100 Jahre Flugfeld Friedrichsfelde/Karlshorst

Wolfgang Schneider

In Karlshorst entsteht das neue Wohnquartier „An der Promenade“. Die Hauptachse des neuen Wohngebiets soll an denkmalgeschützten ehemaligen Fliegerhallen vorbeiführen. Es sind die Reste des einstigen Militärflugplatzes Karlshorst, dessen Ausdehnung weit nach Biesdorf reichte. Doch wie kam es zur Ansiedlung eines Flugplatzes in Karlshorst?

Die Geschichte begann 1887. Werner von Siemens übernahm Gut und Schloss Biesdorf und gab es dann 1889 an seinen Sohn Wilhelm weiter. Dieser nutzte das Schloss über viele Jahre als Familiensitz. Die Siemens-Schuckert-Werke beteiligten sich ab Mitte 1906 am Bau eines Militärluftschiffes. Gleichzeitig begannen die Arbeiten an einem eigenen Luftschiff für das Militär. Als erstes ließ Wilhelm von Siemens 1909 auf seinem Grundbesitz in Biesdorf eine drehbare Luftschiffhalle bauen. Diese innovative Halle war eine Weltsensation. In ihr wurden später die Siemens-Schuckert-Luftschiffe SSL 1 und SSL 2 gebaut, und von hier aus unternahmen die Luftschiffe Fahrten über Berlin und bis nach Gotha. Das Siemens-Schuckert-Luftschiff war in den Jahren 1911 bis 1912 das schnellste Luftschiff. Leider konnten nicht alle vom Militär geforderten Parameter erfüllt werden, so dass keine weiteren Luftschiffe der Siemens-Schuckert-Werke gebaut wurden. Die Halle und das Gelände wurden aber bis 1917 als Ausbildungs- und Teststätte für andere Luftschifftypen weiter vom Militär genutzt (vgl.: „standorte“, herausgegeben vom Kulturring in Berlin e.V. ).

Zur gleichen Zeit versuchte die Gemeinde Friedrichsfelde, die Finanzierung ihrer Ausgaben auf eine langfristige, solide Basis zu stellen. Eine solche Möglichkeit sah sie in einem Gebiet ohne Industrieansiedlungen beim Militär, zu dem durch die Rennbahn Karlshorst und durch den Luftschiffhafen Biesdorf eine gute Beziehung bestand. Bereits 1911 stellte die Gemeinde an die Militärverwaltung einen Antrag auf Errichtung eines Luftschiffhafens. Dieser Antrag wurde zugunsten des Baus des Potsdamer Luftschiffhafens abgelehnt. Das Projekt zur Ansiedlung einer Garnison wurde jedoch weiter verfolgt. Der Vorstand der Gemeinde Friedrichsfelde beschloss am 8. Dezember 1916 die Entwicklung eines Flugplatzes im Ortsteil Karlshorst. Dazu gehörten der Ankauf von Grundstücken und die Planung der Infrastruktur. Aus der Vorlage für eine Sitzung der Gemeindevertretung vom 1.6.1917 zum Tagesordnungspunkt „Garnison Karlshorst“ geht hervor, dass die Gemeinde folgende Flächen für die Garnison ankaufen wollte: von Witwe Pahl 55.133 qm für je 1,50 Reichsmark/qm, von Siemens 1.150.069 qm für je 1,75 Reichsmark/qm, von Treskow, 263.385 qm für je 2,00 Reichsmark/qm. Ein Großteil des Geländes lag somit auf dem Gebiet der Gemeinde Biesdorf. Insgesamt hatte der Flughafen eine Größe von 154 ha. Für den Ankauf der Flächen plante die Gemeinde Friedrichsfelde zunächst 3.400.000 Mark ein, die über ein Hypothekendarlehen gesichert werden sollten. Schnell wurde klar, dass die geplanten Summen nicht reichen würden. Bei jeder Sitzung des Gemeinderates im Folgejahr wurden weitere Erhöhungen beschlossen. Die Militärverwaltung war zur Übernahme des Flugplatzes und einer 45jährigen Pachtzeit bereit. Die „Intendantur der Luftstreitkräfte“ verantwortete den Bau der Flugzeughallen. Auf die Münchner Firma „Baugesellschaft Gebrüder Rank“ war sie durch deren Bautätigkeit und der erstmaligen Verwendung von Stahlbeton bei Militärbauten auf den Militärflugplätzen München-Schleißheim und Fürth-Atzenhof aufmerksam geworden. Die Firma erhielt am 31. März 1917 den Auftrag für die Hallen 1 bis 4 und den Bau eines Werftgebäudes. Die Entwürfe der Flugzeughallen stammen von Josef Rank und sind auf den 4. April 1917 datiert.Ein Flugbetrieb fand in Karlshorst von 1916 bis 1920 statt. Stationiert war hier die Inspektion des Lichtbildwesens mit der Flug-, Lehr- und Versuchsabteilung. Die Aufgabe dieser Abteilungen bestand in der Entwicklung von Geräten für die Luftbildfotografie und in der Ausbildung des entsprechenden Personals.

Nach dem Waffenstillstand im November 1918 wurde in Karlshorst zunächst eine Fliegerstaffel für den Grenzschutz Ost aufgestellt. Der Flugplatz wurde von der Sicherheitspolizei weitergeführt. Es erfolgte hier die Aufstellung der Polizeifliegerstaffel 1, die Aufgaben im Rahmen der Sicherheitspolizei und der Kriminalpolizei erfüllte. Im April 1920 waren noch neun Flugzeuge in Karlshorst stationiert. Das Personal bestand aus alten Militärfliegern. Die Interalliierte Luftfahrt-Überwachungskommission unterstellte deshalb einen Bruch des Versailler Vertrages. Nach dessen Ratifizierung verfügte sie deshalb am 22. Juli 1920 die Niederlegung der Fliegerhallen des Flugplatzes Karlshorst. Dagegen protestierte die deutsche Regierung, und man einigte sich schließlich auf einen Kompromiss: Die Flugzeughallen und die Werfthalle können erhalten werden, wenn sie dauerhaft umgebaut werden. Das Projekt Flughafen Berlin-Karlshorst war damit beendet.

In der Folgezeit wurden Gewerbebetriebe zu Mietern. 1932 wurden Pläne für den Umbau der Flugzeughalle 6 zu Wohnzwecken vorgelegt. Damit schließt sich der Kreis zu den heutigen Planungen eines Wohngebietes auf dem Flugplatzgelände.

Für die Gemeinde Friedrichsfelde wurde der Bau des Flugplatzes zum Desaster. Die Kosten für die Hypothekendarlehen blieben, aber die Mieteinnahmen vom Militär entfielen. Und doch sollten ausgerechnet die Flugzeughallen die wechselvolle Geschichte der folgenden Jahrzehnte überstehen. Es sind die einzigen erhaltenen Zeugnisse in dieser Bauweise aus dem 1. Weltkrieg in Deutschland. Sie stehen zu Recht unter Denkmalschutz, der nicht angetastet werden sollte. Eine Ausstellung im Kulturhaus Karlshorst, die von den Geschichtsfreunden Karlshorst im Kulturring gestaltet wurde, zeigt noch bis zum 3. September 2017 Fotos und Dokumente zum Flugfeld Karlshorst.

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