Jobcoaching beim Kulturring – Hilfe zur Selbsthilfe

Dominique Fritzsche

Als angestellter Jobcoach beim Kulturring in Berlin e.V. möchte ich Ihnen zwei Coachees (so wird eine Person genannt, die ein Jobcoaching in Anspruch nimmt) vorstellen. Beide sind damit einverstanden, dass ich Ihnen ein wenig von unserer gemeinsamen Arbeit erzähle.

Zunächst stellt sich wohl aber auch die Frage, wer denn diese Arbeit macht: Gibt es beispielsweise spezielle Qualifikationen, um als Jobcoach zu arbeiten? In meinem berlinweiten Kollegenkreis ist von einer kaufmännischen Ausbildung, einem Meistertitel, einem absolvierten Hochschulstudium bis zur Promotion alles vertreten. Ich persönlich habe Psychologie in London, sowie Kultur- und Religionswissenschaften in Berlin studiert. Außerdem habe ich Deutsch und Französisch als Fremdsprache in der Erwachsenenbildung unterrichtet. Ich denke, dass Offenheit, Neugierde und ein gewisses Maß an Freude, andere Menschen zu unterstützen, hilfreiche Voraussetzungen sind, um diese Tätigkeit angemessen ausfüllen zu können. Dazu gibt es noch eine offizielle Jobcoaching-Qualifizierung, berufsbegleitend in Blöcken, zu Beginn der Arbeitsaufnahme. Auch ist es auf freiwilliger Basis möglich, ein Zertifikat der Universität Potsdam zu bekommen, wenn man sich auf eine schriftliche Arbeit einlässt.

Zum Berliner Jobcoaching-Programm kann man auf der Webseite der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen Folgendes lesen: „Berlin hat bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit einen eigenen Weg eingeschlagen, den Berliner Weg: Seit 2012 bietet die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen das Berliner Jobcoaching an.“1) Mit dem Beratungs- und Betreuungsmodell für Langzeitarbeitslose können Teilnehmende doppelt so häufig in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden als ohne Coaching, heißt es da. Durch eine aktive Begleitung und Beratung sollen sie beim Einstieg in einen neuen Arbeitsplatz unterstützt und beim systematischen Abbau ihrer persönlichen Vermittlungshemmnisse begleitet werden. Das Programm wird sowohl für Teilnehmende an öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahmen, als auch für Unternehmen, die Arbeitslose einstellen, angeboten.

So weit, so amtlich. Aber was bedeutet das konkret für (m)eine alltägliche Arbeit als Jobcoach? Anneliese Busch2) hat sich nach einem Workshop im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes an mich gewandt und wollte am Jobcoaching-Programm teilnehmen. Sie hatte über lange Jahre eine gute Stelle in der Verwaltung eines Pharmaunternehmens und wurde vor einigen Jahren unerwartet im Laufe eines Umstrukturierungsprozesses arbeitslos. Dieses Erlebnis hat sie gezeichnet und ihr Selbstwertgefühl sehr beeinträchtigt. Sie sagt, dass das Jobcoaching für sie insofern eine gute Sache ist, weil sie sich als individueller Mensch wahrgenommen fühlt „mit ihren Freuden und Ängsten und allem, was sonst noch so dazu gehört“. Sie hat mir auch rückgemeldet, dass die Aufmunterung und Unterstützung, die sie durch die regelmäßigen Termine erfährt, ihr Hoffnung und die Kraft zum Weitermachen geben. Das Dranbleiben und der Glaube daran, dass sie eine für sich passende Arbeitsstelle finden wird, sind nun eine treibende Kraft für sie geworden.

Dazu gibt es auch ganz praktische Hilfe beim Jobcoaching: Bewerbungsgespräche werden trainiert, Lebenslauf und Anschreiben bearbeitet, Gelder für fehlende Qualifizierungen beantragt und Behördengänge auch mal gemeinsam absolviert. Auch deswegen nehmen wir Berliner Jobcoaches regelmäßig an Fortbildungen teil, tauschen uns mit den KollegInnen aus und recherchieren viel.

Noch hat Frau Busch keine passende Stelle gefunden, jedoch wurde sie in den letzten Monaten schon zu so vielen Bewerbungsgesprächen eingeladen wie in den gesamten letzten Jahren nicht. Dies ist ein sehr großer Schritt vorwärts, der sie motiviert, das angestrebte Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Die Beharrlichkeit, Ausdauer und Mühe, die Frau Busch an den Tag legt, sind beeindruckend. Unsere gemeinsame Arbeit geht selbstverständlich weiter, und ich wünsche ihr, dass das Jahr 2017 einen passenden Arbeitsplatz für sie bereit hält.Nessrin Issat ist vor drei Jahren mit ihrem Mann und ihren vier Kindern auf abenteuerliche Weise aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Herr Issat absolviert beim Kulturring einen Bundesfreiwilligendienst, und so ist der Kontakt auch zu seiner Frau entstanden. In ihrer Heimat war Frau Issat Krankenschwester und hat viele Jahre in einer Gemeinschaftsarztpraxis gearbeitet. Die Schwierigkeit liegt nun darin, dass es ihr nicht möglich war, die Papiere mitzunehmen, die ihre Qualifikation und Arbeitstätigkeit nachweisen. Um überhaupt im Gesundheitsbereich wieder tätig sein zu dürfen, hat es nun geklappt, dass sie bei Vivantes einen Pflegebasiskurs absolvieren darf. Die Koordination aller Beteiligten sowie der bürokratische Aufwand waren nicht unerheblich, und es war nicht selbstverständlich, dass sich die Situation so wunderbar entwickelt. Frau Issat ist inzwischen gut im Kurs bei Vivantes angekommen und schmiedet bereits Pläne, wie sie wieder in einer Arztpraxis arbeiten kann. Da sie auch für ihre Kinder da sein möchte, kann sie nicht im Schichtdienst arbeiten. Falls Sie also von einer Praktikumsmöglichkeit mit Aussicht auf Übernahme in einer Arztpraxis erfahren, dann dürfen Sie sich gerne per E-Mail an mich wenden: dominique.fritzsche@kulturring.org.

Die Lebensenergie von Frau Issat ist für mich sehr inspirierend, und ich bin überzeugt, dass sie nächstes Jahr gut vorankommen wird. Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass sich kein Tag wie der andere gestaltet, da jeder Coachee anders ist. Jeder bringt seine ganz persönliche Lebensgeschichte, seine Situation und seine Ressourcen mit. Dementsprechend muss jeder Coachee ganz individuell beraten und unterstützt werden. Deshalb freue ich mich sehr auf das Jahr 2017 als Jobcoach beim Kulturring.

1)www.berlin.de/sen/arbeit/berlinarbeit-ziel-1/jobcoaching

2) Der Name wurde wunschgemäß geändert, ist der Redaktion aber bekannt.

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