Ein Jahr – es geht voran

Ingo Knechtel

Geschichte wird gemacht. Die Songzeilen der Band Fehlfarben gehen mir derzeit durch den Kopf, wenn ich einerseits den aufkommenden Aktionismus spüre, der keine Atempause zulässt, der solche Sprüche wie „Bloß nicht langweilen!“ verbreitet. Und der mir aber andererseits auch als Kontrast manche Momente des letzten Jahres vor Augen führt, die ein zugegeben erzwungenes inneres Herunterfahren, ein Innehalten mit sich brachten. Wo befinden wir uns derzeit? Wo und wie geht es voran und wer macht eigentlich Geschichte? Die Passivkonstruktion des Songtexts wirft Fragen auf. Soll die Antwort sein, wir alle sind es? Oder sind es die Helden, die herausragenden Figuren der Weltgeschichte, zumindest jene mit dem Bundesverdienstkreuz an der Brust? Ich glaube, Geschichte entsteht aus den vielen, unendlich vielen Geschichten. Da sind die ganz großen Akteure, auf die plötzlich alle schauen, weil sie gerade einen lebensrettenden Impfstoff entwickelt haben. Und da sind auch die großen und ncht so großen Teamplayer, die dafür sorgen, dass er weltweit seine Wirkung entfaltet. Was wären die einen ohne die anderen? Der Lockdown der hinter uns liegenden Zeit zwang viele in der Kultur Tätige zuerst einmal, alle ihre Pläne über den Haufen zu werfen. Vielen tat die Atempause gut. Sie führte zu einem kreativen Neubesinnen. Egal ob in der Kultur oder in völlig anderen Feldern, Neues wurde in Angriff genommen. Die digitale Welt steht dabei im Zentrum, denn sie half und hilft im Moment der Krise, und sie macht auch neugierig auf Dinge, die uns die Zukunft bringen kann. Bestimmte Hypes kommen da unweigerlich mit zum Zuge, wie die sogenannte NFT-Kunst. Das sind digitale Kunstwerke, die als non fungible token (NFT) einmalig existieren und dem Besitzer zum vermeintlich reichen Sammler machen. Da erfreuen wir uns lieber an bodenständiger digitaler Kunst für uns alle, beispielsweise aus der Hand von Maria Otterbein, über die in diesem Heft berichtet wird. Aber Geschichte ist auch immer Erinnerung, Nachdenken. Sie mit Ereignissen und mit Namen zu verbinden, macht sie für all jene lebendig, die sie nicht erlebt haben. Wie der Kulturring mit verschiedenen Projekten und Aktionen dazu beiträgt, spiegelt sich auch in diesem Heft wider. Individuelle Geschichten fügen sich zu einem Ganzen. Gemeinsame Linien werden erkennbar. Sie sind zugleich Säulen einer Gemeinschaft, die unser Zusammenleben ausmachen. Sie zeugen von Solidarität, Gemeinsinn, Freude und Optimismus. Ja, es geht voran, weil wir es gemeinsam anpacken.

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