Baume Creatives: Ross Abel

Thomas Sefzig

Journalistik wollte er studieren, das war sein Traumberuf. Wie bei vielen anderen wurde aber auch bei ihm nichts daraus. Aufgewachsen in der DDR, mochte er den Systemkonformismus nicht. Keine Jugendweihe, keine Parteizugehörigkeit – daher konnte Ross kein Abitur machen. Man schlug ihm vor, Elektriker zu werden. Ross trug das alles mit Fassung, beschwert sich auch heute nicht über die zerstörten Chancen und Träume. Bodenständig wie er ist, machte er seine Ausbildung und bekam Anfang der 1980er Jahre einen guten Job bei der MITROPA. Wäre die Wende nicht gekommen, würde er dort wohl heute noch arbeiten – der Job gefiel ihm.

Er war gerade nach Berlin gekommen und genoss die Clubszene, die in den 80ern noch schön durchmischt war. Es war egal, ob man Disco, Rock oder Punk anhing. Man klönte in den Kellerdissen, kam miteinander klar. Die maroden Verhältnisse wurden verdrängt, man lebte einfach damit. Auch dass immer jemand von der Stasi in der Nähe war, konnte einen nicht wirklich ausbremsen. Natürlich verpackte man die Themen mit viel Geschick und Humor, machte sich einen Spaß daraus, kalauerte gern und oft und pflegte den speziellen Ost-Humor. Nur offener Spott konnte gefährlich werden. Man musste also darauf achten, was man sagte, vor allem aber, wer es hörte.

Daher waren Ross‘ Freunde auch nicht sehr begeistert, als er sich mit einer Klassenkameradin bei der Nachhilfe anfreundete, deren Vater bei der Stasi war, und sie zu einer Fete mitbrachte. Ihm war das aber egal. Er mochte sie, das zählte.

Nach der Wende bekam er einen Job bei WOM, als Verkäufer von Tonträgern, speziell Filmen. Hier arbeitet er bis heute, und er hat Spaß dabei. Aber so ganz ließ ihn die Schreiberei nicht los. Ideen wollen raus, man will sie realisieren, vor sich sehen. Sonst erdrücken sie einen irgendwann. Also nahm er seine Erfahrungen, durchmischte sie mit einigem Gehörten, glättete es mit etwas Phantasie und schrieb einen fiktionalen Roman, der in dieser für ihn doch sehr prägenden Zeit spielt: „Am anderen Ende des Tunnels“. Es sollte kein politischer Roman werden, auch wollte er keine DDR-Satire à la „Sonnenallee“ schreiben. Vielmehr lag ihm daran, ein Porträt der DDR-Wirklichkeit in den Achtzigerjahren zu schaffen, indem er den Alltag seines Hauptprotagonisten Niko schilderte – also mehr eine Coming-of-age-Story. 

Als wichtigste Aufgabe hatte er sich dabei gestellt, möglichst realistisch zu schreiben, weder beschönigend noch verteufelnd. Er hält nicht viel von Ostalgie, wobei andererseits so manches in der DDR sehr in Ordnung war. Er hatte natürlich sein biografisches Gerüst, auf dem er aufbauen konnte. Er wollte das aber, wie sein Lieblingsautor John Irving, nur als Hilfsmittel benutzen. Wer nun die Verhältnisse und Figuren seines Lebens näher kennt, wird so manches wiedererkennen, was das Ganze sehr authentisch macht. Insbesondere findet man viele Bezüge zu seinem Freund Mike; ihn zu ehren, gab schließlich den Ausschlag, um das Buch endlich in Angriff zu nehmen:
Ein sechzehnjähriger fällt nach einem Fahrradunfall ins Wachkoma, durchlebt und verarbeitet in seinen Träumen die vergangenen zwei Jahre, begreift, dass er sich seinen Problemen stellen und Verantwortung für sein Handeln übernehmen muss, sei es in der Schule, der Freizeit oder der Liebe.
Ross Abel verlegte „Am anderen Ende des Tunnels“ selbst, on demand auf Amazon. Er plante vorerst drei Lesungen, wobei wir uns freuen, die zweite davon bei uns im Januar in der Ernststraße erleben zu dürfen: Kulturbund Treptow, Ernststraße 14/16, 12437 Berlin-Baumschulenweg, Dienstag 22.1.2019, 19 Uhr, Eintritt 7/6 €. Da maximal 40 Plätze zur Verfügung stehen, ist eine Reservierung sinnvoll (Tel. 030 / 53 696 534).

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