monate zwischen Veröffentlichung des Aufrufes bis zur Eröffnung – sowie die Finanzierung dieses internationalen Projektes. Der Aufruf wurde vor allem über Instagram und verschiedene digitale Künstlerplattformen verbreitet. Mit großem Erfolg, denn nach kurzer Zeit erreichten uns über 260 Bewerbungen aus der ganzen Welt, die alle gesichtet und ausgewertet werden wollten. Die Vorauswahl erfolgte demokratisch im Team. Nach arbeitsintensiven Tagen und Nächten standen 29 Fotograf*innen aus vier Kontinenten auf der finalen Liste. Diese galt es nun mangels Projektförderung davon zu überzeugen, ihre Serien entweder schnellstmöglich per Post zu schicken oder die lokale Produktion bei unserem langjährigen Partner „Fotopioniere“ vorab zu bezahlen. Leicht gesagt, wenn beispielsweise Künstler*innen im Iran aufgrund von internationalen Sanktionen keine der beiden Möglichkeiten wahrnehmen können. Zu allem Überfluss wurde wenige Momente vor der Vernissage auch der Instagram-Kanal der Fotogalerie aus ungeklärten Gründen gesperrt, unser wichtigstes Sprachrohr und grenzübergreifende Verbindung zu all den teilnehmenden Künstler*innen.

Letztendlich ist es, bis auf zwei beim deutschen Zoll schmorende Fotos aus USA, irgendwie gelungen, pünktlich zur Vernissage alle Bilder der 29 Favoriten in gewünschter Form in der Fotogalerie zu präsentieren. Anhand der gezeigten Serien wird deutlich, dass die Sondersituation der globalen Pandemie starken Einfluss auf künstlerische Arbeit hat und insbesondere die Portraitfotografie in ihrem Spektrum erweiterte.

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