Freiwillige mit viel Einsatz und Herz

Antje Mann

10 Jahre Bundesfreiwilligendienst im Kulturring

Am 1. Juli 2011 startete der Bundesfreiwilligendienst (BFD). Er trat an die Stelle des Zivildienstes, der zusammen mit dem Wehrdienst ausgesetzt wurde. Der BFD war von Anfang an ein Erfolgsmodell, schon am 1. Dezember 2011 hatten sich etwa 27.000 Freiwillige in der gesamten Bundesrepublik dafür gemeldet. Inzwischen haben wohl an die 400.000 Menschen bundesweit einen BFD absolviert. Auch der Kulturring war ab Herbst 2011 mit am Start. Wie das Leben so spielt, kam ein Zufall dem Verein zu Hilfe. Eine Kollegin aus dem Regieteam, Astrid Lehmann, hatte die Anfrage einer jungen Frau für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Kulturring erhalten. Wie das mit dem FSJ funktioniert, das interessierte uns. Über Recherchen bekam ich den Kontakt zur Bundesvereinigung für Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ), die der Dachverband für kulturelle Bildung in Deutschland ist. Wir erfuhren, dass das Team „Freiwilliges Engagement und Ehrenamt“ der BKJ hier in Berlin ansässig ist, und ein Gesprächstermin mit Dana Hieronimus war schnell vereinbart. Das Berliner Team der BKJ koordiniert Freiwilligendienste bundesweit im Bereich Kultur und Bildung. Das passte thematisch hervorragend zu uns, dem Kulturring! Außerdem waren sie gerade auf der Suche nach Partnerverbänden, die in den einzelnen Bundesländern den generationsoffenen Bundesfreiwilligendienst für Menschen ab 27 Jahren ins Leben rufen wollten. Die BKJ hatte bis dahin Expertise vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Ein Freiwilligendienst mit Erwachsenen war auch für sie Neuland, aber nicht für uns, das Team vom Kulturring. Wir konnten uns das gut vorstellen, hier mitzuwirken. Gemeinsam mit Ingo Knechtel, unserem damaligen Geschäftsführer, war schnell ein Konzept entworfen, das uns die Türen in die Welt des Bundesfreiwilligendienstes öffnete. Wir wurden Teil eines Trägerverbundes aus allen Bundesländern, der unter der Federführung der BKJ den „BFD Kultur und Bildung“ aufbaute und der interessierten Menschen ab 27 Jahren ein freiwilliges Engagement auf Zeit in einer Einrichtung der Kultur und Bildung bietet. Natürlich können auch jüngere Menschen einen BFD absolvieren, nur wir konzentrieren uns im BFD vorwiegend auf die Gruppe der sog. Lebensälteren.

Doch bevor es mit dem BFD beim Kulturring richtig los gehen konnte, mussten jede Menge Antragshürden genommen werden. Für alle Einrichtungen des Vereins wurde je ein Anerkennungsantrag als Einsatzstelle im BFD erarbeitet und eingereicht, das waren damals sechzehn. Bis wir die Strukturen und das Prozedere der Beantragungen des bundesweit organisierten BFD richtig verstanden hatten, vergingen ein paar Wochen. Ein wichtiger Partner war und ist neben der BKJ das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) in Köln, im Geschäftsbereich des Bundesfamilienministeriums. Auch heute noch, nach 10 Jahren BFD, helfen uns die freundlichen Mitarbeiter*innen mit Geduld, das richtige Formular zur richtigen Zeit einzureichen und damit u. a. auch die erste Incomerin im BFD beim Kulturring begrüßen zu dürfen. Seit Mai 2021 ist eine Freiwillige aus Palästina in der Fotogalerie in Friedrichshain tätig.

Doch zurück zum Anfang: Am 15. Januar 2012 konnten die ersten Freiwilligen ihren BFD bei uns beginnen, so im Studio Bildende Kunst, im Kulturforum Hellersdorf und im Tschechow-Theater. Das waren meist ehemalige Teilnehmer*innen aus geförderten Maßnahmen der Jobcenter, sie kannten sich in den Einrichtungen und den Teams gut aus, fühlten sich dort wohl. Alle Beteiligten waren froh, eine Möglichkeit gefunden zu haben, sich weiterhin in den Einsatzstellen aktiv einbringen zu können.

