In der Ruhe liegt die Kraft

Bärbel Ambrus

Die Autorin Doris Bewernitz

Was haben eine Krankenschwester, Gerichtsprotokollantin, Mathematiklehrerin, Spielplatzbauerin, Drogenberaterin und eine Sozialarbeiterin gemeinsam? Oder sollte man die Frage andersherum stellen – was macht eigentlich jemand, wenn wechselnde Zeiten zu solch einer bewegten Arbeitsbiografie führten? Die Schriftstellerin Doris Bewernitz ist das vitale Beispiel, sie hatte zuvor über lange Jahre die mannigfaltigsten Lebenseindrücke und Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen und bewältigte die stets neuen Herausforderungen. Heute sind all diese Eindrücke für sie ein reicher Quell ihrer schriftstellerischen Tätigkeit. Wenn sie sagt „Ich stelle Schrift: Wörter, Buchstaben, Sätze. Daraus werden Texte.“ – dann ist ihr ganzer Lebens- und Erfahrungsschatz darin nur lapidar umschrieben. Genau das ist wohl die Stärke der Autorin, den unvoreingenommenen Blick und die daraus erwachsenden Gedanken in passgenaue und unaufgeregte Worte und Texte zu verwandeln, ob in ihren Erzählungen, Kurzgeschichten oder Lyrik. Ihre Kunst ist, die Essenz, das Wesentliche so treffend darzustellen, dass eine nahezu philosophische Kraft spürbar wird.

Am Anfang standen im Eigenverlag selbst gebundene Heftchen, kleine Erzählrunden bei frisch Gebackenem vom Kuchenblech im privaten Garten. Auch eine Stärke ist ihre Kontinuität, mit der sie unermüdlich schreibt und beobachtet und weiter schreibt… Verschiedene literarische Preise und Ausbildungen folgten, und aus einer intensiven Leidenschaft wurde ein erfüllender Beruf. Ob es nun bei diesem bleiben wird – es sieht gut aus. Nicht umsonst darf Doris Bewernitz inzwischen auf eine erfolgreiche Anzahl von Publikationen zurückblicken. Bei allem ist die Autorin eine eher stille Beobachterin. Sie schreibt ohne jede Belehrung, dafür mit einer herrlichen Art von Humor. Und gern auch verknappt – besonders in ihren kleinen Grotesken kann sie gleichermaßen dezent und doch nachhaltig sein und steht damit in der Tradition der Mini- oder Minuten-Novelle beispielsweise eines István Örkény.

Eine Kostprobe gefällig? Hören Sie gern mal rein in den Kulturring-Podcast zum „Welttag des Dackels“ www.kulturring.berlin/podcast. Er entstand mit freundlicher Genehmigung der Autorin unter Verwendung ihrer kleinen amüsanten Fabel „Routine international“. Bei diesem Schreib-Sprach-Spiel-Projekt, das Doris Bewernitz initiierte, lud sie Menschen ein, sich mit ihren verschiedenen Sprachen und Dialekten zu beteiligen. Inzwischen sind dabei über 50 Texte zusammengekommen, nachzulesen auch auf ihrer Homepage www.doris.bewernitz.net.

In ihren Romanen und Krimis wiederum führt Doris Bewernitz – im besten Wortsinne – den großen Spannungsbogen. Sehr besonders sind ihre Projekte, die sie mit anderen AutorInnen gemeinsam entwickelt(e). So entstanden kollaborativ, und gewissermaßen häppchenweise, insgesamt fünf respektable Krimis, unter anderem im Themenfeld Beutekunst und Geheimdienste. Extremste Reduktion wiederum zeigt sie aktuell in der „Autorengruppe Aufbruch“ mit deren online präsentierten „Sekundentexten“.

Der Erwerb eines klitzekleinen innerstädtischen Gärtchens, direkt neben den Gleisen des S-Bahnhofs Greifswalder Straße, war für Doris Bewernitz motiviert durch den Gedanken, ein Stück Natur zu bewahren und zu pflegen. Auch die Beobachtungen, die sie während eines ganzen Jahres dort machen durfte, flossen ein in ein Buch, das inzwischen bereits in der vierten Auflage erfolgreich ist. Das klingt esoterisch? Keineswegs – es ‚erdet’ ungemein und schafft, den Blick auf das Wesen des Lebens zu öffnen. Das Aroma einer selbstgezogenen Rote-Bete-Knolle ist einfach unvergleichlich, und auch die vom Saft gefärbten Finger gehören eben dazu.

Die geborene Mecklenburgerin war lange Zeit in Berlin und lebt heute im Brandenburgischen. Hier findet sie Gelegenheit für ungestörtes Schreiben. Natureindrücke, philosophische Betrachtungen des Lebens und die Wertschätzung auch der kleinen Dinge werden weiter in ihre literarischen Arbeiten einfließen und uns neue Texte und Bücher und regelmäßige Lesungsaktivitäten bescheren. Am 9. Oktober, 14 Uhr, ist Doris Bewernitz im Lichtenberger Studio Bildende Kunst mit einer Lesung und zum Gespräch zu Gast. „Wo die Seele aufblüht. Warum ein Garten glücklich macht“. Sie sind herzlich ­eingeladen!

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