Eindruck – Ausdruck – Kunst

Georg Bothe / Maja-Helen Feustel

Rückblick auf ein erfreuliches und fruchtbares Projekt

Jetzt ist schon fast das Jahr wieder um, die Zeit wie im Fluge vergangen. Im Oktober 2016 startete im Lichtenberger Studio Bildende Kunst das einjährige Projekt „Eindruck – Ausdruck – Kunst“ unter der Leitung von Georg Bothe und Maja-Helen Feustel. Gefördert durch das Programm Lokales Soziales Kapital, war es ein besonderes Angebot an künstlerisch interessierte Erwachsene, die von sozialer Benachteiligung betroffen sind, sei es, weil sie z.B. ein Handicap haben oder schon lange arbeitslos, älter oder Flüchtling sind. Es sollte ein auf praktische Betätigung ausgerichteter Einstieg in das weite Feld der künstlerischen Druckgrafik sein, wobei theoretische Fragen im Zusammenhang mit der Praxis zu behandeln waren. Durch die vermittelten Grundlagen in den Techniken des Tief- und Hochdrucks sowie der Monotypie sollten den TeilnehmerInnen neue Chancen und Perspektiven eröffnet werden. Vorkenntnisse waren nicht Bedingung.

Die ersten Teilnehmer fanden sich bei der Langen Nacht der Bilder im September und der Druckvorführung im Rahmen des Kunstkreuzes im Oktober. Dann kamen schnell noch andere dazu, auch eine junge Frau aus dem Irak. Eine bunte Gruppe von 11 Menschen, ganz unterschiedlich in Bezug auf Alter, künstlerische Vorkenntnisse und Fähigkeiten, individuelle Situation, persönliche Voraussetzungen, kulturelle Herkunft und individuelle Beeinträchtigungen, aber alle hoch motiviert. Wir konnten loslegen.

In Absprache mit den TeilnehmerInnen wurde beschlossen, sich zunächst dem zeitlich wie technisch aufwändigsten Bereich, dem Tiefdruck, speziell der Radierung, zu widmen. Anschauungsmaterial vermittelte einen Eindruck von den vielfältigen Möglichkeiten, den diese Technik bietet. Zunächst war jedoch eine gründliche Unterweisung in die technisch-handwerklichen Aspekte der Radierung erforderlich, Schritt für Schritt und praxisorientiert. Dazu gehörte nicht zuletzt auch die Vermittlung von Werkstattregeln. Das Herstellen einer Tiefdruckplatte, wie auch eines handgefertigten Abzugs von dieser, erfolgt in einer Vielzahl von Arbeitsschritten, wobei jedem Arbeitsschritt ein eigener Bereich in der Werkstatt zugewiesen ist. Deshalb dienen die Werkstattregeln sowohl dem Verständnis in die Produktionsweise einer Original-Druckgrafik, als auch der tieferen Einsicht in Sicherheitsvorkehrungen, die sich allein schon aus der druckgrafischen Praxis, wie der Arbeit am Staubkasten, beim Aufschmelzen des Kolophoniums, beim Ätzen der Platten im Eisen-(III)Chlorid-Bad und beim Umgang mit Lösungsmitteln, ergeben und auf deren unbedingte Einhaltung geachtet werden muss.Angefangen wurde aber erstmal mit der handwerklich etwas weniger aufwändigen Kaltnadelradierung. Daran anschließend wurden weitere Radiertechniken vorgestellt und ausprobiert, bei denen die Druckplatten im Ätzverfahren hergestellt werden: Aquatinta, Reservage oder Aussprengtechnik, Mischtechniken und experimentelle Verfahren. Hier wurde das Vorgehen soweit wie möglich den individuellen Vorstellungen, Wünschen und Erwartungen der TeilnehmerInnen angepasst. Ein wenig Umdenken erforderte dann die Umstellung auf die Technik des Hochdrucks. Doch die leicht zu bearbeitenden Easy-Print-Platten luden von vornherein zu einer experimentierenden Vorgehensweise ein; was letztendlich nicht immer von Erfolg gekrönt war, aber bekanntlich lernt man auch aus Fehlern.

Begonnen wurde mit einem Reduktionsschnitt, auch „verlorene Platte“ genannt, bei dem nach und nach immer mehr aus der Druckplatte entfernt wird und die jeweiligen Plattenzustände jeweils in verschiedenen Farben übereinander gedruckt werden: So entstehen Serien von Unikatdrucken, die mitunter durch ihre ausgefallenen Farbkombinationen beeindrucken. Jetzt kam es aber aufgrund der im Vergleich zu den Radierungen schneller möglichen Herstellungsweise während des Druckens am Farbentisch, wie auch den Druckplätzen, öfter einmal zu Stau und Gedränge. Aber es zeigte sich auch hier recht schnell, dass nur Sorgfalt bei der Arbeit zu vorzeigenswerten Ergebnissen führt.

Mit den bislang gewonnenen Erkenntnissen und Fähigkeiten ging es nun ans Schneiden von Linoleumplatten. Das ungleich härtere und sprödere Material erlaubt zwar feineres Arbeiten, der Arbeitsprozess insgesamt ist aber anstrengender und zeitaufwändiger. Der letzte Block des Kurses war der Monotypie vorbehalten, einem Flachdruckverfahren, bei dem die auf einen Druckträger aufgebrachte Farbe auf das Druckpapier abgeklatscht bzw. durchgerieben wird. Auch hier ist, sobald man mit den Grundprinzipien vertraut ist, ein großer Freiraum für die Experimentierlust jedes bzw. jeder Einzelnen gegeben.

Neben der eigenen Arbeit wurden aber auch Ausstellungen besucht, wie „Die Systematik des Knospens“ mit Arbeiten von Wilfried Habrich, und „Jahresrückblick XVI“ mit Druckgrafiken verschiedener Künstler im Druckgraphik-Atelier Hartwig. Und es wurden Künstlergespräche geführt. Im Kupferstichkabinett Berlin des Kulturforums gab es eine Führung durch Museumsmitarbeiter durch die Ausstellung „Romantik und Moderne“. Das alles konnte nicht nur den Horizont erweitern, die Teilnehmer haben auch interessante Anregungen für ihre eigenen Arbeiten mitgenommen.

Sehr zur Freude der beiden LeiterInnen hatte sich über das nun beinahe schon wieder vergangene Jahr eine überaus lebendige TeilnehmerInnen-Gruppe herausgebildet. Schnell war ein ausgesprochen positives Arbeitsklima etabliert, das sowohl Raum bot für die Vermittlung gestalterisch-künstlerischer Grundlagen durch die LeiterInnen, als auch einen lebhaften Austausch der TeilnehmerInnen untereinander beförderte. Erfahrungen, Ideen und Ergebnisse wurden gemeinsam diskutiert, Initiativen entwickelt, man unterstützte sich gegenseitig, und es entspannen sich neue soziale Kontakte. Alle fiebern jetzt der abschließenden Präsentation der gelungensten Arbeiten und der Produktion des Kalenders für das Jahr 2018 entgegen, wobei sich in den berechtigten Stolz auf das im vergangenen Jahr Entstandene ein wenig Traurigkeit einschleicht darüber, dass die gemeinsame kreative Zeit demnächst schon wieder zu Ende sein soll.

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