Von unserer Zentralstelle, der BKJ, wurden wir angeregt, als Träger im Bundesfreiwilligendienst auch mit Einsatzstellen von anderen, nicht zum Kulturring gehörigen Kulturvereinen und Bildungsinitiativen zu kooperieren. Diesem Rat folgten wir gern. Im Laufe der Jahre ist so ein großes Netzwerk von ca. 90 Einsatzstellen in Berlin und Brandenburg entstanden, in denen wir Bundesfreiwillige betreuen, mit ihnen Bildungstage organisieren und ihnen das monatliche Taschengeld überweisen. Nicht alle Partnereinrichtungen sind immer aktiv dabei, derzeit sind es ca. 40 Orte, an denen sich etwa 70 Freiwillige engagieren, in den Vorjahren waren es mitunter um die 100. Die Einsatzorte und -felder sind so abwechslungsreich wie die Menschen, die sie mitgestalten. ­ Viele Freiwillige kommen in ihren Einsatzstellen mit Lebensbereichen in Kontakt, die sie sonst vielleicht nie kennengelernt hätten. Die Jüngeren sammeln Erfahrungen, stärken ihre Kompetenzen, die Älteren bringen ihre Lebens- und Berufserfahrung ein und geben diese weiter. Alle können durch den BFD Orientierung für ihren weiteren Lebensweg finden und vor allem Spaß und Freude bei ihrer Tätigkeit erleben.

Eine unserer wichtigsten Aufgaben als Träger im BFD ist die Organisation von Bildungstagen. In einem Jahr BFD absolvieren Bundesfreiwillige 12 Bildungstage. Das können Seminare oder Workshops zur beruflichen Orientierung sein. Sie dienen dem Wissenszuwachs auf unterschiedlichen Ge­­bie­ten, der Förderung von persönlichen Kompetenzen oder der Kreativität. Beliebt sind Exkursionen mit Führungen zu geschichtsträchtigen oder kulturellen Orten in Berlin. Alle drei Monate gibt es Treffen von Freiwilligen zum Austausch von Erfahrungen, zum gegenseitigen Kennenlernen und, und, und. Dass der BFD beim Kulturring so erfolgreich geworden ist, verdankt er sowohl den Freiwilligen, die sich mit viel Einsatz und Herz für andere engagieren, als auch denjenigen, die dieses Engagement begleiten und organisieren. Der große Dank gilt hier allen Beteiligten, den aktiven und ehemaligen Freiwilligen, den betreuenden Leiter*innen in den Einsatzstellen, dem überaus engagierten und kooperativen Team der BKJ e. V. und den freundlichen Mitarbeiter*innen im BAFzA!

Allen Freiwilligen wünschen wir weiterhin eine gute Zeit in ihrem BFD und den Verantwortlichen in den Einsatzstellen auch künftig Inspiration und wertvolle Unterstützung durch ihre Freiwilligen!

