Zuzug nach Berlin

Manfred Gaede

Meine Frau und ich wohnten im Arbeiterwohnheim in Schwedt. Durch ihre Arbeit in Berlin wurde ihr von ihrer Dienststelle eine Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg zugewiesen. Ein Zuzug nach Berlin, der Hauptstadt der DDR, aus der übrigen Republik war nicht so einfach. Meine Frau hatte eine Zuzugsgenehmigung, und wir hatten eine Wohnung und beide eine Arbeitsstelle. Trotzdem bekam ich erst eine Genehmigung, dann wurde sie mir wieder weggenommen und letztendlich durch die Intervention des Betriebes meiner Frau wieder erteilt. Ich galt als Familienzusammenführung! Es war schon ein Kampf, eigentlich um nichts, wie sich herausstellte, denn nur wenige Tage nachdem ich die Genehmigung erhalten hatte, wurde der Magistratsbeschluss über den Zuzug nach Berlin aufgehoben. Dann wurde auch noch unsere Straße umbenannt. Wir mussten uns ummelden.

Wenn wir von unserer Wohnung zum S-Bahnhof gingen, kamen wir an einem Gaswerk vorbei. Als ich einmal zur Bahn ging, sah ich im Gaswerk hell lodernde Flammen. Ich wusste nicht, ob ich die Feuerwehr rufen sollte oder nicht. Zu der damaligen Zeit gab es noch keine Handys. Ein Telefon hatten wir nicht. Wo die nächste Telefonzelle war, wusste ich auch nicht. […] Später stellte ich dann fest, dass dort fast immer Flammen loderten. Es war wahrscheinlich ein normaler Betriebsablauf.

Wir zogen in ein Altbauhaus, parterre und vier Etagen. Eine Neubauwohnung bekamen wir nicht, weil angeblich durch die vielen Anerkennungen der DDR Botschaftsgebäude statt Wohnungen gebaut werden mussten. Es war eine große Zweizimmerwohnung mit Bad. Uns fehlte aber ein Kinderzimmer. Im Alkoven richteten wir eine Spielecke ein. Im Schlafzimmer trennten wir eine Ecke für unseren Sohn mit großen Schränken ab. Die Wohnung war heruntergekommen, die Tapete total verraucht. In allen Zimmern stank es nach Rauch. Stromlose Kabelenden ragten aus den Wänden. Wenn die Waschmaschine und der Heißwasserspeicher gleichzeitig in Betrieb waren, flog die Sicherung raus. Die Stromleitungen waren total überlastet. In der Küche standen eine uralte Kochmaschine und ein total verdreckter Gasherd, den uns die Vormieterin verkaufen wollte. Wir lehnten ab und kauften uns einen neuen. Mit Genehmigung der Vermieterin rissen mein Vater und ich die Kochmaschine ab und stellten den Gasherd und einen Kohlebeistellherd auf eine geflieste Platte. Vom Baustoffhandel holte ich mit dem Kindersportwagen einen Sack Zement und Fliesen. Den Kies zum Betonherstellen besorgte ich mir von einem Kinderspielplatz. Für den Fußboden kauften wir Auslegeware mit Filz auf der Unterseite zur Wärmedämmung. Erst als wir die Wohnung tapeziert hatten, war sie bewohnbar. Anschließend malerte ich noch den Balkon mit sonnengelber Farbe. Er war das Prachtstück in der ganzen Straße. Unsere Wohnung war im oberen Geschoss unter dem Dach. […]

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