Das gelobte Land

Ingo Knechtel

wird schon in biblischen Erzählungen gesucht, und auf eine gewisse Weise wiederholt sich diese Suche über die Jahrhunderte hinweg immer wieder. Im Frühmittelalter brachen die Wikinger aus ihrer heimatlichen Gebundenheit aus, um in der Ferne Ruhm, Reichtum und Abenteuer zu suchen. Kolonisatoren entdeckten und eroberten weite Gebiete in Amerika und Afrika. Der amerikanische Westen lockte viele Glücksucher und Goldgräber. Die Gründe für die oft vermeintliche Suche nach Glück waren schon immer die Unzufriedenheit mit dem Leben in der angestammten Heimat, die Verlockungen der Ferne und zumeist auch der Wunsch nach einem besseren Leben. Auch im letzten und in diesem Jahrhundert schreibt das Leben derartige Geschichten. Manch einer von uns wird sich zumindest aus dem Schulunterricht an solch gewagte Thesen erinnern, wie: Die Heimat aller Arbeiter ist die Sowjetunion. Wie kam man darauf? Es gab noch kein Beispiel für die neue Gesellschaft nach 1917 in Russland, und so zog es angesichts der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre und des aufkommenden Naziregimes Menschen mit großen Hoffnungen gen Osten. Immer stärker rücken Kriege und politische Gründe, aber auch die grassierende Armut, für die Migration in den Vordergrund, das sehen wir bis heute. Inwieweit es all jenen, die ihre Heimat verlassen, gelingt, sich in ihrem neuen Umfeld auch eine neue Heimat zu schaffen, wird wohl vom Glück, vom Willen des Einzelnen abhängen, aber auch von der Aufnahmebereitschaft der für sie oder ihn neuen Mitbürger. Wir nennen das heute Willkommenskultur. Es ist sicher kein Zufall, dass sich in diesem Heft der KulturNews Beispiele gerade zu diesem Thema finden. Sie sollen anregen, sich – bei allen Problemen und Gewöhnungsbedürftigem – zur Frage, wie können verschiedenartige Kulturen in ein und derselben Heimat zusammenleben, ernsthaft Gedanken zu machen. Sie sollen auch Mut machen, in den Spiegel der eigenen Familiengeschichte zu schauen, vielleicht dort einmal Forschungen zu unternehmen und auf Überraschungen zu treffen, wie sich das mit der Heimat oder der Suche danach bei den eigenen Vorfahren so zugetragen hat. Hilfe dazu gibt es in Vereinen, auch im Internet. Genealogie ist das Stichwort, im Kulturring gibt es zum Beispiel eine solche Interessengemeinschaft (http://iggberlin.org). Vielleicht finden Sie ja auch für sich eine Antwort auf die oft gestellte Frage, ob es immer nur eine Heimat für den Menschen gibt oder ob jemand heimatlos sein kann.

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