Doch wir wollen den Jahrestag des BFD auch dazu nutzen, einige der Freiwilligen und einen Vertreter einer Einsatzstelle selbst zu Wort kommen zu lassen. Bei einigen liegt ihr Einsatz schon etwas zurück, andere sind gerade dabei. Sie beantworteten bereitwillig unsere Fragen, wofür wir ihnen sehr dankbar sind.
Darf ich Sie bitten, sich uns kurz vorzu­stellen.
Ich heiße Armin Emrich und bin 60 Jahre alt. Nach meinem Erststudium (Lebensmittelchemie) hab ich zunächst branchenspezifisch gearbeitet, im gleitenden Übergang parallel auch als Fachjournalist. Nach einer späteren allgemeinjournalistischen Ausbildung hab ich zusätzlich für verschiedene Kulturressorts im Printbereich geschrieben und war dabei gelegentlich auch kulturveranstaltend tätig.
Mein Name ist Heike Avsar. Ich bin unter anderem freie Autorin und Texterin, lebe und arbeite in Berlin. Ich war 61 Jahre alt, als ich den BFD begann. Ich habe dort einige Bundesfreiwillige kennengelernt, die mit großem Engagement in unterschiedlichen Projekten des Kulturrings arbeiteten und noch immer arbeiten. Der BFD,  so meine Erfahrung, ist auf jeden Fall eine beidseitige Bereicherung.
Hallo, ich bin Katharina Gericke und arbeite für die Fotogalerie Friedrichshain.
Ich heiße Eliana Chaverra. Ich komme aus Kolumbien. Kolumbien ist im Norden von Südamerika gelegen. Ich habe vier Schwestern, und wir sind auf dem Lande aufgewachsen. In den grünen Bergen! Ich bin 44 Jahre alt und Physikerin von Beruf. Und ich lebe seit fast vier Jahren in Deutschland. Ich habe acht Jahre lang in Mexiko gelebt, bevor ich nach Deutschland gezogen bin. Seitdem hat es meine Leidenschaft geweckt, andere Kulturen kennenzulernen, und was wäre besser als Deutschland, ein Land, das so viele Unterschiede nicht nur zu Mexiko, sondern auch zu Kolumbien hat.

Wo und wann haben Sie sich im BFD engagiert, und was waren Ihre Aufgaben in der Einsatzstelle? Was hat Ihnen besondere Freude bereitet, sie vielleicht auch bereichert?
Armin: Meine Einsatzstelle war PROFOLK, Verband für Lied, Folk und Weltmusik (Landesverband Berlin). Dort war ich ab August 2013 für ein Jahr sowie ab Oktober 2014 für ein weiteres halbes Jahr eingesetzt. Ich war eingebunden in alle Bereiche der PR, Organisation, Durchführung und Nachbereitung von Festivalreihen im Bereich Folk- und Weltmusik. Die Festivals liefen für PROFOLK ohne eigene kommerzielle Ambitionen. Sie waren für den Verband in dieser Dimension Neuland und hätten ohne (auch Bundes-) Freiwillige und andere ehrenamtlich Tätige nicht realisiert werden können. Die Festival-Konzerte fanden in vielen verschiedenen Berliner Bezirken statt. Sie dienten dazu, bis dato weniger bekannten Künstlern und Bands Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen. Außerdem wurden dabei Berliner Auftrittsorte, die sonst nicht so im Rampenlicht standen (z. B. in Außenbezirken) stärker in den Fokus gerückt. Gleichzeitig sollte na­tür­lich auch der Bekanntheitsgrad der „Marke PROFOLK“ als Interessensvertretung für Musiker und Veranstalter des Weltmusikbereiches (z. B. auch im sonst eher klassikdominierten Deutschen Musikrat) erweitert werden.
Ich bin ein bisschen ein „Musikverrückter“. Dass ich diese Leidenschaft sozusagen ­sozial geachtet im Rahmen einer „ordentlichen Anstellung“ gegen eine gewisse Bezahlung wahrnehmen durfte, hab ich sehr genossen. Dabei hab ich auch viel gelernt: es ist ein Unterschied, ob man davon träumt, ein Festival (mit) zu veranstalten oder sich tatsächlich um unglaublich viele Details kümmern muss, damit zum Schluss alles gelingt. Mein Chef sagte immer: hinter den Kulissen muss so präzise vorgearbeitet werden, dass der Adressat dieser Dienstleistung, also der Besucher, bei Beginn eine gewisse Art von Leichtigkeit vorfindet. Im Idealfall hat die Veranstaltung einen märchenhaften Glanz – als wäre zum allerersten Mal Weihnachten. Darauf hinzuarbeiten, macht wirklich Spaß! Künstler, aber auch zum Beispiel Techniker, sind meist sehr eigen, auf diese Charaktere muss man sich einstellen können, wenn das Event etwas werden soll. Das führt bei einem selbst automatisch zu einer gewissen „Ent-Akademisierung“ und zwingt zu uneitlem Pragmatismus (was mir später als Lehrer-Quereinsteiger sehr geholfen hat).

