Orientierungslos

Ingo Knechtel

war gestern, Leitkultur ist out, nunmehr haben sich kluge Köpfe an einen Tisch gesetzt und Thesen zur kulturellen Integration erarbeitet. Die Verfasser kommen aus Ministerien, aber auch von Kirchen und Religionsgemeinschaften, von den Medien, von Sozialverbänden, kurz von der Zivilgesellschaft im weitesten Sinne. Angestrebt wird mit den Thesen ein „Zusammenhalt in Vielfalt“, wie es heißt (im Wortlaut siehe unten). Vieles liest sich für uns inzwischen wie eine Selbstverständlichkeit, dass zum Beispiel das alltägliche Zusammenleben auf kulturellen Gepflogenheiten basiert (These 2) oder dass die Kunst frei ist (These 5). Genauso wichtig und gerade auch für viele Vereine und Initiativen von zentraler Bedeutung ist die Würdigung ihrer Arbeit, wenn in Thesen 9 und 10 formuliert wird: „Die parlamentarische Demokratie lebt durch Engagement.“ „Bürgerschaftliches Engagement ist gelebte Demokratie.“ Wenn an anderer Stelle von Geschlechtergerechtigkeit, von demokratischer Debatten- und Streitkultur und von Toleranz und Respekt die Rede ist, so sind dies Stichworte, die gleichsam Aufgaben für uns alle darstellen, denn in vielen Punkten sind wir noch ziemlich weit entfernt von den ehernen Zielen. Natürlich ist von Bildung, der deutschen Sprache und dem Platz für Religion die Rede, auch die Rolle der Erwerbsarbeit für Teilhabe, Identifikation und sozialen Zusammenhalt wird unterstrichen. Letztlich greift das Thesenpapier auch auf die Geschichte zurück und formuliert, dass eine Auseinandersetzung mit ihr nie abgeschlossen ist. Wenn aber in These 7 geschrieben steht „Einwanderung und Integration gehören zu unserer Geschichte“, so möchte man hinzufügen, ja, aber sie sind auch Teil der Gegenwart. Also nageln wir die 15 Thesen im Lutherjahr an alle möglichen Pforten dieses Landes. Wenn sie zum Dialog einladen, auch zur Auseinandersetzung, können sie ihr Ziel erreichen, unserem Zusammenleben Orientierung zu geben und die Vielfalt unseres Lebens und unserer Kultur als Stärke zu begreifen. Daran mitzuwirken, mit Widerspruch, mit Ideen und kreativem Geist, kann für jeden Herausforderung und Erfüllung zugleich darstellen. Mischen wir uns also mit Rat und Tat in die Debatte ein!

15 Thesen zur kulturellen Integration:

These 1: Das Grundgesetz als Grundlage für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland muss gelebt werden.

These 2: Das alltägliche Zusammenleben basiert auf kulturellen Gepflogenheiten.

These 3: Geschlechtergerechtigkeit ist ein Eckpfeiler unseres Zusammenlebens.

These 4: Religion gehört auch in den öffentlichen Raum.

These 5: Die Kunst ist frei.

These 6: Demokratische Debatten- und Streitkultur stärkt die Meinungsbildung in einer pluralistischen Gesellschaft.

These 7: Einwanderung und Integration gehören zu unserer Geschichte.

These 8: Die freiheitliche Demokratie verlangt Toleranz und Respekt.

These 9: Die parlamentarische Demokratie lebt durch Engagement.

These 10: Bürgerschaftliches Engagement ist gelebte Demokratie.

These 11: Bildung schafft den Zugang zur Gesellschaft.

These 12: Deutsche Sprache ist Schlüssel zur Teilhabe.

These 13: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nie abgeschlossen.

These 14: Erwerbsarbeit ist wichtig für Teilhabe, Identifikation und sozialen Zusammenhalt.

These 15: Kulturelle Vielfalt ist eine Stärke.

Infos unter: http://kulturelle-integration.de

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