„Kommt die Eiche vor der Esche...?“

Nico Hermann

An verschiedenen Bildungszentren des Bundes werden für Menschen, die ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) absolvieren, Seminare angeboten. Da sich der Autor während seiner Zeit des BFD in den Berufszweig der Bildung umorientiert, nahm er an dem Seminar „Naturschutz als staatliche Aufgabe am Beispiel des Naturparks Kyffhäuser“ mit der Motivation teil, sich in Richtung Umweltbildung weiterzubilden. Im Folgenden wird über das politische Seminar in thüringischen Sondershausen berichtet, das Mitte Mai im Naturpark Kyffhäuser stattfand.

Der erste Seminartag barg nach einem herzlichen Willkommen die Gelegenheiten, das Bildungszentrum samt Beschäftigten sowie die Seminarleitung und -gruppe kennenzulernen. Die Teilnehmer der Gruppe waren von 30 bis 60 Jahre alt, kamen aus „grünen“, wie sozialen Berufen und aus der Umgebung oder von weit her: die Vielfalt von 16 erlebnisreichen Biographien war im Raum vereint. Die geplanten Aktivitäten für die drei Tage wurden besprochen, und die Gruppe war wortwörtlich bereits mit dem nächsten Schritt im Naturpark unterwegs – anders als der Seminartitel es erahnen lässt, ging es vor allem um eine praktische, wissensbasierte Auseinandersetzung mit der Natur in dem kleinsten Mittelgebirge Deutschlands.

Als erste Wanderung wurde im 305 km² großen Naturpark, der die erste Gebietsschutzstufe mit den zugehörigen Höhenzügen des Kyffhäuser-Gebirges, der Windleite sowie der Hainleite darstellt, ein 10 Kilometer langer Weg „Rund um Sondershausen“ begangen. Dieser war geprägt von alten Buchen, die auf Muschelkalk wuchsen. Besonders erwähnenswert waren in der Zeit zu Fuß die guten Beschilderungen, für die Wege sowie für die geologischen, biologischen und ökologischen Veranschaulichungen. Die Wanderung gipfelte bei 390 Meter über Null am sogenannten „Rondell“, von wo aus es einen Halb-Panoramaausblick gen Norden über das kulturhistorisch anerkannte Sondershausen gab, mit dem bei heiterem Wetter nicht nur das Schloss Sondershausen, sondern selbst der Brocken im Harz bestens zu erkennen waren. Auf dem Rückweg zum Bildungszentrum wurde am Fuße des Spatenbergs der Jüdische Friedhof (Sondershausen) vorgestellt, der eine über drei Jahrhunderte andauernde Geschichte und 180 Gräber, zum Teil aus dem 18. Jahrhundert, aufwies.Am zweiten Seminartag ging es bei herrlichem Wetter mit Fahrrädern auf eine insgesamt 40 Kilometer lange Hin-/Rücktour nach Günserode, um dort mit dem erfahrenen Förster und Naturparkmitarbeiter eine Führung durch das Gebirge zu unternehmen. Angekündigt war die Führung als „Orchideen-Wanderung“, doch schnell wurde klar, dass wir mit einem Einheimischen unterwegs waren, der die Natur in- und auswendig kannte, damit jeden in den Bann zog und die Neugier auf die außergewöhnliche Tier- und Pflanzenwelt stetig wachsen ließ. Wussten Sie zum Beispiel: Kommt die Esche vor der Eiche, wird der Sommer eine Bleiche. Beziehungsweise: Kommt die Eiche vor der Esche, wird der Sommer eine Wäsche? Unser Exkursionsleiter stillte unseren Wissensdurst durch gut zu merkende Faustregeln und gab anhand von gegenwärtigen Krankheiten an Bäumen einen interessanten einführenden Blick über den Zustand des Ökosystems der Umgebung. Meter für Meter den Hügel hinauf, verwies er selbstverständlich auf alle elf natürlich vorkommenden Orchideenarten plus deren hybriden Formen, die auf dem basisch-kalkreichen Boden in Kooperation mit einer Pilzkultur sehr gut gediehen. Es ging ununterbrochen vorbei an unzähligen Heilkräutern, wie Odermennig oder getüpfeltem Johanniskraut, sowie den 17 verschiedenen Kastanienarten. Begleitet wurde das geballte Wissen zu Flora und Fauna durch die zwitschernd-singende Vogelwelt, die in der Region internationales Ansehen genießt: Baumfalken, Neuntöter, Rohrweihen und Bienenfresser waren nur einige Bekannte oder am Gesang erkannte Mitglieder des Ensembles des Weges-, Hecken- und Waldrandes. Da bei Förstern der Hin- nie dem Rückweg gleicht, endete die Rundwanderung nach acht Kilometern mit der zufälligen Entdeckung einer seltenen und gefährdeten blauflügeligen Ödlandschrecke, die eher nach einem Vogel als nach einer Heuschrecke klang.

Auf der Rücktour mit den Fahrrädern wurde das im 10. Jahrhundert erbaute Benediktinerkloster Göllingen besichtigt, das partiell erhalten bzw. restauriert wurde und durch den dazugehörigen Klosterturm eine gute Möglichkeit bot, den umliegenden Landschafts- und Kulturraum im Panorama zu betrachten, in dem beispielsweise Pflanzen beheimatet sind, die sonst nur am Mittelmeer oder in den Steppen Osteuropas vorkommen.

Der dritte Seminartag wurde intensiv genutzt, um sich Raum und Zeit für Feedback und Reflexion zu den Exkursionen zu geben. Ein Film über die Kyffhäuser-Region gab eine zusammenfassende Perspektive auf die Angebote und Sehenswürdigkeiten der Region, woran im Anschluss eine letzte inhaltliche Auswertung das Seminar enden ließ.

Schließen möchte ich mit den Worten des Försters/Naturparkmitarbeiters, der sinngemäß am Anfang der Exkursion sagte: „Das Wissen über die Natur ist äußerst wichtig. Sofern wir dieses Wissen erfahren, lernen und in uns tragen, um den Wert der Natur zu begreifen, wächst in uns auch das Bedürfnis, sie für die folgenden Generationen zu bewahren.“

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