Heike: Mein Einsatz begann am 1.9.2020 in der Koordinierungsstelle Mitte, bei dem Projekt „Rosa Winkel, Homosexuellen-Verfolgung im Dritten Reich“. Meine Aufgaben bestanden u. a. in der Unterstützung des Teams zu regionalgeschichtlichen Forschungen mit dem Schwerpunkt Verfolgung von Homosexuellen in der NS-Zeit. Hierbei ging es insbesondere um die Täter, die in Prozessen gegen Homosexuelle involviert waren. Das Thema war mir nicht ganz fremd, hatte ich doch schon einige Male in der Vergangenheit für Projektleiter Bernd Grünheid, mit dem mich eine jahrelange Freundschaft verbindet, Ausstellungstexte redigiert. Schon damals erschütterten mich die Einzelschicksale und menschenverachtenden Gerichtsurteile im Dritten Reich. Ich bewunderte zudem die Arbeit an diesem wichtigen Projekt, die Leidenschaft, mit der das Team daran arbeitete, um Ausstellungen vorzubereiten, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnten und somit ein weiteres Stück deutscher Geschichte, von der viele Menschen in dem Maße nichts ahnten, nahe zu bringen. Als auch bei mir pandemiebedingt – wie fast überall in der Kulturbranche – absehbar war, dass eine mehrmonatige Arbeitspause folgen würde, entschloss ich mich für den sechsmonatigen BFD beim Kulturring. Mit Beginn des zweiten Lockdowns mussten einige Mitarbeiter ins Home-Office/Mobiler Arbeitsplatz gehen. Ich bat um die Mitarbeit in der KulturNews-Redaktion und konnte von nun an Beiträge und Rezensionen schreiben sowie die Lektorate anderer Autoren-Texte übernehmen. Ich habe mich in meinem Team sehr wohlgefühlt. Die ganze Thematik sowie auch die Recherche in alten Gerichtsakten waren interessant. Und doch hat mir das kreative Schreiben, die Selbstbestimmung und Leidenschaft, Texte zu formulieren, gefehlt. Als absolute Erfüllung und Bereicherung empfand ich dann tatsächlich die Arbeit für die KulturNews. Auch hier wieder ein sehr herzlicher und freundlicher Umgang unter- und miteinander.
Katharina: Ich betreue Vernissagen und Veranstaltungen in der Fotogalerie Friedrichshain, was mir viel Freude macht. Persönlich bereichert mich besonders die Beschäftigung mit sozialdokumentarischer Fotografie. Ich habe viel gelernt und viele Ausstellungen besucht.
Eliana: Ich engagiere mich seit März 2021 im Studio Bildende Kunst des Kulturrings in Berlin. Durch ein Jobcoaching-Programm des Kulturrings mit Dominique Fritzsche wurde ich darauf aufmerksam. Ich hatte vorher eine andere Freiwilligenarbeit gemacht. Das Studio Bildende Kunst unterstütze ich durch das Mitplanen und -organisieren von Veranstaltungen, die sie dort durchführen. Beispiele: Vernissagen, Ausstellungen, Kinderfest zur Kindermal­aktion usw. Ich beteilige mich an Initiativen und Projekten meiner Kollegen, wie in Podcasts und Masken-Workshops. Besondere Freude bereitet mir diese Mischung zwischen etwas Neuem zu lernen und Projekte mit Kollegen zu unternehmen und Kontakte zu knüpfen. Das bedeutet für mich, aktiv zu sein.

Konnten Sie eigene Ideen und eigene Projekte in Ihrer BFD-Zeit in der Einsatzstelle einbringen?
Armin: Ja, viele! Mein Chef ließ mir und meiner BFD-Kollegin dabei auch ziemlich freie Hand und war ernsthaft froh, dass im Zuge des Dienstes neue Ideen und Initiativen in den Verband kamen!
Heike: Ja, ich konnte eigene Ideen mit einbringen. Unter anderem schrieb ich eine Kurzgeschichte anhand eines einzelnen vorliegenden Gerichtsurteils aus dem Jahr 1937. Dass keine weiteren Aktenvermerke vorhanden waren, machte es für mich umso spannender, daraus eine eigene Geschichte zu entwickeln. Titel: „Vom Kriminalrat der Gestapo zum Strafgefangenen – Die Reue des Karl Maslak“.
Katharina: Ja, zur Zeit bereite ich zusammen mit einer Gruppe eine Ausstellung zum Thema „Inszenierte Porträts“ vor.
Eliana: Wenn wir Aktivitäten planen, kann ich meine Ideen einbringen. Eigene Projekte aber noch nicht. Dieser ganze Kulturzweig ist für mich völlig neu. Aber ich lerne!

Wie fanden Sie die Bildungstage?
Armin: Spannend und abwechslungsreich, vor allem weil man dabei auch Leute aus anderen Einsatzstellen traf und sich quervernetzen konnte. Ist tatsächlich dann auch so passiert!
Heike: Die in großer Auswahl angebotenen Bildungstage habe ich sehr genossen, die Begleitung durch den Kulturring war stets hervorragend organisiert. Für mich persönlich bedeutete es nicht nur, kulturell gesehen, eine Bereicherung, man lernte auch andere Bundesfreiwillige kennen und tauschte sich aus.
Katharina: Ich finde die Bildungstage sehr anregend und interessant. Wir haben tolle Exkursionen gemacht. Die Workshops haben mir Spaß gemacht und neue Kenntnisse gebracht. Auch das Gruppenerlebnis, gemeinsam mit Gleichgesinnten etwas zu entdecken und zu lernen, das ist wohltuend und eine wichtige Sache.
Eliana: Wunderbar! In diesen Bildungstagen kann man nicht nur etwas Neues kennenlernen, sondern sich auch mit den anderen Freiwilligen unterhalten. Am Anfang konnte ich nicht verstehen, warum man auf etwas so Wunderbares Anspruch hat. Dann hat Frau Mann es an einem Freiwilligentag erklärt. Bildungstage ermöglichen es uns, die Zeit zu genießen und gleichzeitig etwas zu lernen.

Gibt es für Sie im Zusammenhang mit Ihrem BFD eine besondere Geschichte, die Sie gerne mit uns teilen möchten?
Armin: Diese besondere Geschichte fand eigentlich schon vor meinem BFD-Start statt: Der Bundesfreiwilligendienst ist ja der Nachfolger des Zivildienstes, also der früheren Alternative bei der Entscheidung gegen einen Kriegsdienst. Deshalb dachte jeder, der davon hörte, zunächst auch an die früheren „klassischen“ Bereiche: Krankenhaus, Altenpflege, Katastrophenschutz usw. Ich weiß noch genau, wie ich mit dem PROFOLK-Vorsitzenden auf irgendeinem Berliner S-Bahnhof stand und ein riesiges Werbeplakat gesehen habe: Bundes-Freiwilligendienst auch im KULTUR­BEREICH möglich! Das haben wir schlichtweg nicht geglaubt! Und nur um unseren vermeintlichen Irrtum auszuräumen und aufzuklären, hatten wir den Kontakt u. a. zum Kulturring aufgenommen. Herausgekommen war über den Dienst dann unbürokratisch und in kürzester Zeit die Möglichkeit, zwei Vollzeitkräfte im Verband einstellen zu können – ein paar Wochen vorher noch völlig undenkbar!!
Heike: Ach, es gäbe so viele Geschichten, die es wert wären, erzählt zu werden. Von den unterschiedlichen Menschen, die ich kennenlernen durfte, vom Zusammenhalt untereinander, den bereichernden Bildungstagen, von all den vielen interessanten Projekten. Und doch wirkte eine Geschichte sehr lange nach. Es war der Spaziergang durch den „Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit“. Ein von mir selbst gewählter Bildungstag, über den ich einen Text für die KulturNews schrieb. Wenn man allein durch den Park geht und sich mit der Geschichte befasst, entstehen viele Bilder im Kopf, die man am liebsten nicht zulassen würde. Was mich zudem noch einmal mehr erschüttert hat, war der heutige Umgang mit den Opfern der damaligen Zeit (Gespräch mit einer Garten-Pächterin). Wenn jegliches Mitgefühl fehlt, spiegelt auch das unsere jetzige Gesellschaft wider. Und diese Erkenntnis hat mich noch lange beschäftigt.

Wie haben Sie die Begleitung im BFD durch den Kulturring erlebt?
Armin: Der Kulturring war eigentlich so ähnlich wie ein guter Schiedsrichter: wenn alles lief, war er kaum wahrzunehmen. Wenn (selten) mal irgendwo was knirschte, war er aber gleich zur Stelle. Im Sport sind ja die besten Schiedsrichter auch die, von denen man kaum merkt, dass sie auf dem Platz sind. Und trotzdem (bzw. genau deshalb) läuft das Spiel rund. Also, der Kulturring war wohltuend unaufgeregt im Hintergrund präsent!
Heike: Zuerst einmal möchte ich auch dem Kulturring gratulieren: Ein Bundesfreiwilligendienst kann natürlich nur funktionieren, wenn es Organisationen gibt, die sich für wichtige, interessante Projekte einsetzen, ständig an Neuerungen, Bildungsmaßnahmen und -angeboten, einem gut funktionierenden Ablauf, Kommunikation auf Augenhöhe untereinander u. v. m. einsetzen. Ja, die von Beginn an auf vielfältige Weise einen großen kulturellen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Ich selbst habe einige Bundesfreiwillige kennengelernt, die mit großem Engagement in unterschiedlichen Projekten des Kulturrings arbeiteten und noch immer arbeiten. Der BFD, so meine Erfahrung, ist auf jeden Fall eine beidseitige Bereiche­rung.
Katharina: Sehr freundlich, sehr persönlich. Fazit: Alles rundum positiv.
Eliana: Durch den Kulturring habe ich verschiedene Sachen bekommen: Weiterbildung, wie z. B. in der deutschen Sprache, „Kompetenzen für den digitalen Wandel“, Onlinekurs „Autobiografisches Schreiben“. Das ist wirklich sehr wichtig für mich. Außerdem nehme ich in einem Projekt „MITTENMANG – aktiv & kreativ“ vom Graphik Collegium Berlin im Studio Bildende Kunst teil.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer damaligen Einsatzstelle? Engagieren Sie sich dort ehrenamtlich? Würden Sie noch mal einen BFD absolvieren, evtl. bei der gleichen Einsatzstelle? Würden Sie anderen Menschen einen BFD empfehlen ?
Armin: Ja! Ich hab Kontakt. Ich bin schon seit Gründung des Berliner Landesverbandes (2011) Mitglied von PROFOLK und engagiere mich dort nach wie vor mit wechselnder Intensität ehrenamtlich. Und ein klares Ja, ich würde noch einmal einen BFD absolvieren. Wenn es sich so ergibt, würde ich auch die gleiche Einsatzstelle wählen? Warum nicht?
Heike: Ja, es besteht noch immer ein herzlicher Kontakt, wenn auch aus Zeitmangel nur sporadisch, was auch ein ehrenamtliches Engagement momentan unmöglich macht. Und ja, ich würde gern noch einmal einen BFD absolvieren. Aber das ist momentan noch Zukunftsmusik, da ich noch ein wenig bis zur Rente arbeiten muss, und der Zeitmangel bis dahin ein Pro­blem sein wird. Aber wer weiß? Nichts ist heutzutage planbar. Ich würde dabei dann nicht die gleiche Einsatzstelle wählen, sondern gern – sofern es möglich wäre – Herrn Knechtel und Herrn Reichelt von der KulturNews-Redaktion unterstützen. Mich gegen eine BFD-Verlängerung zu entscheiden, ist mir damals schwer gefallen, weil mich die Arbeit für die KulturNews sehr ausgefüllt und glücklich gemacht hat. Ich hätte sie noch über Jahre hinweg weitermachen können. Und natürlich würde ich anderen Menschen – welchen Alters auch immer – den BFD empfehlen. Für mich persönlich waren diese sechs Monate in jeder Beziehung eine Zeit, die ich nicht missen möchte.


Wir bitten Herrn Norbert Heners-Martin, geschäftsführender Vorstand vom Natur und Kultur (LABSAAL Lübars) e. V., unsere Fragen zum Bundesfreiwilligendienst anlässlich des zehnjährigen Jubiläums zu beantworten.

Stellen Sie bitte Ihre BFD-Einsatzstelle kurz vor. In welchen Bereichen können sich Freiwillige bei Ihnen engagieren?
Norbert Heners-Martin: Der Natur und Kultur (LabSaal Lübars) e. V. ist ein gemeinnütziger freier Kulturträger im Norden Berlins. Gegründet 1979, ist er seit 1998 Eigentümer des denkmalgeschützten Ensembles Alt Lübars 8 (Gasthof und Saalbau). Der Verein hat fast 300 Mitglieder und 18 künstlerische Gruppen und lädt jährlich zu ca. 100 öffentlichen Veranstaltungen ein. Grundsätzlich gibt es sehr vielfältige Einsatzmöglichkeiten, vor allem im Veranstaltungsbereich und seiner Organisation.

Der Kulturring ist seit 2012 mit den ersten Freiwilligen gestartet. Sie als anerkannte Einsatzstelle im BFD sind seit dem Jahr 2013 dabei. Was bedeutet es für Sie, den BFD als Möglichkeit für freiwilliges Engagement in Ihrem Verein gefunden zu haben?
Norbert Heners-Martin: Der Bundesfreiwilligendienst ermöglichte für den bis vor einem Jahr ausschließlich ehrenamtlich geführten Verein eine wichtige Unterstützung in den Bereichen Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit und Digitalpräsenz. So wurde von einem Bundesfreiwilligen die neue Vereinswebseite konzipiert und realisiert labsaal.de. Ein anderer Bundesfreiwilliger brachte seine Kompetenzen in den Bereichen Photoshop und Technik mit ein. Für die Freiwilligen ergaben sich intensive Kontakte in den Verein aber auch darüber hinaus. In einem Fall konnte sogar eine feste Anstellung über das Programm des Senats „Solidarisches Grundeinkommen (SGE)“ realisiert werden. Also, wir konnten grundsätzlich wesentlich mehr Inhalte realisieren. Auch unseren tollen Internetauftritt würde es sicher nicht in dieser Form geben.

Wie ist der Kontakt zu Ihren Ehemaligen?
Norbert Heners-Martin: Der Kontakt zu den Ehemaligen besteht weiter. Entweder sind es sowieso Mitglieder des Vereins geworden, oder sie arbeiten nach Beendigung des Bundesfreiwilligendienstes in einer anderen Konstellation bei uns mit.

Sind Sie zufrieden mit der Zusammenarbeit mit dem Kulturring als Träger des BFD?
Norbert Heners-Martin: Mit dem Kulturring als Träger des BFD sind wir sehr zufrieden. Es besteht eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Würden Sie anderen gemeinnützigen Organisationen den BFD empfehlen?
Norbert Heners-Martin: In jedem Falle.

Der Kulturring bietet im Rahmen des BFD Kultur und Bildung spannende Einsatzfelder in Galerien, Theatern, Bibliotheken, Museen, Kulturzentren und anderen gemeinnützigen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg.

Der BFD ist eine tolle Möglichkeit
• mitzureden, sich mit eigenen Ideen in die Gemeinschaft einzubringen,
• die vielfältige Kulturszene zu erleben und mitzugestalten,
• sich mit anderen Freiwilligen auszutauschen und sich weiterzubilden.

Rahmenbedingungen
• Einsatz in einer Kultur- oder Bildungseinrichtung nach eigener Wahl
• Dauer: mindestens 6 bis max. 18 Monate
• Mindestens 20,5 Std./Woche bis Vollzeit
• Monatliches Taschengeld inkl. Sozialversicherung

Wer kann mitmachen? Bei uns jede/r ab 27.
Kontakt Telefon 030 51 48 97 36
bfd@kulturring.berlin

Weitere Infos unter www.kulturring.berlin/bundesfreiwilligendienst

Archiv